In seinem noch jungen Leben hat es das Schicksal nicht eben gut gemeint mit Akim Moustafa. «Meine Mutter ist früh gestorben und mein Vater – ein gelähmter Schneider – ist Alkoholiker und vertrinkt sämtliche Einnahmen», berichtet er. Nach eigenen Angaben ist Akim 14 Jahre, doch augenscheinlich ist er deutlich jünger. Seit vier Jahren lebt er nun schon auf den Straßen von Bujumbura, der Hauptstadt Burundis. «Es ist ein ziemlich schwieriges Leben», sagt er mit leiser Stimme.
Kinder wie Akim scheinen im Zentrum der Hauptstadt des ostafrikanischen Landes beinahe zum Straßenbild zu gehören. Sie betteln in Parkbuchten, verkaufen Plastiktüten, laufen ziellos durch die Straßen und schlafen nachts auf zusammengefalteten Kartons. Nicht wenige von ihnen sehen aus, als seien sie noch keine zehn Jahre alt. Zumeist tragen sie nur ein paar zerlumpte Kleidungsstücke am Leib, manche haben noch nicht einmal Schuhe an den Füßen. Auch Kleinkinder von schätzungsweise gerade mal drei Jahren sind darunter, zumeist in Begleitung älterer Jungen und Mädchen.
Eine Untersuchung der Regierung kam 2010 zu dem Ergebnis, dass es allein in drei Städten des Landes – Bujumbura, Gitega im Zentrum und Ngozi im Norden – mehr als 3000 Straßenkinder gibt. Schätzungsweise zwei Drittel davon in der Hauptstadt.
«Die Leute nennen mich einen Banditen, ich wurde unzählige Male festgenommen und geschlagen von der Polizei, die mir mein erbetteltes Geld abgenommen hat», sagt der schüchterne und ernste Junge, dessen Worte ein Dolmetscher übersetzt.
Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass die jüngsten Unruhen im Land die Zahl der Straßenkinder weiter erhöht haben. Fast eine Viertelmillion Menschen sind seit dem vergangenen Frühjahr aus Angst vor einer weiteren Eskalation in Nachbarländer geflohen. Aber auch in Burundi selbst leben noch zahlreiche Vertriebene. Bei der Flucht sind immer wieder auch Kinder von ihren Eltern getrennt worden.
Allerdings rührt die hohe Zahl der Straßenkinder auch aus der jüngeren Geschichte des Landes. Neben dem Bürgerkrieg von 1993 bis 2005 machte auch die Ausbreitung von Aids Hunderttausende in Burundi zu Waisen. Nicht zu vergessen die Armut, die dazu führt, dass viele Eltern ihre Kinder einfach verlassen.
Seit April steckt das Land in einer neuen Krise. Auslöser war das Bestreben des Präsidenten, sich trotz einer gesetzlichen Begrenzung auf zwei Amtszeiten ein weiteres Mandat zu sichern.
Seither kommt es immer wieder zu Gewalttaten. Mehrere Hundert Menschen wurden aufseiten der Regierung und der Opposition getötet. Ende Dezember trafen sich die verfeindeten Parteien erstmals in Uganda zu Gesprächen. Erst vor einem Jahrzehnt war in dem Staat mit elf Millionen Einwohnern ein Bürgerkrieg zwischen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit mit 300 000 Toten zu Ende gegangen.
Der wirtschaftliche Abschwung im Zuge der jüngsten Krise hat auch die Lage der Straßenkinder nicht eben einfacher gemacht. So sind ihre Aussichten auf ein Essen oder ein bisschen erbetteltes Geld seitdem gesunken. Zugleich berichten Hilfsorganisationen vor Ort, dass sich ihre Mitarbeiter nachts nicht mehr nach draußen wagten, um die Kinder zu versorgen.
Mindestens 18 Kinder sind nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) während der Unruhen getötet worden. Mehr als 100 wurden willkürlich verhaftet, wobei die UN allerdings nicht angeben, ob die Zählung auch Straßenkinder erfasst.
Diese suchen nicht selten Schutz, indem sie sich zu Gangs zusammentun. Damit verbunden seien allerdings zuweilen Aufnahmerituale, wie die Einnahme von Drogen, Diebstahl oder auch Vergewaltigung, sagt Wenceslas Nyabenda von der Hilfsorganisation Giriyuja. Viele Jungen und Mädchen betäubten sich mit dem Schnüffeln von Klebstoff oder konsumierten andere süchtigmachende Substanzen – mit den absehbaren Folgen.
«Sie wachsen oft zu Drogendealern heran, während sie selbst weiterhin den Stoff konsumieren – und sterben jung. Manche schließen sich auch bewaffneten Gruppen an», sagt Nyabenda, der einst selbst auf der Straße lebte.
Trotz des Leids und der Armut zeigen viele auf der Straße lebende Kinder noch Loyalität mit jenen Erwachsenen, die sie mehr oder weniger verlassen haben, und teilen mitunter ihre spärlichen Einkünfte noch mit ihnen. «Selbst wenn mein Vater behindert ist, er bleibt mein Vater. Es ist meine Pflicht, ihm zu helfen», sagt Akim Moustafa.
De Maart

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