Dienstag11. November 2025

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Mercedes gegen Frankreich

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In einem ersten Schritt war es Frankreich gegen Mercedes. Jetzt heißt die Sache Mercedes gegen Frankreich. Mercedes verklagt die Grande Nation vor dem höchsten Verwaltungsgericht. Verhandlung ist am 23. August.

Frankreich lässt seit Juni keine neuen Mercedes der A-Klasse, der B-Klasse und des Typs CLA mehr im Straßenverkehr zu. Warum? Seit dem 1. Januar dieses Jahres dürfen formal keine neu gebauten Autos mehr mit dem bis dahin gültigen Kühlmittel für Klimaanlagen gefüllt werden. Basis für diese Verordnung ist eine europäische Direktive, die von den Herstellern die Verwendung eines umweltschonenden Gases verlangt. Dupont und Honeywell sind die Hersteller des einzigen Gases, – Bezeichnung R1234yf – das die Anforderung der europäischen Direktive erfüllt. Mercedes weigert sich, dieses Gas in seine Klimaanlagen als Kältemittel einzuführen.

Vor der Kommerzialisierung des Gases hat es umfangreiche Tests gegeben. Zahlreiche europäische Hersteller, darunter Volvo, Opel und auch Peugeot haben das Gas akzeptiert. Anders dagegen die Marke Mercedes aus dem Daimler-Konzern. Mercedes hat eigene Tests durchgeführt und dabei nach eigenen Aussagen festgestellt, dass das neue Gas entflammbar ist. Für einen Hersteller, der einst die Knautschzonen vorne und hinten zur Sicherheit seiner Passagiere erfunden hat und für den Sicherheit ein Verkaufsargument ist, ist die Brennbarkeit des Produktes etwa bei einem Unfall nicht akzeptabel. Mercedes füllt daher in der A-Klasse, in der B-Klasse und beim CLA-Modell das alte Gas als Kühlmittel für die Klimaanlagen ein. Die Europäische Kommission hat Mercedes mehrfach gewarnt. Frankreich wiederum hat seit dem 12. Juni 2013 die Zulassungen dieser Mercedes-Modelle zunächst inoffiziell eingestellt. Wer in Frankreich eines der betroffenen Modelle kauft, bekommt es nicht zugelassen. Das soll etwa 5.000 Kunden betreffen.

Ungewöhnlicher Weg

Der deutsche Automobilkonzern, der im französischen Saargemünd, nahe der deutschen Grenze seinen Kleinstwagen Smart baut, hat sich entschieden, den juristischen Weg zu beschreiten. Ein erstes Verfahren vor einem Verwaltungsgericht hat das Unternehmen gewonnen. Daraufhin hat die französische Regierung eine Beharrungsklausel geltend gemacht. Sie erlaubt es ihr, zum Beispiel aus umweltpolitischen Gründen, ein Urteil nicht anzuwenden. Die Klausel führt dazu, dass Mercedes nun in den kommenden sechs Monaten keine A- und B-Klasse und auch keine CLA Fahrzeuge in Frankreich zulassen darf, solange diese Typen mit dem alten Klimagas bestückt werden. Der Daimler Konzern lässt sich davon nicht beeindrucken. Er klagt nun gegen die Republik Frankreich vor dem höchsten Verwaltungsgericht, dem Staatsrat, und hat dort eine einstweilige Verfügung gegen das Verbot der Zulassung seiner Autos beantragt. Mercedes geht damit einen Weg, der in Frankreich ungewöhnlich ist.

Der französisch-deutsche Mercedes Streit hat eine europäische Dimension. Französische Medien verweisen auf Aussagen aus dem Berliner Verkehrsministerium. Das Ministerium vertritt den Standpunkt, dass eine Typengenehmigung, die von einer nationalen Autobehörde erteilt wurde – in diesem Fall vom deutschen Kraftfahrtbundesamt – , für den gesamten Bereich der Europäischen Union gilt. Die von Frankreich abgelehnten Mercedes-Modelle verfügen über eine Typengenehmigung des Kraftfahrtbundesamtes. Mercedes hat, wie Volkswagen, eine Typengenhmigung als Weiterentwicklung und damit nicht als neues Modell erhalten. Die Marke des Daimler-Konzerns vertritt die Auffassung, dass diese Typengenehmigung von Frankreich anerkannt werden muss, so, wie die Typengenehmigung für den Golf VII als Weiterentwicklung des Golf VI auch anerkannt wird. Außerdem, so die Argumentation des deutschen Automobilherstellers, fahren in Frankreich Millionen Fahrzeuge mit dem alten Gas herum. Der Daimler Konzern hat sich mit dieser Auffassung in einem Verfahren vor einem Verwaltungsgericht durchgesetzt.

Protektionismus-Verdacht

Die Beharrungsentscheidung und die damit verbundene Aussetzung des Urteils ist eine politische. Frankreich setzt sich dem Verdacht aus, eine protektionistische Entscheidung getroffen zu haben. Gestützt sieht die französische Regierung sich durch den italienischen Kommissar für Industriefragen, Antonio Tajani. Der hatte rein formal Mitte Juli betont, dass Autos, deren Klimaanlagen nicht mit dem neuen Gas befüllt sind, nicht verkauft werden dürfen. Tajani hatte auch eine Klage der Kommission gegen Daimler angekündigt, sollte sich der Konzern nicht fügen und das neue Gas für Klimaanlagen in den betroffenen Modellen verwenden. Nicht auszuschließen, dass die Angelegenheit daher erst vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg endgültig entschieden wird.

Das deutsche Kraftfahrtbundesamt hat zwischenzeitlich eigene Untersuchungen begonnen und Crashtests mit Autos der Marken Mercedes, Opel , Hyundai und Subaru vorgenommen. Das Amt hat auch Leckagen simuliert. Die Ergebnisse sind bisher nicht bekannt.

Retourkutsche in Klimadiskussion

Frankreich ist das einzige Land in der Europäischen Union, das die Mercedes-Wagen mit dem alten Kühlmittel boykottiert. Die französische Regierung sieht sich neben dem Protektionismus-Verdacht noch dem Verdacht ausgesetzt, die Aktion gegen Daimler/Mercedes als eine Retourkutsche in der allgemeinen Klimadiskussion der Automobilwirtschaft zu nutzen. Deutschland hatte in Brüssel Grenzwertvorgaben für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid bis 2020 blockiert, die der französischen Automobilindustrie mit ihrer überwiegenden Kleinwagen-Palette entgegen kamen, nicht aber der deutschen mit ihren eher großvolumigen Fahrzeugen.

Die Mercedes-Händler in Frankreich schlagen zwischenzeitlich Alarm. Sie sehen bis zu 1.600 Arbeitsplätze bedroht, wenn Frankreich seine Blockade-Haltung nicht aufgibt. Sie haben bei 5.000 Kunden für Verständnis zu werben, fürchten die Annulierung von Verträgen und das Abwandern von Kunden. A-Klasse und B-Klasse machen bis zu 60 Prozent der Mercedes Verkäufe in Frankreich aus. Gibt der Staatsrat seiner Regierung Recht, gilt die Beharrungsklausel bis Ende des Jahres. Daimler würde dann kein Auto der A-Klasse, der B-Klasse und auch kein CLA Modell in Frankreich zulassen können.

Außerordentliche Sitzung der EU-Staaten

Nachdem Frankreich die Blockade der Mercedes Typen der EU-Kommission offiziell mitgeteilt hat, muss die Kommission bis zum September entscheiden. Die EU-Kommission will eine außerordentliche Sitzung ihrer Mitgliedsländer einberufen. Die Behörde des EU-Industriekommissars, die bisher argumentiert hatte, die Mercedes-Test-Ergebnisse seien unzureichend dokumentiert, hat nun angeregt, dass es neue Tests zu dem umstrittenen Kühlmittel geben soll.

Die Sachdiskussion auf europäischer Ebene wird vor allem um Auslegungsfragen der Direktive gehen. Dabei wird es sich darum handeln, ob es sich bei der A- und B-Klasse um neue Modellreihen und damit neue Typen handelt. Die Direktive nämlich gilt nur für neue Modellreihen.

(Helmut Wyrwich / Tageblatt.lu)