In der vorläufig letzten Etappe seiner Erinnerungsarbeit hat Differdingen 23 Stolpersteine zur Erinnerung an seine jüdischen Bürger verlegt, die während des Zweiten Weltkrieges in die Vernichtungslager des Nazi-Regimes deportiert und dort umgebracht wurden. Damit schließt sie eine mehrjährige geschichtliche Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit ab.
Die Steine kann ich mittlerweile blindlings verlegen. Routine sind diese Gesten dennoch nicht geworden, weil es mich immer wieder aufs Neue berührt und aufregt, wenn ich Platten befestige, die erzählen, wie eine ganze Familie, mit ihren kleinen Kindern, vernichtet wurde.“ 55.000 Gedenksteine hat der deutsche Künstler Gunter Demnig seit Beginn seiner Erinnerungsaktion 1994 in 20 europäischen Ländern verlegt. Bis August 2016 ist er jetzt schon ausgebucht.
Vom Kunstprojekt zur harten Wirklichkeit
Was vor mehr als 20 Jahren als eher abstraktes Konzeptkunst-Programm begann, ist im Lauf der Zeit ein riesiges, emotionales und gleichzeitig sehr fassbares Unterfangen geworden, das sich von Nord- bis Südeuropa erstreckt. Erstmals hat Demnig letztes Jahr Gedenksteine in Spanien und Griechenland verlegt.
Trotz der langen Serie ist es ihm immer noch wichtig, alle Gedenkplatten selbst einzumauern. Er ist zwar der Künstler und geistige Vater der Idee, er ist aber auch ihr Handwerker, der „die Schicksale immer wieder umsetzt“. Das coole Aussehen, die lässige Arbeitskluft sollen nicht täuschen. Die Stimme zittert. Auch nach 55.000 Wiederholungen der gleichen Geste.
Eine viel zu lange Liste
Das Ehepaar Bornstein mit den Kindern Dina und Rachmil, der Schwester Esther und der gelähmten Mutter Bella Furleiser. Die Levy und die Lazard, Georges und Thérèse Cahen, die Familien Kaufmann, Finkelstein und Fenechel, Alfons und Karl Goldschmit. Gustav Wolf. Der fünfjährige Egon und der zweijährige Robert Lehmann. Sie alle haben jetzt in Differdingen eine rechteckige Metallplatte, die vor ihrem Wohnhaus an ihr Schicksal erinnert, das in Auschwitz, Chelmno, Belzec, Sobibor, Litzmannstadt oder in Fünfbrunnen endete. Auch für den einzigen Auschwitz-Überlebenden, Emile Goldmann, gibt es in der Oberkorner rue Dalscheidt einen Stein.
„Sie sind so klein, dass man sich – im Respekt vor dem Toten – bücken muss, um den Namen zu entziffern. Sie unterbrechen den Straßenbelag, sollen aber kein Hindernis für den Vorbeigehenden sein“, beschreibt Demnig seine Idee. Für Differdingen endete mit der gestrigen Zeremonie, die viele Interessierte quer durch die Gemeinde zog, eine umfangreiche Erinnerungsarbeit.
Oppenheimerpreis für Differdingen
Begonnen hatte sie mit dem Projekt des damaligen Gemeinderatsmitgliedes Michel Braquet, der an die 90-köpfige jüdische Gemeinschaft erinnern wollte. Weitergeführt wurde sie vom Historiker Cédric Faltz, der das Stadtarchiv akribisch aufarbeitete, um die Anwesenheit und das Schicksal der Deportierten zu dokumentieren. Bereits vor einem Jahr hatte die Stadt dazu eine Ausstellung ausgerichtet, die zusammen mit einer Reihe Konferenzen und der Verlegung der ersten 15 Stolpersteine die Erinnerungsarbeit anstieß.
Die ersten Steine waren privat finanziert worden, die gestrige zweite Serie haben die verschiedenen Vereine bezahlt.
Der Differdinger Bürgermeister Roberto Traversini war im letzten Herbst der Erste gewesen, der sich offiziell für das Verhalten der örtlichen Behörden entschuldigt hatte. Dafür hat ihm die Stiftung Oppenheimer, die in Erinnerung an den jungen René Oppenheimer, der in Auschwitz ums Leben kam, die Erinnerungsarbeit fördert, vor knapp vier Wochen ihren Preis verliehen.
Video:
Differdingen hat 23 #Stolpersteine zur Erinnerung an die jüdischen Bürger der Stadt verlegt, die während des Zweiten Weltkrieges deportiert und umgebracht wurden ?? http://tgb.lu/stolpersteine
Posted by Tageblatt on Donnerstag, 5. November 2015
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