Der Kassationsgerichtshof in Luxemburg hat am Donnerstag in öffentlicher Sitzung das Urteil über den Revisionsantrag von André Lutgen wie folgt verkündet:
– Annullierung des Urteils des Bezirksgerichts Luxemburg vom 23. Dezember 2021 sowie des Urteils des Berufungsgerichts vom 6. Juli 2022, mit Ausnahme der darin ausgesprochenen Freisprüche.
– Rückerstattung der auf Grundlage der annullierten Urteile gezahlten Beträge.
– Zuerkennung von 5.000 Euro Schadensersatz an André Lutgen wegen moralischer Schäden und Rufschädigung.
– Löschung der Verurteilungen aus dem Strafregister von André Lutgen.
– Veröffentlichung des Urteils im Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg sowie in den Zeitungen Luxemburger Wort und Tageblatt auf Staatskosten.
– Die Kosten des Revisionsverfahrens und der aufgehobenen Entscheidungen trägt der Staat.
Hintergrund
Zum Hintergrund der Affäre: Im Mai 2019 nimmt der Fall seinen Lauf. Nach einem tödlichen Arbeitsunfall im Differdinger Werk von ArcelorMittal sieht sich Me André Lutgen, Anwalt des Unternehmens, verpflichtet, Schaden von seinem Mandanten abzuwenden und finanzielle Verluste durch Betriebsausfälle in Millionenhöhe zu verhindern. Lutgen wendet sich in dieser Angelegenheit mehrfach an den zuständigen Untersuchungsrichter Filipe Rodrigues. Dabei drängt er darauf, die Produktion, nach Klärung aller sicherheitsrelevanten Aspekte, schnellstmöglich wieder aufzunehmen. In einem Brief, unter anderem an die Generalstaatsanwaltschaft und an den Justizminister, weist Me Lutgen auf die schleppenden Ermittlungen des Untersuchungsrichters hin.
Der Untersuchungsrichter fühlt sich durch die Handlungsweise des Anwalts eingeschüchtert und beleidigt. Filipe Rodrigues legt Beschwerde ein, woraufhin die Staatsanwaltschaft Klage gegen Me Lutgen erhebt.
Im Dezember 2021 verurteilt das Bezirksgericht Luxemburg den Anwalt in erster Instanz wegen Beleidigung des Untersuchungsrichters zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro sowie zur Zahlung eines symbolischen Schadensersatzes von 1 Euro und Verfahrenskosten von 750 Euro. Vom Vorwurf der Einschüchterung wird er freigesprochen.
Im Berufungsverfahren im Juli 2022 reduzierte das Gericht die Geldstrafe auf 1.000 Euro, bestätigte jedoch die übrigen Entscheidungen.
Im Juni 2023 weist der Kassationsgerichtshof Me Lutgens Revisionsantrag zurück und verurteilt ihn zur Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von 2.000 Euro.
Straßburg stützt Anwalt
Daraufhin wendet sich der Anwalt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dieser hält im Mai 2024 fest, dass die Verurteilung von Me André Lutgen einen Verstoß gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Das Gericht befindet, dass die Sanktionen unverhältnismäßig waren und nicht mit den Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar seien. Der Anwalt wird freigesprochen.
Auf Grundlage dieses Urteils stellt Me Lutgen im Juli 2024 einen Revisionsantrag beim Justizminister. Gemäß Artikel 443, Punkt 5, der Strafprozessordnung ist eine Revision bei strafrechtlichen Verurteilungen, die gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, zulässig und begründet.
Mit dem aktuellen Urteil des Kassationsgerichtshofs, also dem Freispruch auf ganzer Linie für den Anwalt, dürfte der Fall auf juristischem Plan nun endgültig abgeschlossen sein.
 
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