Neugeschäft für die Logistik

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Am Dienstag erhält die Luxemburger Logistikbranche Besuch aus Polen. Diesem wird ein Idee unterbreitet werden, um die Produktivität der polnischen Export-Unternehmen zu steigern: Der Transport soll auf die Schiene verlagert werden. Luxemburgs Logistiker würden dabei nicht leer ausgehen.

Seit Jahren plant Luxemburg, die Logistikbranche auszubauen. Tausende neuer Jobs sollen geschaffen werden. Vor allem rund um Bettemburg wird viel investiert. Unter anderem ist geplant, die Kapazitäten des Be- und Entladebahnhofs deutlich zu vergrößern. Die derzeitigen Kapazitäten sind ausgelastet.

Internet:
www.lpbc.lu
www.clusterforlogistics.lu

Insgesamt soll die Abfertigungs-Kapazität von derzeit 80.000 Containern pro Jahr auf 300.000 steigen. Zusätzlich soll die Abfertigungs-Kapazität der „Autobahn auf der Schiene“ (autoroute ferroviaire) von heute 45.000 auf 300.000 pro Jahr wachsen.

Spätestens Anfang 2016 soll das neue Terminal einsatzbereit sein. Und einen Teil dieser neuen, zusätzlichen Kapazitäten will man an polnische Kunden vermarkten.

Riesenmarkt

„Polen ist ein Riesenmarkt“, erklärt Alain Krecké, zuständig für das Logistik-Cluster in Luxemburg, gegenüber dem Tageblatt. Der Logistikfachmann kennt sich in der Region aus. Für seinen früheren Arbeitgeber, das französische Transportunternehmen Transalliance, war er unter anderem für Mittel- und Osteuropa zuständig.

„Pro Tag fahren 650 Laster von Polen nach Frankreich und 200 von Polen nach Spanien“, so Krecké. Auf der anderen Seite rollen täglich je 300 Laster aus Spanien und 300 aus Frankreich in Richtung Polen. Die Laster, die weiter bis nach Russland fahren, sind nicht mitgerechnet.

„Das sind also über 800 Laster pro Tag“, rechnet Krecké vor. „Um einen Zug zu füllen, benötigen wir aber nur 40 Laster.“ Insgesamt „hoffen wir auf fünf Prozent des gesamten Marktes“, so Krecké.

Mehr als 800 Lastwagen pro Tag

„Das ist keine utopische Größenordnung – vor allem da Luxemburg eh an der normalen Strecke liegt“, so der Luxemburger Logistikexperte, der am Dienstag eine Gesprächsrunde mit den Gästen aus Polen moderieren wird. Luxemburg liege strategisch ideal, da es die Kreuzung der Korridore Nord-Süd (Großbritannien – Italien) und Ost-West (Polen – Spanien) ist, ruft Krecké in Erinnerung.

Den Polen wolle man somit den Vorschlag unterbreiten, eine multimodale Strecke zwischen beiden Ländern aufbauen, so Krecké. In Bettemburg hat man in den letzten Jahren mit diesem Geschäftsmodell bereits Erfahrungen gesammelt. Es bestehen Strecken zwischen Bettemburg und Perpignan, sowie bis nach Triest oder Lübeck.

Finanzielle Vorteile

Um die Polen zu überzeugen, haben die Luxemburger – neben Argumenten wie dem Entlasten der Straße oder weniger Luftverschmutzung – auch handfeste finanzielle Vorteile anzubieten: Rechne man alle Faktoren, wie etwa die offiziell vorgeschriebenen Ruhepausen der Fahrer, mit ein, dann „benötigt ein Laster für eine Fahrt über 2.500 Kilometer von Warschau bis nach Barcelona vier Tage“, so Krecké.

Eine Fahrt mit Lorryrail von Luxemburg nach Barcelona dauere hingegen nur 15 Stunden. „Theoretisch gewinnt man also zwei Tage“, unterstreicht Alain Krecké.

Darüber hinaus seien beide Länder, Polen und Spanien, stark in der Produktion von Lebensmitteln, so der Logistikexperte. „Die Produkte bleiben also zwei Tage länger frisch. Das eröffnet den Produzenten ganz neue Märkte und neue Möglichkeiten.“ Und: die zweitwichtigste Ware sind Chemieprodukte. „Auch die sind besser auf der Schiene als auf der Straße.“

Doch damit nicht genug. Es gibt noch zusätzliche Details, die den Weg über die Schiene für polnische Transportunternehmen attraktiver machen. So dürfen Lastwagen in den Benelux-Staaten und in Spanien ein Maximalgewicht von 44 Tonnen transportieren. In Deutschland und Frankreich hingegen ist es ein Maximalgewicht von nur 40 Tonnen. Das heißt: „Durchquert man Deutschland und Frankreich auf der Schiene, dann kann man theoretisch zehn Prozent aller Laster einsparen“, so Krecké. Auch das spreche für die Strecke Bettemburg-Perpignan, „da auf der Straße Perpignan-Barcelona 44 Tonnen erlaubt sind“.

„Theoretisch gewinnt man zwei Tage“

Und das gleiche Argument zähle beim Wochenend-Fahrverbot, so der Logistik-Fachmann. In den Benelux-Staaten gelte das Fahrverbot nicht, jedoch aber in Frankreich und Deutschland. „Das bedeutet, dass eine transportierte Ware montagmorgens bereits in Barcelona ankommen kann, während der Laster auf der Straße erst in der Gegend von Berlin unterwegs wäre.“

Konkrete Verträge werden am Dienstag dennoch noch nicht unterschrieben werden. „Unser Ziel ist es, die Menschen zusammenzubringen“, so Krecké. Danach müssten sich beide Eisenbahngesellschaften zusammensetzen und über die Details sprechen: Etwa, ob man einen Hub in Warschau oder etwa in Posen (Poznan) aufbauen soll.

Solche Veranstaltungen seien notwendig, da die „Polen überhaupt nicht wissen, was wir hier in Luxemburg anzubieten haben. Wir müssen Werbung für den Logistikstandort Luxemburg machen. Sonst kommt niemand.“ Zudem habe Polen keine eigenständige Strategie, um den Export nationaler Produkte zu fördern. Bei ihrer Industrie handle es sich einerseits um Produzenten für den lokalen Markt – oder um die Töchter großer multinationaler Unternehmen.

Organisiert wird die Veranstaltung am Dienstag vom luxemburgisch-polnischen Businessclub, mit der Unterstützung des Beratungsunternehmens Deloitte. Der polnische Botschafter in Luxemburg, Bartosz Jalowiecki, hat beim Herstellen der notwendigen Kontakte geholfen.

Auf dem Plan der Delegation steht neben einem Besuch von Cargocenter (Findel) und Logistikzentrum (Bettemburg) noch ein Treffen in der Handelskammer und eine Abendkonferenz bei Deloitte.

Vorteil

Für die Luxemburger Logistikbranche hätte das Zustandekommen eines Geschäftsabschlusses den Vorteil, dass es einen Kunden für die zusätzlichen Kapazitäten, die derzeit in Bettemburg gebaut werden, gäbe. „Von hier aus könnten die Waren dann umverpackt und auf andere Züge geladen werden. Andere Waren könnten auf Laster geladen und im 350-Kilometer-Umkreis in der Region verteilt werden“, so Krecké. Je mehr Frachtvolumen in Bettemburg abgewickelt wird, desto mehr Arbeitsplätze – und auch Steuereinnahmen – werden dort entstehen.

Doch auch im Bereich Luftfracht haben die Logistiker Neugeschäft mit polnischen Kunden im Visier. „99 Prozent der Luftfracht, die hier ankommt – oder von hier weggeht – liefern wir in andere europäische Länder“, so Krecké. „Und bisher haben wir null Volumen aus Polen.“

„Damit es gut klappt, müssen jedoch mehrere Züge pro Tag fahren“, so der Logistiker. „Je höher die Frequenz, desto höher werde das Volumen und der Erfolg.“ Jetzt müsse nur noch die Luxemburger Verwaltung mitspielen, unterstreicht Krecké. „Im Gegensatz zu dem, was einige staatliche Verwaltungen am Findel treiben.“ Dort versuche das Wirtschaftsministerium das Logistik-Geschäft weiter zu entwickeln, es „wird aber von anderen Staatsverwaltungen gebremst“.

Auch Artur Sosna, Präsident des „Luxembourg-Poland Business Club“, sieht bei diesem Geschäftsvorschlag nur Gewinner. „Die Konferenz ist eine Win-Win-Veranstaltung“, unterstreicht er gegenüber dem Tageblatt. Es gebe nur Gewinner, da „für Luxembourg die Logistik ein entscheidender Wirtschaftszweig der Zukunft ist, während für Polen die Route über Luxembourg einen Wettbewerbsvorteil darstellt. So lassen sich Waren Richtung Süd- und Westeuropa günstiger transportieren und auch der Import nach Polen wird sich verbilligen“.