Dienstag21. Oktober 2025

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Pakistanische Regierung geht auf Distanz

Pakistanische Regierung geht auf Distanz
(dpa)

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Nach dem Luftangriff auf pakistanische Soldaten stellt Islamabad die Zusammenarbeit mit den USA und der Nato infrage. Ohne Pakistans Kooperation ist an Frieden in Afghanistan kaum zu denken.

Wenn am Montag kommender Woche die Staaten der Welt in Bonn zusammenkommen, um über die Zukunft Afghanistans zu beraten, wird einer der wichtigsten Teilnehmer massiv verstimmt sein: Der Nato-Angriff auf pakistanische Militärbasen an der Grenze zu Afghanistan mit vielen Toten hat den angespannten Beziehungen zwischen Pakistan und den USA einen neuen Tiefschlag versetzt. Die Regierung in Islamabad stellt die Zusammenarbeit mit den USA und mit der Nato in Afghanistan nun infrage – auf allen Ebenen.

Dem Angriff von Nato-Kampfhubschraubern auf einen pakistanischen Militärposten im Grenzgebiet zu Afghanistan soll feindliches Feuer von Pakistan aus vorausgegangen sein. „Die internationalen Truppen wurden zuerst von einem Gebiet nahe dem pakistanischen paramilitärischen Posten beschossen“, sagte am Sonntag ein Vertreter des afghanischen Militärs in Kabul. „Daher forderten sie Luftunterstützung an“, sagte der Armeevertreter.

Aufständische wie die Taliban verüben von Pakistan aus allerdings immer wieder Angriffe in Afghanistan – und ziehen sich danach hinter die Grenze zurück, die für die Isaf das Ende ihres Einsatzgebietes bedeutet. Erschwerend kommt hinzu, dass der genaue Grenzverlauf in der unwegsamen Region oft unklar ist. Isaf-Kommandeur John Allen teilte mit, die Aufklärung des Vorfalls genieße seine „höchste persönliche Aufmerksamkeit“.

Regierung zieht Konsequenzen

Regierung, Militär und erst Recht das Volk in Pakistan beschwichtigte Allens Zusicherung freilich nicht. Die Regierung berief ein Dringlichkeitstreffen ein. Als unmittelbare Strafmaßnahme verfügte sie, dass zunächst keine Nato-Konvois mehr durchs Land rollen dürfen – das Bündnis bekommt etwa die Hälfte seines Afghanistan-Nachschubs über den pakistanischen Landweg.

Die USA müssen außerdem einen Luftwaffenstützpunkt im Südwesten Pakistans binnen 15 Tagen räumen. Und die Regierung kündigte an, „alle Programme, Aktivitäten und Übereinkommen zur Zusammenarbeit mit USA/Nato/Isaf zu überprüfen, eingeschlossen diplomatische, politische, militärische und geheimdienstliche“. Der Angriff „erfordert eine wirksame nationale Reaktion“.

„Sinnloser Angriff“

Außenministerin Hina Rabbani Khar übermittelte ihrer US-Amtskollegen Hillary Clinton am Sonntag „das tiefe Gefühl der Wut, das in ganz Pakistan wegen des sinnlosen Verlustes von 24 Soldaten empfunden wird“, wie das Ministerium in Islamabad mitteilte. „Das macht den Fortschritt, den beide Länder bei der Verbesserung ihrer Beziehungen erreicht haben, zunichte.“

Viel Fortschritt war da allerdings nicht erzielt worden. Das Verhältnis der angeblichen Verbündeten wird seit langem immer kühler. Bereits im vergangenen Jahr waren zwei pakistanische Soldaten beim Beschuss durch amerikanische Isaf-Hubschrauber getötet worden. Islamabad hatte die Nachschub-Blockade damals nach gut zwei Wochen – und nach einer offiziellen US-Entschuldigung – wieder aufgehoben.

Diplomatische Krise

Zu Jahresbeginn sorgte der Fall des CIA-Mitarbeiters Raymond Davis für eine Krise zwischen Washington und Islamabad. Davis hatte in der ostpakistanischen Stadt Lahore unter bis heute ungeklärten Umständen zwei Pakistaner erschossen und war festgenommen worden. Die US-Regierung erzwang seine Freilassung. Den vorläufigen Tiefpunkt erreichte das Verhältnis im Mai mit der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden durch US-Spezialkräfte mitten in Pakistan.

Zudem befeuern die anhaltenden Einsätze von US-Drohnen im Grenzgebiet zu Afghanistan den Hass der Pakistaner auf Amerika – der nach dem jüngsten Hubschrauberangriff einen Höhepunkt erreicht hat. Auf der Internetseite der Zeitung „The News“ forderte ein Leser einen „Tag der Rache“. Er schrieb: „100 Offiziere der verdammten USA sollten im Gegenzug gehängt werden.“ Ein anderer Kommentator kritisierte die Regierung in Islamabad als „Sklaven der USA“.

Angespannte Lage

Viel Zuneigung für Pakistan dürfte auch in Washington nicht mehr übrig sein. Dass die USA Pakistan nicht über die Operation gegen Bin Landen informierten, war ein kaum zu übertreffender Misstrauensbeweis. Immer wieder verdächtigen die USA den zwielichtigen Geheimdienst ISI, Aufständische zu unterstützen, die Ziele in Afghanistan angreifen. Gerüchte, die pakistanische Armee verhandele mit den Taliban über einen Waffenstillstand, dürften kaum zur Beruhigung beitragen.

Auch in der afghanischen Regierung traut man Pakistan nicht. Es sei „ein offenes Geheimnis“, dass die Gewalt in Afghanistan ihren Ursprung im Nachbarland habe, sagt der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Hamid Karsai, Rangin Dadfar Spanta. „Ohne grünes Licht vom pakistanischen Geheimdienst und Militär wird es keine Friedensverhandlungen mit den Taliban geben.“

Trotz allem Misstrauen sind die USA auf Pakistan angewiesen – denn ohne dessen Kooperation sind Frieden und Sicherheit in Afghanistan kaum zu erreichen. In Bonn will die Internationale Gemeinschaft Afghanistan nun ihre Unterstützung für die Zeit nach dem Abzug der Nato-Kampftruppen Ende 2014 zusagen. Pakistans Außenministerin Khar soll an der Konferenz teilnehmen. Die Zeitung „Dawn“ berichtete am Sonntag allerdings, Khar erwäge, ihre Reise an den Rhein abzusagen – aus Protest gegen den Nato-Angriff auf ihr Land.