Montag1. Dezember 2025

Demaart De Maart

ArcelorMittalLuxemburgs Stahlindustrie trotzt der europäischen Krise

ArcelorMittal / Luxemburgs Stahlindustrie trotzt der europäischen Krise
Das „Centre logistique européen“ in Niederkorn ist das größte Lager für Stahlträger in ganz Europa. Mehr als 230.000 Tonnen wurden letztes Jahr von hier aus an Kunden in Europa geliefert. Auf den Dächern wurde zudem eine Solaranlage errichtet, die mehr Strom herstellt, als am Standort selbst benötigt wird. Foto: Christian Muller

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Auch wenn die Stahlindustrie europaweit unter enormem Druck steht: In Luxemburg blickt man doch etwas gelassener auf das eben erst angefangene Jahr 2025. ArcelorMittal ist gut aufgestellt und zählt heute mehr Mitarbeiter als noch vor einigen Jahren prognostiziert. Mittelfristig beschäftigt man sich jedoch auch hierzulande mit den gleichen Sorgen wie im Rest Europas.

Vor rund einer Woche warnte der Frankreich-Chef von ArcelorMittal bei einer Anhörung im französischen Parlament: Wenn keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden, „sind alle europäischen Stahlstandorte in Gefahr. (…) Die europäische Stahlindustrie ist in einer Krise.“ Bereits Ende 2024 hatte ArcelorMittal seine Investitionen in die Dekarbonisierung seiner Werke in Europa ausgesetzt.

Auch bei der traditionellen Pressekonferenz, die der Stahlhersteller jedes Jahr hierzulande organisiert, um einen Blick auf die allgemeine Entwicklung der Branche wie auch auf Luxemburg im Speziellen zu werfen, wurde am Mittwoch ein düsteres Bild der Situation in Europa gezeichnet.

Was die globale Entwicklung des Produkts Stahl anbelangt, bleibt der weltweit zweitgrößte Stahlhersteller dabei überaus zuversichtlich. In einer ganzen Reihe Sektoren, sei es Mobilität, erneuerbare Energien oder Infrastruktur, sei Stahl von „strategischer Wichtigkeit“, so der Luxemburg-Chef des Konzerns, Henri Reding, in den Räumlichkeiten des „Centre logistique européen“ in Niederkorn.

Eine ganze Reihe Faktoren treiben die Nachfrage nach dem Produkt weiter an, erläutert er. Dazu zählen sowohl die weltweit wachsende Bevölkerung als auch der steigende Lebensstandard. „Seit 1950 hat sich die Bevölkerung verdreifacht – und der Bedarf an Stahl verzehnfacht.“ Auch in den nächsten Jahren rechnet er mit Zuwächsen. Hinzugekommen sei zuletzt auch noch der Bereich „Verteidigung“, den man bei ArcelorMittal bisher nicht so stark im Blick hatte.

Europas Marktanteil schrumpft deutlich

Doch die positiven Aussichten für den Weltmarkt spiegeln sich in Europa nicht wider. Von den fast zwei Milliarden Tonnen Stahl, die 2022 in der Welt hergestellt wurden, stand Europa nur noch für einen kleinen Anteil von sieben Prozent, so Reding. Vor rund 20 Jahren hatte Europa noch einen Weltmarktanteil von 17 Prozent. Der Anteil Asiens ist in dem Zeitraum hingegen von 41 auf 70 Prozent gewachsen. China steht für etwa die Hälfte dieser Summe.

Das Wachstum der Zukunft erwartet die Branche ebenfalls in den schnell wachsenden Schwellenländern, etwa in Indien. Hier steigt die Nachfrage und hier wird investiert. Auch die meisten der großen strategischen Projekte des Konzerns, die Reding erwähnt, befinden sich in Ländern wie Brasilien, Mexiko, Liberia, oder Argentinien. In Europa erwähnt er lediglich den Kauf eines Anteils am Unternehmen Vallourec, das Stahlrohre herstellt, mit denen irgendwann Pipelines gebaut werden können, um beispielsweise Wasserstoff von Europas Küsten bis ins Binnenland zu transportieren.

„In den letzten zehn Jahren ist Europa von einem Stahl-Exporteur zu einer Stahl-importierenden-Region geworden“, zeigt er die Statistiken. „Und der Trend in diese Richtung geht weiter.“ Dabei sei die Branche überaus wichtig, warnt er. Europaweit stehe sie (direkt und indirekt) für rund 2,6 Millionen Jobs und eine Wirtschaftsleistung von 150 Milliarden Euro.

Das Grundproblem sei eine weltweite Überkapazität bei der Stahlherstellung, erläutert er weiter. Während es jährlich eine globale Nachfrage nach zwei Milliarden Tonnen Stahl gibt, so gibt es Werke mit einer Jahres-Kapazität von 2,6 Milliarden Tonnen.

Dementsprechend würden nur 76 Prozent der Kapazität der Werke gebraucht. Da die Werke in Europa jedoch teurer sind, seien diese hier nur zu rund 60 Prozent ausgelastet. Das reiche nicht mehr, um die hohen Fixkosten zu decken. Daher auch die „ernsthafte Krise in der Stahlindustrie“ und die Aussagen zu den Werken in Frankreich.

Zu den weltweiten Überkapazitäten komme hinzu, dass besonders Europa sehr interessant für Importe sei. Da der Kontinent kaum eigene fossile Energien habe, seien Gas- und Stromkosten um ein Vielfaches höher als in anderen Weltregionen. Das mache den hier hergestellten Stahl deutlich teurer. „Hinzu kommen morgen noch die CO₂-Steuern“, die die Kosten der europäischen Hersteller weiter in die Höhe treiben werden.

„Wir brauchen Handelsschutz“

„Wir brauchen Handelsschutz“, erklärt Reding. Diesen gebe es bisher für die Branche nämlich nur sehr bedingt. Während in den USA ab der ersten importierten Tonne Zölle in Höhe von 50 Prozent erhoben werden, sind es in Europa nun 25 Prozent, und das auch erst ab einer bestimmten Quote. „Damit lohnt sich der europäische Markt für Importe aus China. (…) Die Importe werden nicht gebremst und die Krise wird schlimmer.“

Von der EU-Kommission wünscht sich sein Konzern, dass auf den „green deal“ ein „industrial deal“ folgen soll. Der Prozess der Dekarbonisierung solle nicht eine Deindustrialisierung Europas zur Folge haben, zitiert er den Konzernchef.

Henri Reding ist seit April 2023 „Country Head Luxembourg“ bei ArcelorMittal
Henri Reding ist seit April 2023 „Country Head Luxembourg“ bei ArcelorMittal Foto: Editpress/Julien Garroy

Im Gegensatz zur allgemeinen Situation in Europa „drehen die Luxemburger Werke ziemlich gut“, so Reding weiter. Belval und Differdingen sind zu rund 80 Prozent ausgelastet, Rodange zu rund 50 Prozent. Hintergrund ist, dass in diesen Werken u.a. Nischenprodukte hergestellt werden, die weniger anfällig für Konjunkturschwankungen sind.

Die Luxemburger Werke der Gruppe sind in den letzten Jahren umorganisiert worden. Die drei Werke Rodange, Differdingen und Esch-Belval wurden zu einer Einheit („Luxembourg Produits longs“) zusammengelegt – unter einer gemeinsamen Direktion und Verwaltung. Esch-Belval ist auf kleine Träger und auf Spundwände spezialisiert, Differdingen auf große, sogenannte Grey-Träger und Rodange auf viele unterschiedliche Nischenprodukte, etwa Tramschienen.

Diese neue Einheit soll künftig autark funktionieren. Das heißt, die für die Produktion notwendigen halbfertigen Produkte werden künftig im Land selbst hergestellt werden. Aktuell werden sie aus Deutschland und Polen geliefert. Das soll die Transportkosten senken, die Effizienz und die Produktion steigern. Die Bauarbeiten für den betreffenden Elektrolichtbogenofen im Werk Esch-Belval schreiten voran. Ende 2025 sollen die Arbeiten fertig sein. Danach folgt noch ein Lernprozess von zwei Jahren.

3.450


Mitarbeiter zählt der Konzern in Luxemburg

Aus Exporten wurden Importe
Aus Exporten wurden Importe Screenshot: ArcelorMittal

Die Vielfalt an angebotenen Produkten ist es derweil, die das neue Werk vor Konjunkturschwankungen schützen soll. „Wir haben Glück“, sagt Reding. Diese Produkte werden meist für Projekte bestellt, und so kenne man die Aufträge für die kommenden sechs bis zwölf Monate. Bei jeder zweiten Straßenbahn, die in Europa gebaut wird, greife man mittlerweile auch auf Schienen aus Rodange zurück. Selbst die neuen Schienen für die Startrampe der Ariane in Kourou kommen aus Rodange.

Die schlechten europäischen Rahmenbedingungen, wie etwa die hohen Energiepreise, werden sich jedoch auch hierzulande nach und nach stärker bemerkbar machen, warnt Reding. Auch die Konkurrenz aus China und den USA für die Nischenprodukte werde zunehmen, sagt er voraus. „Wir sind nicht in Sicherheit. Auch Luxemburg wird den Druck zu spüren bekommen.“

Für den Moment aber sieht der Standort gut aus. Insgesamt 1,9 Millionen Tonnen Stahl wurden letztes Jahr hier hergestellt und 500 Millionen Euro sind in die Luxemburger Wirtschaft geflossen. 3.450 Mitarbeiter zählt der Konzern hierzulande. Das sind rund 100 mehr als vor einem Jahr – und deutlich mehr als die Zahl von 3.000, wie vor einigen Jahren prognostiziert. Hintergrund ist einerseits der Markt für Spundwände („palplanches“), der sich besser entwickelt hat als erwartet (als Alternative zu Beton), und andererseits die Entwicklung in der Verwaltung, die von der weltweit guten Dynamik der Gruppe profitiert hat. 

      
       Foto: Editpress/Julien Garroy
Nomi
30. Januar 2025 - 12.58

Breissel ass un all deem Schold.

Die CO2 Taxen dei' d'Autoshiersteller an der EU mussen bezuehlen wann hir Fleet-Emissio'unen (Moyenne vun CO2 dei' hir Modellen aussto'ussen) . Dei Taxen bellafen sech emm dei' 6000€ pro Auto, dei' schlussendlech den Auto'skeefer muss berappen, well dei' Taxen vum Autoshiersteller ob den Klient weider gereecht gett!

Di Breisseler EU ass schold dorunner dass eis Autoindustrie futti geht mat all sengen Zo'uliwerer an dass fir den EU Bierger d'Auto'en 6000€ mei' dei'er sinn !!

Grober J-P.
30. Januar 2025 - 9.02

„Damit lohnt sich der europäische Markt für Importe aus China. (…) Die Importe werden nicht gebremst ......"
Wie sagte man uns vor nicht zu langer Zeit, "man sollte doch mal mehr regional kaufen".
Kaufe mir auch kein chinesisches Auto, wenn mein Bruder bei VW arbeitet, oder?