Thomas nimmt vergangenes Jahr nach Abschluss seiner Ausbildung als Elektriker eine Anstellung bei dem kleinen Bauunternehmen „Eva Construction“ aus Esch an. Was zunächst als vielversprechende Arbeitsstelle erscheint, verwandelt sich für ihn in einen elfmonatigen Albtraum aus chaotischen Abläufen, fehlendem Material und unbezahlten Löhnen.
„Ich wollte einfach nur arbeiten“, erzählt Thomas. „Ich wusste nicht, worauf ich mich einließ. Ich dachte, es wäre eine neue Firma, die meine Hilfe gebrauchen könnte, um sich weiterzuentwickeln.“ Anfangs erhofft er sich, seine Berufserfahrung einbringen und dabei helfen zu können, das kleine Unternehmen auf sichere Beine zu stellen. Doch schon nach wenigen Tagen erkennt er, dass grundlegende Baustandards und eine funktionierende Organisation bei „Eva Construction“ fehlen. Das Tageblatt berichtete Ende Oktober bereits über die Firma: Eine Düdelingerin erzählte von nicht sauber ausgeführten oder nicht zu Ende geführten Arbeiten.
Alle arbeiten gleichzeitig, obwohl es eigentlich eine Reihenfolge gibt. Er (der Geschäftsführer, Anm. d. Red.) bringt einfach alle auf einmal auf eine Baustelle, und sie arbeiten parallel.

Der geschäftsführende Partner der Baufirma, Ignace Tchaha, stellt Thomas als Ersatz für einen anderen Elektriker ein. „Er sagte mir, dass dieser entlassen wird, weil er nicht viel arbeitet, viele Zigaretten raucht und viele Pausen macht“, berichtet Thomas. Er merkt schnell: So wie hier gearbeitet wird, kann das nicht funktionieren. Das liegt allerdings nicht am vorigen Elektriker, sondern an der schlechten Organisation auf den Baustellen. Trotzdem nimmt der Chef die Einschätzungen und Ideen des Handwerkers nicht an. „Alle arbeiten gleichzeitig, obwohl es eigentlich eine Reihenfolge gibt. Er (der Geschäftsführer, Anm. d. Red.) bringt einfach alle auf einmal auf eine Baustelle, und sie arbeiten parallel.“ Das Resultat: Fertiggestellte Wände müssen beispielsweise wieder aufgerissen werden, um Kabel zu verlegen.
Nicht genug Personal
Das sagt das Bauunternehmen
„Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich nicht mehr bei der Firma angestellt bin, die seit dem 11. Oktober geschlossen ist. Sag dem Elektriker, dass er sich darauf konzentrieren soll, einen neuen Job zu finden, anstatt so einen Unsinn zu versuchen.“
Hinzu kommt, dass Thomas oft der einzige Elektriker vor Ort ist – und auf mehreren Baustellen gleichzeitig arbeiten soll. Unterstützung erhält er nur von Hilfskräften ohne Qualifikation, was die Arbeiten zusätzlich erschwert und verlangsamt. „Das erklärte ich ihm schon am ersten Tag. Ich sagte ihm auch, dass ich als einziger Elektriker mehr Zeit benötige – normalerweise hat jede Gruppe einen Teamleiter und einen Assistenten“, berichtet Thomas. Dies ist bei dem Umfang der Arbeiten kaum tragbar.
Ein weiteres Problem: Das Unternehmen besitzt nicht genügend Werkzeug für die Anzahl ihrer Baustellen. „Es hat einmal vier Monate gedauert, bis ich einen neuen Akku hatte.“ Als ihm ein Service-Kleintransporter zugewiesen wird, ist dieser in so schlechtem Zustand, dass er kaum nutzbar ist. „Einmal haben die Bremsen auf der Autobahn versagt“, behauptet der Handwerker.
Irgendwann wird Thomas strikt untersagt, mit den Kunden zu sprechen. „Viele wollten wissen, wie die Arbeiten fortschreiten. Aber ich durfte ihnen nichts erklären.“ So fühlt er sich oft zwischen den Erwartungen der Kunden und der mangelnden Unterstützung des Arbeitgebers gefangen.
Gehalt nicht ausbezahlt
Neun Monate nach Arbeitsbeginn ist dann Schluss: Ignace Tchaha kündigt Thomas – ohne die Gründe dafür anzugeben. Der Handwerker kontaktiert daraufhin die Gewerkschaft OGBL, die wiederum eine „demande de motif“ an den Chef adressiert. Darin argumentiert er, Thomas sei inkompetent, unachtsam und unpünktlich. Dafür nennt er verschiedene Beispiele, die Thomas von sich weist. Der Geschäftsführer würde Worte verdrehen und Tatsachen absichtlich anders präsentieren.
Trotzdem: Auch Monate nach der Entlassung fehlen dem Handwerker noch das Arbeitszeugnis, eine Verdienstbescheinigung, acht Gehaltszettel und etwa 8.000 Euro Gehalt. So wurde ihm der letzte Monat seiner Arbeitszeit nicht ausbezahlt und die drei vorherigen nur zum Teil. „Manchmal drohte mein Chef mir sogar damit, mich nicht zu bezahlen, wenn ich seine Anweisungen nicht genau befolgte“, berichtet Thomas von seiner Zeit als Angestellter bei „Eva Construction“. Eine Drohung, der der Boss nachgekommen zu sein scheint.
Das Unternehmen hat Anfang Oktober Insolvenz angemeldet. Ob Thomas sein Geld noch erhält, ist unklar. Im Nachhinein bereut er, dass er sich für diese Stelle entschieden hatte. „Ich wollte einfach nur Teil eines ordentlichen Betriebs sein, in dem meine Arbeit respektiert wird“, sagt er. Mittlerweile hat der Elektriker eine solche Stelle gefunden.
*Name von der Redaktion geändert
Drei Fragen an Jean-Luc de Matteis vom OGBL
Wie oft werden Gehälter im Bausektor nicht ausbezahlt?
Das kommt oft vor. Das kann beispielsweise wegen finanzieller Probleme sein. Aber auch, wenn der Angestellte eine Maschine zerstört hat und der Arbeitnehmer das sofort vom Gehalt abzieht. Das darf er allerdings nicht – egal, was passiert. Trotzdem versuchen sie es. Wenn die betroffene Person nicht Bescheid weiß und zur Gewerkschaft geht, dann sind diese 500 Euro gut verdient für den Arbeitgeber.
Laut Thomas hatte sein Chef unrealistische Ansprüche an seine Mitarbeiter. Wie häufig ist das?
Auch das ist nicht unüblich. Die Baustelle muss schnell abgeschlossen werden. Die Fristen von Baustellen in Luxemburg – und vor allem bei den „soumissions publics“ – sind sehr kurz. Wenn der Staat eine Baustelle hat, dann soll dieser die Frist nicht so kurz machen, dass Probleme entstehen. Die Leidtragenden sind nicht nur der Betrieb, sondern vor allem die Angestellte. Die geplante Dauer muss menschlich sein, damit die Arbeitsbedingungen nicht unmöglich sind.
Ist die Kritik an der schlechten Organisation unüblich?
Bei verschiedenen Betrieben gibt es oft „Gewurschtels“. Wenn die Baustelle ein bisschen organisiert ist, dann klappt das. Sicherlich ist nicht jeder Betrieb top organisiert.
De Maart

Ueberall mangelt es an Kooperation, die rechte Hand weis nicht
was die Linke tut, Unkompetenz in vielen Verwaltungen und
Betrieben, sei es Privat oder Staat. Unötige Geldverschwendung.
Nicht nur bei Elektrikern gilt das, sondern offensichtlich auch im Tiefbau... Resultat: man(Frau) wundert sich über Strassen die immer kaputter gewurschtelt werden, nie endende Baustellen mit dazugehörigen Umleitungen, Staus, usw. Organisation ist das A und O!