Samstag8. November 2025

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UN verlangen Untersuchung

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Gaddafi ist tot. Die UN fordern jetzt Aufklärung zu den ungeklärten Umständen. Der Tod des Ex-Diktators macht jetzt Menschen in Syrien und Jemen Mut.

Der Tod des langjährigen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi hat die Demokratiebewegungen im Jemen und Syrien beflügelt. Für den libyschen Nationalrat beginnt an diesem Samstag eine neue Zeitrechnung – er will das Land für befreit erklären. Allerdings wird der tote Gaddafi die neuen Machthaber weiter beschäftigen. Die Vereinten Nationen haben eine Untersuchung verlangt, wie der 69-Jährige ums Leben gekommen ist. Der Nato-Rat trat am Freitag in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen, um das Ende des sieben Monate langen Einsatzes in Libyen zu beschließen.

Gaddafi war am Donnerstag in seiner Heimatstadt Sirte unter noch nicht geklärten Umständen getötet worden. Auch Gaddafis Sohn Mutassim starb während der letzten Kämpfe. Zunächst hatte das Fernsehen des Nationalrates auch berichtet, dass Gaddafis zweitältester Sohn Saif al-Islam ums Leben gekommen war. Kämpfer des Übergangsrates haben am Freitag dann überraschend Saif al-Islam angeblich 160 Kilometer östlich von Tripolis gefangen genommen, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija. Er sei am Rücken verletzt.

Todesursache unklar

Um die genauen Todesumstände Gaddafis rankten sich am Freitag unterschiedliche Darstellungen. Offizielle Stellen in Tripolis behaupten, der verletzte Gaddafi sei auf der Fahrt nach Misrata im Krankenwagen ins Kreuzfeuer neuer Kämpfe geraten und dabei tödlich verletzt worden. Nach Einschätzung eines Arztes starb der Ex-Diktator am Donnerstag durch „Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch“. Dies könnte auf eine absichtliche Erschießung hindeuten, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Arabija.

Ein Kämpfer der Nationalrats-Milizen stellte die Situation anders dar. Danach hat sich Gaddafi an einem Abwasserrohr ohne weitere Schwierigkeiten festnehmen lassen, sagte der Milizionär Osama al-Tajib. „Wir übergaben ihn dem Sicherheitskomitee“, führte er weiter aus. „Doch dann brach ein Gefecht zwischen den Gaddafi-Loyalisten und den Revolutionären aus.“ Gaddafi sei dabei durch Schüsse in Kopf und Brust getroffen worden. „Wir legten ihn in einen Ambulanzwagen, ein Arzt machte Wiederbelebungsversuche, aber er starb.“

Grabstelle bleibt geheim

Stunden zuvor war in Sirte der letzte Widerstand bewaffneter Gaddafi-Anhänger zusammengebrochen. Der Übergangsrat entschied am Freitag, dass Gaddafi nach muslimischer Tradition binnen 24 Stunden beigesetzt werden sollte. Der Ort der Beisetzung soll jedoch geheim bleiben, damit Gaddafi-Anhänger keinen Wallfahrtsort bekommen.

Wegen der rätselhaften Umstände des Todes forderten sowohl Gaddafis Ehefrau Safija als auch die Vereinten Nationen Aufklärung. „Wir wissen nicht, wie er gestorben ist. Dazu muss es eine Untersuchung geben“, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag in Genf. „Es scheint vier verschiedene Versionen zu geben, wie er gestorben ist. Es gibt mindestens zwei mit Mobiltelefonen aufgenommene Videos. Das eine zeigt ihn lebendig, das andere zeigt ihn tot. Zusammen sind diese Videos sehr beunruhigend.“

Neue Ära beginnt

Für den Nationalrat beginnt am Samstag eine neue Zeitrechnung. Zuerst will er Libyen offiziell für befreit erklären. Nach der feierlichen Zeremonie solle dann binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira.

Diese Übergangsregierung wird dann eine verfassungsgebende Versammlung einberufen und freie, demokratische Wahlen vorbereiten. Der Nationalrat wird außerdem seinen Sitz von Bengasi, wo vor acht Monaten der Volksaufstand gegen Gaddafi begann, in die Hauptstadt Tripolis verlegen.

Islamisten und Stammesrivalitäten

Während die frühere Opposition mit dem Sturz Gaddafis ein gemeinsames Ziel hatte, herrschen jetzt zwischen liberalen und streng religiösen Gruppen unterschiedliche Vorstellungen, wie das neue Libyen aussehen wird. Der angestrebte demokratische Neuaufbau wird auch durch Stammesrivalitäten gefährdet. Unklar bleibt auch, ob sich die Milizen wirklich entwaffnen und dann in die regulären staatlichen Sicherheitskräfte einbinden lassen.

Vor Beginn der Sitzung des Nato-Rates hatte bereits Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ein rasches Ende der Nato-Mission in dem nordafrikanischen Land angekündigt. „Die Nato und unsere Partner haben das historische Mandat des UN-Sicherheitsrates zum Schutz der libyschen Bevölkerung erfolgreich umgesetzt“, hieß es in einer Erklärung Rasmussens vom Donnerstagabend in Brüssel.

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte am Freitag in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad: „Es ist unsere Hoffnung, dass das, was ich am Dienstag in Tripolis mit eigenen Augen gesehen habe – der Eifer der Libyer, mit dem Aufbau einer Demokratie zu beginnen – jetzt ernsthaft beginnen kann.“

In Syrien und im Jemen sind am Freitag tausende Menschen nach dem traditionellen Mittagsgebet auf die Straße gegangen, um das Ende ihrer jeweiligen Gewalt-Regime zu fordern. In beiden arabischen Ländern inspirierte der Tod des früheren Diktators Gaddafi die Demonstranten. „Baschar, du bist der nächste!“, stand – in Anspielung auf den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad – auf Transparenten, die von Augenzeugen in der syrischen Stadt Homs gesehen wurden.