Montag17. November 2025

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China läutet Kampf ein

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China erklärt der Umweltverschmutzung den Krieg. Denn die Bilanz ist katastrophal: Smog macht die Luft in einigen Großstädten lebensgefährlich, viele Gewässer sind vergiftet. Die Partei muss handeln. Denn die Verschmutzung gefährdet ihre Macht.

Ein Gewirr aus Stimmen schallt durch die gewaltigen Gänge in Chinas Großer Halle des Volkes. In kleinen Gruppen stehen die fast 3000 Abgeordneten zwischen den Sitzungen des Volkskongresses zusammen und debattieren über die drängendsten Probleme für die 1,3 Milliarden Menschen im Land. Ein Thema dominiert viele Gespräche: Die gewaltige Verschmutzung der Luft, des Wassers und des Bodens. „Wir erklären der Umweltverschmutzung den Krieg“, hat Chinas Regierungschef Li Keqiang in seiner Eröffnungsrede zum Volkskongress ausgerufen. Neue Programme sollen die schlimmsten Folgen abschwächen, denn der Frust in der Bevölkerung wächst.

Die Umweltverschmutzung hat dramatische Ausmaße angenommen. Die extreme Schadstoffbelastung mache die chinesische Hauptstadt „fast unbewohnbar für menschliche Wesen“, stellte die renommierte Akademie der Sozialwissenschaften in Shanghai im Februar in einer Studie fest. Laut den jüngsten Zahlen des Umweltministeriums ist rund die Hälfte von Chinas Seen verschmutzt, und große Landflächen sind zu verseucht für Landwirtschaft.

Rote Ampel

„Es ist die rote Ampel der Natur, die vor einer ineffizienten und blinden Entwicklung warnt“, räumte Li Keqiang mit ernster Mine am Mittwoch vor den Abgeordneten ein. Die Kapazität von veralteten Stahlfabriken soll um 27 Millionen Tonnen sowie die Zementproduktion um 42 Millionen Tonnen gesenkt werden, kündigte der Premier für dieses Jahr an. Darüber hinaus sollen 50 000 kleine Kohleöfen geschlossen werden. „Es ist ein langwieriger Krieg“, sagte anschließend Umweltminister Zhou Shengxian. „Wir müssen Geduld haben.“

Viele Abgeordnete fordern radikale Schritte. „Firmen müssen viel Geld bezahlen, wenn sie alle Umweltvorgaben umsetzen wollen. Aber die Strafen sind sehr gering“, klagt Han Baosheng, Vizepräsident der Kunstakademie von Xi’an. Viele Fabrikbesitzer ignorieren daher einfach die Vorgaben aus Peking. „Wir brauchen eine strengere Überwachung“, sagt Han. Die Bevölkerung fordere dramatische Schritte, meint Chen Ailing, Chef eines Automobilzulieferers: „Die Bürger wollen, dass schädliche Fabriken geschlossen werden. Das ist ein Trend.“

Professor Wu Qiang von der renommierten Tsinghua Universität warnt: „Die Umweltverschmutzung könnte zu einer gewaltigen Gefahr für die Partei werden.“ Die verpestete Umwelt habe das Potenzial, zu einer Art chinesischem Tschernobyl zu werden, das das gesamte politische System infrage stellen könnte. „Wir sehen jetzt schon, dass ein Großteil der Mittelschicht über Auswanderung nachdenkt“, sagt Wu Qiang der Nachrichtenagentur dpa in Peking.

Umsetzung ist schwierig

Fieberhaft arbeiten Politiker und Wissenschaftler in China seit Jahren an Lösungen. Aber die Umsetzung von ambitionierten Plänen ist schwierig. Denn Chinas schnelles Wirtschaftswachstum treibt den gewaltigen Energiehunger an. Obwohl Peking so viel wie kaum ein anderes Land der Welt in regenerative Energieversorgung investiert, steigt der Verbrauch von fossilen Brennstoffen weiter an. Bis zum Jahr 2035 wird Kohle die wichtigste Energiequelle bleiben und das Land 47 Prozent mehr des klimaschädlichen CO2 in die Luft blasen, prognostiziert der Energiekonzern BP.

Für wichtige Fragen sei der Volkskongress ohnehin nutzlos, klagt Wu Lihong. Er ist einer der bekanntesten Umweltschützer Chinas und hat drei Jahre im Gefängnis gesessen. „Die Abgeordneten trauen sich nichts zu sagen, was nicht offiziell abgesegnet ist“, kritisiert er. Trotz aller Regierungsrhetorik dulde Peking keine Bürgerbewegung für Umweltschutz. „Viele Umweltaktivisten werden verfolgt und verhaftet.“