Bei dem Sonder-Treffen am Mittwoch in Cannes wollen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy auf eine rasche und vollständige Umsetzung der Beschlüsse des Euro-Gipfels für Athen pochen. Dies sei „heute notwendiger sind denn je“, heißt es in einer gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung nach einem Telefonat von Merkel und Sarkozy am Dienstag.
Auslöser der neuen Unruhen in der Euro-Zone ist die überraschende Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou für eine Volksabstimmung über das neue Milliarden-Rettungspaket.
An dem Treffen in Cannes – einen Tag vor dem G-20-Gipfel – werden außer Merkel und Sarkozy die Spitzen von Europäischer Union, EU-Rat, Europäischer Zentralbank (EZB) sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnehmen. Neben diesem Konsultationstreffen werde es Gespräche von Merkel und Sarkozy mit Papandreou geben.
Juncker fürchtet Unsicherheit
Auch der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, meldete sich am Dienstag zu Wort. Er fürchtet, dass nach der Ankündigung der griechischen Volksabstimmung über die Euro-Rettung noch größere Nervosität und Unsicherheit an den Finanzmärkten entstehen könnte. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou habe seine Entscheidung für das Referendum nicht mit den Regierungschefs der anderen 16 Euro-Länder abgesprochen, mit denen er am vergangenen Donnerstag in Brüssel zusammengetroffen war, sagte Juncker in einem Radio-Interview. Wenn die Griechen den vereinbarten Rettungsplan ablehnen würden, so sei ein griechischer Staatsbankrott möglich, betonte Juncker.
Sollten die Griechen auch weiterhin zwar den Euro, aber keine Einschränkungen wollen und deswegen bei dem Referendum Nein sagen, so ist die Katastrophe vorhersehbar: Dem Staat geht das Geld aus, nicht nur viele Banken gehen pleite – und Griechenland wird auch ohne Euro noch viele Jahre lang kein Geld mehr zu halbwegs vernünftigen Konditionen mehr leihen können. Denn im Gegensatz zu Argentinien, das 2002 zahlungsunfähig wurde und dann dank seiner Rohstoffe und Agrarexporte wieder gesundete, ist Griechenland von Dienstleistungen und Importen abhängig. Das macht alles besonders mühsam.
Kettenreaktion nach Referendum-Ankündigung
Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat seine Euro-Partner brüskiert und die Finanzmärkte weltweit in neue Unsicherheit gestürzt. Die Börsen reagierten am Dienstag mit kräftigen Verlusten auf seine Ankündigung, dem griechischen Volk die neuesten Sparpläne zur Abstimmung vorzulegen. Erst vor wenigen Tagen hatte der gefeierte Brüsseler Doppelgipfel das neuerliche Hilfspaket für Athen nach mühsamen Verhandlungen festgezurrt – jetzt gehen die Kurse wieder auf Talfahrt.
Nicht nur die EU-Partner hat der Vorstoß kalt erwischt, auch an den Börsen gingen die kräftigen Gewinne der Vorwoche wieder verloren: In Frankfurt stürzte der Dax am Vormittag um bis zu 4,4 Prozent auf rund 5872 Punkte – nach dem Gipfel war er binnen kurzer Zeit bis über 6400 Punkte geklettert. Das gleiche Bild bot der Euro: Die europäische Gemeinschaftswährung sackte sogar unter die Marke von 1,37 Dollar. Die Gipfelbeschlüsse hatten ihn noch in Richtung 1,42 Dollar gehoben.
Italien wankt
In Italien gerät derweil die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi immer stärker unter Druck: Nach der Ankündigung eines Referendums in Athen stieg der Risikoaufschlag für Staatsanleihen des ebenfalls hoch verschuldeten Italien auf einen Rekordstand. Berlusconi versprach daraufhin erneut schnelles Handeln. Rom werde die in Brüssel versprochenen Maßnahmen „mit der Entschlossenheit, Strenge und Schnelligkeit durchsetzen, die die Situation verlangt“, teilte der italienische Regierungschef mit.
Italien war wegen seines hohen Schuldenstands und politischer Unstimmigkeiten ins Kreuzfeuer der Finanzmärkte geraten. Unter dem Druck der EU hatte Berlusconi beim jüngsten Gipfel in Brüssel ein umfangreiches Papier mit Absichtserklärungen zu Liberalisierungen, einer Rentenreform und Infrastrukturprogrammen für mehr Wachstum vorlegen müssen. Das Land hat nach Griechenland gemessen an der Wirtschaftsleistung den höchsten Schuldenstand der Eurozone.
Politisches Wagnis
In der Athener Presse wurde Papandreous Plan am Dienstag als großes politisches Wagnis interpretiert. „Die griechische Regierung hat bereits ihren politischen Bankrott erklärt“, titelte die führende Zeitung „Eleftherotypia“. „Das Land war bereits in Schwierigkeiten, mit der Volksabstimmung findet es sich nun am Rande des Abgrunds wieder.“ Die neue politische Entwicklung sei ein großes Risiko für die Regierung, meinte die Zeitung „Ta Nea“. Vertrauensabstimmung und Referendum seien mit Blick auf den Ausgang ein doppeltes Glücksspiel, schrieb „Ethnos“.
Schwedens Außenminister Carl Bildt schrieb in der Nacht zum Dienstag in einer Twitter-Mitteilung: „Es gelingt mir wirklich nicht zu verstehen, worüber Griechenland ein Referendum haben will. Gibt es denn echte Optionen?“ In seinem Internetblog meinte der konservative Stockholmer Minister am Dienstag weiter: „Der gestrige Bescheid aus Athen, dass Regierungschef Papandreou irgendeine Art der Volksabstimmung plant, hat die Bewältigung dieser Situation nicht gerade leichter gemacht.“ Diese Probleme würden nun den in Cannes bevorstehenden G-20-Gipfel „mit absoluter Sicherheit dominieren.“
Unter Druck
Papandreou hatte am Montagabend angekündigt, die Bürger zu befragen, ob sie den neuen Hilfszusagen der internationalen Geldgeber zustimmen wollten oder nicht. Papandreou steht innenpolitisch schwer unter Druck. Sein Rivale von der konservativen Nea Dimokratia, Andonis Samaras, und Teile seiner Regierungspartei Pasok verweigern sich der dringend nötigen Sanierung der Staatsfinanzen. Auch die Gewerkschaften leisten Widerstand. Seit Monaten gibt es immer wieder Proteste und Massenstreiks.
Unklar blieb auch am Dienstag, wann genau das Referendum stattfinden und wie genau die Fragestellung lauten soll. Welche Konsequenzen ein Nein der Bevölkerung hätte, blieb ebenfalls unklar. Papandreou sprach davon, dass Ergebnis sei für die Regierung bindend.
Fraglich bleibt auch, welche Konsequenzen die überraschende Entwicklung aktuell für den Sparkurs in Athen hat. Die 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer hatten unter anderem ein neues 100-Milliarden-Euro-Paket für Athen beschlossen. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer verzichten nun auf die Hälfte ihrer Forderungen. Anfang 2012 sollen alte gegen neue griechische Anleihen getauscht werden. Die Beschlüsse des Gipfels waren in Griechenland auf heftige Kritik gestoßen. Die Regierung hatte versucht, Ängste in der Bevölkerung vor Verlusten von Sparguthaben und Pensionen zu zerstreuen.
De Maart

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