Mandy Seybert ist stolz und aufgeregt, ihre prämierte Ernte auf der „State Fair“ im US-Bundesstaat Oregon auszustellen. In so manchem anderen Land müsste sie dafür vermutlich ins Gefängnis – denn sie zeigt weder besonders prächtige Brieftauben noch selbst gebackenes Brot oder eine aufwendig hergestellte Patchworkdecke. Seybert stellt ihre Marihuana-Pflanzen auf der Messe aus. «Für uns ist es eine Riesensache, dass wir hier mit einer Marihuana-Pflanze anstatt mit einer Kuh herkommen konnten», sagt die Cannabis-Bäuerin.
Messebesucher strömen an einem Wachmann vorbei in das provisorisch aufgebaute Glashaus und machen Selfies vor den sattgrünen Pflanzen. An einige sind traditionelle Preisschleifen angesteckt – ein weiteres Zeichen dafür, dass Marihuana in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Zumindest in Oregon.
„Sogar die Polizei von Oregon hat uns besucht und Hallo gesagt“, sagt Donald Morse vom Verband der Cannabis-Unternehmer in Oregon stolz. Der nordwestliche US-Bundesstaat hatte im Oktober den Konsum von Cannabis-Produkten freigegeben. Bereits vier Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington sind diesen Schritt gegangen.
Umsätze für 2016 auf 6,7 Milliarden Dollar geschätzt
Im November wollen fünf weitere US-Staaten über eine völlige Freigabe abstimmen. In zwanzig Bundesstaaten gibt es nach Angaben der pro-Hasch Organisation „Marijuana Policy Project“ bereits Regelungen zu medizinischen Anwendungen für Marihuana, einige andere planen diesen Schritt ebenfalls. Die Reformen seien keine Eintagsfliege, schrieb John Hudak von der Brookings Institution, einer Denkfabrik in Washington. „Es ist die Zukunft der öffentlichen US-Politik.“
Ein Grund dafür ist, dass legales Marihuana viel Geld bringt. Ein Marktforschungsinstitut schätzt die Umsätze für 2016 auf 6,7 Milliarden Dollar. Jahrzehntelang war die Legalisierung ein politisches Tabu in den USA. Gesellschaftliche Veränderungen brachten jedoch einen Wandel mit sich, der noch vor einer Generation undenkbar gewesen wäre. Eine Mehrheit der US-Bürger ist für eine Legalisierung, 2005 war es nur ein Drittel.
Promi-Kiffer wie Rapper Snoop Dogg oder die Sängerinnen Rihanna und Miley Cyrus sind in bester Gesellschaft: Olympia-Rekordmedaillengewinner Michael Phelps und die US-Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama – sie alle haben zugegeben, schon mal einen Joint geraucht zu haben.
„Der Geist ist aus der Flasche raus“
Die Reformen sind bislang alle auf Ebene der Bundesstaaten. Diese haben laut US-Verfassung weitreichende Gesetzgebungsrechte. Die Bundesgesetze stufen Marihuana dagegen als gefährliche Droge ein, der Besitz einer einzigen Pflanze kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Unter Präsident Obama haben die Bundesbehörden ihre Vorschriften aber in jenen Staaten, in denen Marihuana erlaubt ist, nicht durchgesetzt. Die Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump haben sich ebenfalls für das Recht der Staaten ausgesprochen, ihre eigenen Gesetze für medizinisches Marihuana zu erlassen. Bei der Frage nach der Freigabe auf Bundesebene wollten sie sich aber nicht festlegen.
Auf dem Messegelände in Oregon sind sich Hasch-Befürworter und Gegner einig: Marihuana wird auch in Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. „Der Geist ist aus der Flasche raus“, sagt Morse, dessen Verband der Cannabis-Unternehmer seit 2012 auf 80 Mitglieder angewachsen ist.
Am Stand der Republikanischen Partei, nur wenige Meter entfernt vom Hasch-Glashaus, stimmt dem Terri Mofat zu. Sie habe nichts gegen die Marihuana-Aussteller, sagt das langjährige Parteimitglied und ordnet die Trump-Ansteckplaketten neu. „Es ist ein freies Land, und das ist jetzt das Gesetz. Wenn sie hier sein wollen, dann sollen sie das machen.“ Die Zeiten änderten sich, sagt sie. Neben dem Wahlkampfbüro in der Stadt Eugene, wo sie arbeite, sei kürzlich ein Cannabis-Laden eingezogen. „Ich hatte komische Kopfschmerzen, nur vom vorbeigehen“, erzählt sie. Nun wechsle sie eben die Straßenseite. „Wir passen uns an.“
De Maart
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