Eine Stadt voll alter Freunde

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Was haben Westernheld Lucky Luke, Tim und Struppi (Tintin) und die blauen Bewohner von Schlumpfhausen gemeinsam? Sie sind eigentlich alle Belgier - und bringen Farbe in den sonst so grauen Brüsseler Alltag.

Alte Bekannte trifft man in Brüssel an jeder Ecke – auch wenn man zum ersten Mal in der Stadt ist. Lucky Luke und Tim und Struppi (Tintin) tummeln sich an Hauswänden, ein blauer Schlumpf und Gaston grüßen als überlebensgroße Figuren und Großwesir Isnogud bringt als Café-Lektüre Unterhaltung zum Cappuccino.

Die berühmten Helden haben eines gemeinsam: Sie stammen alle aus belgischen Federn. „Wir haben 800 aktive Berufscomiczeichner in Belgien“, sagt Willem De Graeve. „Man kann sagen, dass wir das Land mit der größten Dichte an Comiczeichnern sind.“ Der freundliche Mann mit dem Karohemd ist so etwas wie der Hüter der bunten Wesen. De Graeve ist der Direktor des Belgischen Comic-Zentrums in Brüssel.

In Comics schmökern

Von der Decke des Museums hängt die rote Mütze von Spirou herab, am Eingang heißen Asterix und Idefix Besucher willkommen und im Lesesaal turnt das Marsupilami herum. Hier kann man auf großen Sitzkissen in mehr als 15.000 Comics in über 30 Sprachen schmökern. Im Herbst feiert das Museum seinen 25. Geburtstag. Eine kleine Zeichnung erinnert an die Eröffnung 1989 mit dem damaligen belgischen König Baudouin, der auf der Skizze von den Comicfiguren bei der Einweihung freudig begrüßt wird.

Allein im vergangenen Jahr kamen nach Museumsangaben 200.000 Besucher in das einstige Kaufhaus im Jugendstil von Architekt Victor Horta. Auch Prominente wie die belgische Königsfamilie und Popstar Mika („Grace Kelly“) schauten schon vorbei.

Auf der Straße

Doch nicht nur im Museum, auch auf der Straße können Comicfans die Helden ihrer Kindheit treffen – auf dutzenden bemalten Wänden überall in der Stadt. So klettern Tim und Struppi auf Leitern herum. Ein paar Straßen weiter zieht Lucky Luke seinen Revolver.

Die Stadt bietet mittlerweile spezielle Rundgänge zu den verzierten Wänden, zu Comic-Galerien und Skulpturen an. Der Stadtplan mit der Route des Rundgangs war nach Angaben des Brüsseler Tourismusbüros 2013 die bestverkaufte Karte. Und das jährliche Comic-Festival in der belgischen Hauptstadt lockte im vergangenen Jahr 115.000 Besucher an.

„Es ist einfach universell, jeder kennt Tim, Asterix und die anderen“, sagt Rudi Houlmont, der Manager des Comics Café mitten in Brüssel. Neben ihm strömt gerade eine asiatische Reisegruppe in das Restaurant, um unter den Augen von Kapitän Haddock und Großwesir Isnogud Burger zu essen.

„Klein, aber kompliziert“

Doch warum wurde gerade Belgien mit seiner oft so tristen Hauptstadt zum Comic-Mekka? „Belgien ist ein kleines Land, aber sehr kompliziert“, sagt De Graeve. Es sei im Lauf der Geschichte oft von fremden Truppen besetzt gewesen, mit einem Mix der Kulturen und Sprachen. „Die Leute haben schnell verstanden, dass kommunizieren mit Bildern einfacher ist.“ Zudem habe das Land starke gleichsprachige Nachbarn. Die Konkurrenz für belgische Verlage ist also groß. In den Comics fanden sie eine Nische.

Und Zeichner wie Hergé, der Schöpfer von Tim und Struppi, erreichten Kultstatus. „Dieser Erfolg hat viele junge Belgier motiviert“, sagt De Graeve. „Hergé war ein Vorbild.“ Auch René Goscinny, der französische Autor von Asterix, Der kleine Nick und Isnogud, ging nach Brüssel und veröffentlichte dort einige seiner Werke.

Auch wenn die Konkurrenz, wie der japanische Manga, stark ist, sind die frankobelgischen Comics Klassiker und begeistern bis heute Menschen in ganz Europa. 80 Prozent der Besucher im Museum kommen laut De Graeve nicht aus Belgien. So betrachtet eine Familie aus London gerade in Schaukästen, wie ein Comic entsteht. Das Museum gefällt ihnen, sagen sie. Der gezeichnete Favorit des neunjährigen Tomas ist allerdings kein Belgier: „Ich mag die Simpsons.“