Ginge es nach Marine Le Pen, würden die Franzosen bald wieder mit Franc statt mit Euro bezahlen. Die Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen Anti-EU-Partei Front National will, dass Frankreich ein Referendum über einen Austritt aus der Europäischen Union abhält und künftig wieder die Kontrolle über sein eigenes Geld innehat.
Aber wie würde Frankreich einen „Frexit“ bewerkstelligen? Kein Land hat dem Euro seit dessen Einführung 1999 den Rücken gekehrt. Eine Reihe von Volkswirtschaftlern glaubt, dass das Ausscheiden von auch nur einem der 19 Staaten der Eurozone ein Chaos auslösen würde – mit abstürzenden Märkten und Menschen, die versuchen, Koffer mit Bargeld aus dem Land zu bringen.
Le Pen ist derzeit laut Umfragen die Favoritin in der ersten Wahlrunde am 23. April, aber die meisten Erhebungen und Prognosen sehen sie als Verliererin der darauffolgenden Stichwahl am 7. Mai. Doch nach dem „Brexit“ und dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl wagen es viele Menschen nicht, Le Pen abzuschreiben.
Weicher „Frexit“
Der Ökonom Jean Messiha, der Le Pens 144-Punkte-Wahlprogramm entworfen hat, spielt die Möglichkeit apokalyptischer Szenarien herunter. Er argumentiert, dass den Euro-Ländern an Verhandlungen über einen geordneten Ausstieg Frankreichs, einem „weichen Frexit“, gelegen wäre, weil alles andere ihnen selber schaden würde.
Der Front National erwarte eine sechsmonatige Verhandlungsperiode „über das neue monetäre Rahmenwerk, die neue Art von Kooperation, wenn wir entschieden haben, den Euro zu verlassen“, sagte Messiha der Nachrichtenagentur AP. Frankreichs Partner könnten dann nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen.
Die Apokalypse
Viele Ökonomen sind überzeugt, dass ein Euro-Austritt Frankreichs ein finanzielles und wirtschaftliches Desaster auslösen würde. Als Grund nennen sie die Annahme, dass etwa die Besitzer von Aktien, Wertpapieren und Immobilien eine Umstellung ihrer Vermögenswerte auf den Franc mit wahrscheinlichem Wertverlust befürchten und vor der Währungsumstellung alles verkaufen würden. Und Frankreich würde seinen Verpflichtungen aus den Staatsanleihen nicht mehr nachkommen, wenn es versuche, den neuen Franc für Zahlungen einzusetzen.
Kreditnehmer aus dem Unternehmensbereich hätten große Probleme damit, Schulden in plötzlich wertvolleren Euro zurückzuzahlen – wenn sie es denn überhaupt könnten. Das Auswechseln von Währungen für Anleihengläubiger bedeute schlicht Zahlungsunfähigkeit, sagt der Ökonom Carsten Brzeski von der Direktbank ING-DiBa.
Aus Furcht vor einem solchen Szenario waren Politiker auch davor zurückgeschreckt, Griechenland aus dem Euro gleiten zu lassen. Ein französischer Austritt wäre sogar noch folgenschwerer, da Frankreich viel größer ist. „Es würde das Ende des Euro und den Zusammenbruch des gesamten Bankensystems in Europa bedeuten“, sagt Cinzia Alcidi, Volkswirtschaftlerin am Center for European Policy Studies in Brüssel.
Souveränität zuerst
Messiha zufolge könnte es zwar wirtschaftliche Störungen geben, aber die würden seiner Ansicht nach wie nach dem Brexit-Votum vorübergehen. Allerdings gehört Grossbritannien nicht der Eurozone an. Messiha ist überzeugt, dass der neue Franc nur um fünf bis zehn Prozent gegenüber dem Dollar fallen würde, womit man umgehen könnte. Der Euro selber hat seit 2014 gegenüber dem Dollar etwa 23 Prozent verloren – das hat Eurozonen-Exporteuren geholfen.
Messiha bezweifelt auch, dass Frankreich bei einer Währungsumstellung automatisch zu einem Land wird, das seinen Verpflichtungen aus Staatsanleihen nicht mehr nachkommt. Unter internationalem Gesetz werde angenommen, dass ein Land seine Schulden in der eigenen Währung habe. Und die französische Nationalbank könnte Messiha zufolge die Fähigkeit der Regierung zum Leihen unterstützen, indem sie ihre Schulden aufkauft – was unter dem Euro eingeschränkt ist.
Politischer Stillstand
Aber auch ein Sieg Marine Le Pens bei der Präsidentschaftswahl würde nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie alle ihre Pläne umsetzen könnte. Der Front National hat derzeit nur zwei Sitze in der Nationalversammlung und müsste bei der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni stark abschneiden, um nicht mit einem Premierminister von einer anderen Partei konfrontiert zu werden.
Das wahrscheinliche Ergebnis wäre ein längerer politischer Stillstand und ernsthafte Wachstumsprobleme, aber kein „Frexit“, sagt Volkswirtschaftler Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Ein Sieg Le Pens könnte aber indirekt den Euro untergraben, indem ein Gegner der Währungsunion an die Spitze des zweitgrößten Mitgliedslandes rückt. Und das könnte das Vertrauen in der Region schwächen und Krisen wie diejenige in Griechenland verschärfen.
De Maart

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