Bis Ende April hätte Richtung22 nach dem Willen des Kulturvereins frEsch das Bâtiment4 (B4) in Esch verlassen sollen, doch das Künstlerkollektiv hat entschieden, das nicht zu tun. Dabei hatte frEsch im Falle einer Weigerung mit einem Gerichtsprozess gedroht. Man lasse sich weder einschüchtern noch vertreiben, schreibt Richtung22 in einer Stellungnahme, die im Laufe des Mittwochnachmittags publiziert wurde. „Seit über einem Jahr versucht frEsch, uns aus dem Bâtiment4 zu werfen“, heißt es, „ein Jahr Stress, Druck, Lügen und Feindseligkeit – und nun droht frEsch uns mit einem Gerichtsprozess.“
„Im Bâtiment4 bleibt Richtung22 nicht“, stellte Loïc Clairet, Direktor von frEsch, dem Tageblatt gegenüber Anfang April klar. „Das Kollektiv muss die Räumlichkeiten zum Monatsende verlassen. Andernfalls sieht sich der Verwaltungsrat gezwungen, weitere Schritte einzuleiten.“ Im Statement wirft Richtung22 die Frage auf, welche Motive die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrats (CA) bei dieser Entscheidung haben. Und vermutet, dass es sich beim Rauswurf eben nicht um eine Entscheidung des gesamten Verwaltungsrats, sondern einzelner Personen handelt. Gemeint sind der Verwaltungsratspräsident und Escher Kulturschöffe Pim Knaff (DP) und Loïc Clairet, der als Direktor dem CA nicht angehört.
Welche Rolle spielen die CA-Mitglieder?
„Wat sinn d’Motiver vun den eenzelne Membere vum frEsch-Verwaltungsrot? Laut Aussoe vun Ex-Membere vum frEsch-Verwaltungsrot goufen offiziell Grënn fir eise Rausworf praktesch net diskutéiert a scho guer net hannerfrot. Déi meescht Membere vum Verwaltungsrot hu bis haut net mat eis geschwat, sinn nach ni bei eis an de Bâtiment4 komm, hunn sech keen eegent Bild vun der Lag gemaach. Si kenne weder eis nach eis Aarbecht. Mee si si sech awer sécher: Richtung22 muss fort. D’Initiativ, eis mat alle Mëttele lasszeginn, geet zwar just vun eenzelne Leit aus – mee all aktuelle Member vum CA ass Deel vun der Entscheedung“, schreibt das Kollektiv und fragt sich, ob man in Zukunft vor Gericht dem Kufa-Direktor (René Penning), der Direktorin des Escher Theaters (Carole Lorang) oder der Cueva-Gründerin Daisy Wagner gegenübersitzen werde. Die drei gehören bzw. gehörten dem Verwaltungsrat von frEsch an.

Und man stellt die Frage, warum Gemeindebeamte, allen voran die neue Chefin des Kulturdienstes Josée Hansen, riskieren, sich in einen Gerichtsprozess gegen junge Künstler*innen verwickeln zu lassen. Man könne durchaus kritisieren, was Richtung22 mache, sage und wofür es stehe. „Solche Gefühle sind gegenüber der Kunst, die eine Meinung vertritt, normal und wichtig. Im Verwaltungsrat von frEsch aber sind Leute davon überzeugt, dass wir verschwinden sollen. Das ist eine Kulturpolitik, die linke Meinungen in der Kunst aktiv zensiert“, so Richtung22. Und fragt weiter: „Wärend riets an oppe faschistesch Kräft uechter Europa och zum Schlag géint d’Kulturszeen aushuelen, gëtt zu Esch vu ‚liberalen’ Kulturmënsche krampfhaft géint e grousst, aktiivt, gutt verankert an oppen antifaschistescht Konschtkollektiv gekämpft. Wat fir Zeeche ginn hei gesat?“
Aus Angst, Macht zu verlieren, herrscht Apathie, Polemik und Unruhe. Soll das wirklich ewig so weitergehen?
Die Motive von Pim Knaff und Loïc Clairet seien klar, so das Kollektiv (siehe auch www.batiment4.lu). Knaff nutze seine politische Macht, um Kritiker zu attackieren. Und Clairet, der sowohl der Presse als auch seinem eigenen Verwaltungsrat Lügen auftische, sei konsequent. Immerhin habe Richtung22 aufgezeigt, wie er Teile des frEsch-Millionenbudgets an sein Umfeld in Lille schleuse. Fazit: „Knaff und Clairet zerren Richtung22 nicht vor Gericht, weil wir im B4 nicht abgewaschen haben, sondern damit sie frei Hand haben.“ Aber Knaff sei nur ein Teil des Verwaltungsrats, und Clairet gehöre dem gar nicht an. Weshalb sich für Richtung22 die Frage nach den weiteren Mitgliedern des CA stelle: „Wie können frEsch-Mitglieder wie Mandy Ragni und Joëlle Pizzaferri ihr (Nicht-)Handeln politisch rechtfertigen? Warum ziehen Daliah Scholl und Bruno Cavaleiro blind mit? Sie sorgen jetzt schon für einen Fehlstart für die Zeit nach dem lange erwarteten Rücktritt von Pim Knaff. Anstelle von frischem Wind bleibt alles wie es war. Aus Angst, Macht zu verlieren, herrscht Apathie, Polemik und Unruhe. Soll das wirklich ewig so weitergehen?“
frEsch bleibt bei seiner Entscheidung
Fazit Richtung22: „Mir soe kloer, dass mir kee Geriichtsprozess wëllen. Aner Léisunge si méiglech a besser fir all Mënsch. Mee mir loossen eis weeder aschüchteren nach verdreiwen. A genee dofir hu mir entscheet: Richtung22 bleift am Bâtiment4.“
Über den Rauswurf des Kollektivs aus dem Kulturzentrum Bâtiment4 wird seit 2024 diskutiert: Der Nutzungsvertrag lief Ende Mai 2024 aus und wurde nicht verlängert. frEsch begründete dies unter anderem mit der „Inaktivität des Kollektivs“, aber auch mit „mangelnder Hygiene und Sauberkeit, zum Beispiel in der Küche“. Das Kollektiv wehrte sich gegen den Vorwurf und forderte ein Gespräch. Nach Angabe von Richtung22, das in der Vergangenheit mehrfach scharfe Kritik an Eschs Kulturpolitik äußerte, fand jenes nur unter einer Bedingung statt: ein festes Umzugsdatum vorzuschlagen.
Das Kollektiv entschied sich für den 31. Dezember 2029 und argumentierte: „Bis dahin haben wir voraussichtlich eine Alternative, und ohne eine solche würden wir als Gruppe kaum überleben.“ frEsch beharrte auf Ende April 2025 als Auszugsdatum. Demnach läuft alles auf den angedrohten Prozess hinaus. Was Loïc Clairet gegenüber dem Tageblatt bestätigte: „Wir werden das Dossier jetzt dem Friedensgericht übergeben. Jedenfalls bleiben wir bei unserer Entscheidung, dass Richtung22 das Gebäude verlassen muss.“ Eine Einigung für eine Fristverlängerung von maximal zwei bis drei Monaten sei möglich, aber nur zur Überbrückung, wenn das Kollektiv eine neue Bleibe gefunden hätte, so der Direktor von frEsch weiter. Man habe jetzt jedenfalls nicht vor, Richtung22 mithilfe der Polizei gewaltsam zum Auszug zu zwingen.
Lesen Sie zu diesem Thema auch:
Richtung22 frEsch verweigert Dialog und droht mit Klage – Kunstkollektiv reagiert mit neuer Website
Richtung22 gegen frEsch 3. Kampfrunde oder Versöhnung?
Esch FrEsch macht Ernst: Richtung22 kämpft gegen Rauswurf
Plattgemacht Warum Kultur in Esch nicht anecken, wehtun oder kritisieren soll
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können