Dienstag21. Oktober 2025

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Anwalt: „Der Pilot ist kein Krimineller“

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Der Verteidiger des angeklagten Piloten der verunglückten Fokker 50 hat am Donnerstag den Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Allein die Luxair trage die Schuld am Crash.

Im Luxair-Prozess hat am Donnerstag der Unglückspilot Claude Poeckes erneut vor Gericht aussagen müssen. Im Februar 2003 hat der Pilot die Frau des verstorbenen Kopiloten besucht. Dabei soll er der Frau erklärt haben, dass er die Maschine zum Zeitpunkt des Absturzes nicht geflogen habe, sondern der Kopilot. Richter Prosper Klein spricht hier von einer Schuldabweisung. Einerseits kann sich der Pilot an die letzten Minuten vor dem Unglück nicht erinnern, andererseits die Angaben von Poeckes gegenüber der Lebenspartnerin des Kopiloten. Der Richter spricht von Widersprüchen.

Strafrechtlich sei dies nicht relevant, aber warum macht der Pilot diesen Schritt?, fragt Richter Prosper Klein. Er solle endlich die Verantwortung übernehmen, so Klein. Schließlich habe die Frau des Kopilot jahrelang mit dieser Schuld leben müssen.

Pilot hat keine Fehler begangen

Nach diesem richterlichen Einwurf widmete sich der Verteidiger des Piloten, Georges Pierret, seinem Plädoyer. Dabei ging er erneut auf technische Details beim Landeanflug der Unglücks-Fokker ein. Sein Mandant habe nicht die Fehler begangen, die ihm vorgeworfen werden. Me Pierret würzte seine Erläuterungen mit etlichen technischen Details und zitierte ausgiebig aus dem Gutachten des Experten und des Fokker-Handbuchs. Bei Richter Propser Klein provozierten diese Erklärungen jedoch mehrmals Kopfschütteln.

Man müsse sich nur auf die Gutachten der Experten berufen, da sein Mandant sich nicht mehr an den Unglückstag erinnern könne, betonte der Verteidiger, der jedoch die Richtigkeit der Resultate der Expertise anzweifelte. Es sei nicht definitiv klar, wer die Maschine fliegen musste und wer wirklich geflogen sei. In jedem Fall mussten beide Piloten fähig sein, die Maschine zu steuern. Auch sei das Regelwerk nicht zu 100-Prozent klar. Unklar sei, ob die Kabine nicht doch auf eine Landung vorbereitet war.

Verteidiger versucht Experten zu widerlegen

Me Pierret versuchte, Stück für Stück zu beweisen, dass Poeckes ordnungsgemäß gehandelt habe und die Schuld bei anderen zu suchen sei. Man fand in seiner Rede viele Auszüge der Rede des Zeugen Guibert wieder. Der Flugexperte war vor fünf Wochen von den Anwälten des Piloten in den Zeugenstand gerufen worden, um die Ergebnisse der offiziellen Gutachten zu widerlegen. Der Zeuge wurde jedoch damals von Richter Klein regelrecht auseinander genommen.

Das hinderte den Verteidiger von Claude Poeckes jedoch nicht daran, unbeirrt mit seinen Ausführungen weiter zu machen. Wie könne es zum Beispiel sein, dass ein anderes Flugzeug bei einer Sicht von nur 275 Metern eine Landeerlaubnis erhielt? Der Kontrollturm wusste nicht, was er tat. Hinzu kam ein technischer Defekt, von dem die Besatzung der Fokker nichts wusste. Claude Poeckes wurde sozusagen gezwungen so zu handeln, wie er es tat. Ihn treffe keine Schuld, argumentierte Pierret.

Fakten schaffen mit Gegenexpertise

Die Anwälte von Claude Poeckes kündigten anschliessend an, die Gegen-Expertise ihres Experten Guibert einreichen zu wollen. Dort würden technische Details über die Fehlfunktion des Schubhebel erläutert. „Das Dokument ist juristisch nicht relevant“, lautete jedoch der Kommentar des Richtergespanns. Er sei als Zeuge gehört worden und hätte dort schon alles gesagt. Wenn die Verteidigung sich jedoch in ihrem Plädoyer auf die Argumente Guiberts stützen will, dürfe sie das natürlich tun. Das Gericht warnte jedoch auch, dass man angesichts des engen Zeitplans nicht noch weitere Zeit verlieren dürfe.

Es folgten wieder technische Erklärungen, diesmal von Me Medinger, welche die These einer Panne stützen sollen. Wieder kritisierte der Rechtsbeistand auf das Heftigste die Schlussfolgerungen der Experten Favé und Tavernier. Viele Elemente seien nicht analysiert worden, so der andere Anwalt des Unglückspiloten. Er unterstrich, dass kein klarer Beweis für eine vorsätzliche Fehlmanipulierung des Hebels existiert.
Medinger beschäftigte sich auch mit dem Handbuch von Poeckes. Als er 1999 von Boeing auf Fokker wechselte, hätte er eine Version erhalten, die wahrscheinlich nicht komplett gewesen sei. Niemand hätte ihn auf die fehlenden Dokumente aufmerksam gemacht.

Beweise

Der Versuch des Gerichts, den Anwalt von der Seriosität der Expertise „Favé/Tavernier“ zu überzeugen, blieb ohne den gewünschten Erfolg. Klein versuchte unter anderem Medinger dazu zu bringen, zuzugeben, dass die Aktivierung des Rückschubs vorsätzlich vorgenommen worden sei und nicht zufällig passieren konnte. Es gebe genügend Beweise dafür, sagte der Richter, der den Aufruf machte, der Wahrheit endlich ins Gesicht zu sehen. Er wisse, dass es schwierig gewesen sei, diese Argumentation aufzubauen. Es sei aber seine Pflicht, die gröbsten Fehler zu verbessern, unterstrich Klein.

Jetzt unterbrach der Vorsitzende der Strafkammer regelmäßig den Anwalt. Dieser versuchte indes einen Teil der Schuld auf die Luxair zu schieben. Die Fluggesellschaft hätte die notwendigen Sicherheitssysteme nicht eingebaut. Die Sicherheitskultur bei Luxair sei nicht sehr entwickelt gewesen. Die Luxair sei einzig und alleine Schuld für den Crash vom 6. November 2002. Abschliessend sagte Medinger, dass man im Zweifelsfall den Angeklagten freisprechen müsse. „Bei fundierten Zweifeln“, bemerkte Richter Klein leise. Poeckes sei kein Krimineller, der vorsätzlich den Tod von 20 Personen herbeigeführt habe, erklärte Me Medinger weiter. Er würde sowieso nie mehr ein Flugzeug steuern und habe eine neue Lebensaufgabe als Mechaniker gefunden, so der Anwalt abschließend. Er forderte den Freispruch in allen Anklagepunkten für seinen Mandanten.

Der Prozess

Seit 10. Oktober wird gegen sieben Mitarbeiter der Luxair verhandelt, deren Fokker 50 am 6. November 2002 wenige Kilometer vor dem Flughafen Findel abstürzte. 20 der 22 Passagiere kamen dabei ums Leben.

Wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung sowie Verstößen gegen Flugverkehrsregelungen müssen sich der Pilot Claude Poeckes, drei seiner ehemaligen Chefs, zwei frühere Mechaniker und ein ehemaliger technischer Direktor verantworten. Im Falle einer Verurteilung drohen den sieben Beschuldigten zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft.

Der Prozess soll bis zum 2. Dezember abgeschlossen werden. Der Termin der Urteilsverkündung steht noch nicht fest.