Die Darstellung der vielen Tätigkeitsfelder in den vier großen Bereichen „Gesundheit“, „Jugend“, „Soziales“ und „internationales Engagement“ liest sich wie ein Seismograf zur Lage der Gesellschaft.
41 Lokalsektionen in Luxemburg, 3.000 Ehrenamtliche allein während des „Mois du don“ und 12.660 Blutspender, das sind die harten Fakten der karitativen Organisation. Das ist aber nicht alles. Die Bilanz der Aktivitäten des letzten Jahres zeigt auch die Veränderungen in der Gesellschaft.
933 neue Spender
Ausgerechnet bei der Aktivität, die nur die Croix-Rouge anbietet, mangelt es an Nachwuchs. 933 neue Spender wurden letztes Jahr registriert, über 1.000 müssten es sein, um den Vorrat konstant zu halten. Das zumindest sagt Generaldirektor Michel Simonis, der gleichzeitig betont, dass es für die nationale Versorgung reiche. Hinzu kommt, der Anteil der Frauen bei den Blutspendern wächst, und die Spender selbst werden jünger. Andererseits haben die Verantwortlichen zunehmend mit einer immer mobileren Gesellschaft zu kämpfen. Sie bewegt sich in Teilen der Welt, wo es Krankheiten gibt, die eine Blutspende zeitweise ausschließen. Malaria sei hier stellvertretend erwähnt.
Ein zweiter Trend zeichnet sich im Bereich „Soziales“ ab. Die Croix-Rouge engagiert sich zusammen mit Partnern beim Betrieb der „Epiceries sociales“. „Es kommen deutlich weniger Menschen“, sagt Marc Crochet, der stellvertretende Generaldirektor, „aber die, die kommen, kommen öfter“. Es sind vor allem Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Was als Instrument zum Ausgleich einer vorübergehenden wirtschaftlichen Notlage gedacht war, erweist sich mehr und mehr als Mittel, um chronische Probleme zu lösen. „Das ist nicht unsere Wahl, sondern die Realität“, sagt Crochet. Die Wirklichkeit zeige, das es viele nicht mehr schafften, sich aus eigener Kraft aus der Schieflage zu befreien.
368 neue Flüchtlinge
Ein weiterer Tätigkeitsbereich der Organisation ist die Betreuung von Flüchtlingen in Luxemburg – zusammen mit dem „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI). „Ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen reichen heute nicht mehr“, so die Worte der Verantwortlichen an vorderster Front. Viele der Flüchtlinge kommen mit psychischen Störungen und Traumata an. Das ist umso brisanter, als Luxemburg gemäß dem neuen Verteilungsschlüssel der EU-Kommission 368 neue Flüchtlinge aufnehmen soll. Bislang kümmert sich eine Psychologin der Croix-Rouge hauptamtlich um diese Fälle. „Wir haben uns bisher wohl zu stark auf ’sauber, sicher, satt‘ konzentriert und nicht gesehen, dass es andere gravierende Probleme gibt“, sagt Crochet.
Ein weiteres Minenfeld ist die Pflegeversicherung. 76.000 Euro Defizit verzeichnet die Croix-Rouge in diesem Bereich. „Die Leistungen der Krankenkasse werden weniger“, sagt Crochet in Anspielung auf das Gesetzesprojekt zur Pflegeversicherung. Zwar bekomme immer noch jeder das, was er brauche, aber eben weniger Zuschüsse, so der stellvertretende Chef. Ein Katastrophenszenario will er jedoch nicht heraufbeschwören. Deutlich herauszuhören ist aber bei ihm, wie auch bei seinem Chef Simonis, dass die Croix-Rouge sich mehr Dialog im Vorfeld eines neuen Gesetzentwurfs wünscht. Die Plattformen dafür seien vorhanden, würden aber ungenügend genutzt, so Croix-Rouge-Chef Simonis. Auch hier gibt es den Bezug zur Aktualität. Der Pflegedienst „Hëllef Doheem“ (Artikel) hat gerade einen Sozialplan beantragt, steht mit 3,2 Millionen Euro Miesen da und die Gesellschaft in Europa wird immer älter.
Verantwortung
Bei der Croix-Rouge ist man sich dieser Situation durchaus bewusst, wie auch der Verantwortung. „Wir erwarten nicht, dass wir in solchen Bereichen einen Gewinn erzielen, sondern, dass wir über die Runden kommen“, lautet die Devise der Wohltätigkeitsorganisation, die im nächsten Jahr in diesem Bereich mit einem noch höheren Defizit rechnet. Das hat seinen Grund. „Wir finanzieren Leistungen, die heute schon nicht mehr so erstattet werden, wie sie das sein müssten, um kostendeckend zu sein“, sagt Crochet und nennt als Beispiel ambulante Kinesitherapie oder palliative Maßnahmen. Vier bis fünf Millionen Euro stehen nach eigenen Angaben dafür jährlich im Budget der Organisation, die nach eigenem Bekunden in Sachen Pflege „ganzheitlich“ in ihrem Angebot bleiben will.
Bleibt noch ein letzter Punkt: die Jugend. 92 Jugendliche konnten 2014 vom Angebot profitieren, in einem Apartment der Organisation unterzukommen. Davon gehen 44 Prozent in die Schule, 28 Prozent suchen Arbeit und noch einmal genauso hoch ist der Teil, der eine Arbeit hat, davon aber die landesüblichen Mieten nicht bezahlen kann. Die Nachfrage nach einer dieser Wohnungen ist laut Croix-Rouge „riesig“, die im letzten Jahr zusätzlich renovierten 35 Apartments seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch das gibt zu denken.
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