20 Jahre „Eltereschoul“Auf den Spuren des Pädagogen Janusz Korczak

20 Jahre „Eltereschoul“ / Auf den Spuren des Pädagogen Janusz Korczak
Gilbert Pregno gründete die „Eltereschoul“ vor 20 Jahren und gab ihr den Namen „Janusz Korczak“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die „Eltereschoul Janusz Korczak“, die zur „Stiftung Kannerschlass“ gehört, feierte am Donnerstag ihr 20-jähriges Bestehen. Doch wer war eigentlich Janusz Korczak? Die ungewöhnliche Biografie des Pädagogen steht im Mittelpunkt der Feier und zeigt, wieso sich die „Eltereschoul“ nach ihm benennt.

Schnell stellte sich am Donnerstagabend heraus, wer für den Namen der „Eltereschoul Janusz Korczak“ verantwortlich ist: Gilbert Pregno. Der Psychologe und Präsident der Menschenrechtskommission ist auch Gründer der „Eltereschoul“. Den Namen habe er sich vor 20 Jahren sorgfältig ausgesucht, sagte er dem Tageblatt. Dennoch habe er an diesem Abend Details aus Korczaks Biografie erfahren, die er zuvor noch nicht gekannt habe.

Ich habe mich stets von Frauen und Männern mitreißen lassen, die mich wegen ihres Engagements fasziniert haben

Gilbert Pregno, Gründer der „Eltereschoul“

„Ich habe mich stets von Frauen und Männern mitreißen lassen, die mich wegen ihres Engagements fasziniert haben“, sagte er während seines Vortrags im Kulturzentrum „Schéiss“ auf Belair. „Ich könnte das niemals so hinkriegen wie sie. Ich betrachte sie als meine Helden“, sagte er. Er habe mehrere Helden, die ihn stets begleiten. „Ich brauche Personen, die mir Hoffnung machen.“ Pregno zitierte Albert Camus: „Da, wo es keine Hoffnung gibt, muss man sie erschaffen.“ Und schob dann ein Zitat von Isaac Newton nach: „Wenn man weitersehen will, muss man auf die Schultern eines Riesen steigen.“ – „Und Janusz Korczak ist ein Riese“, so Pregno.

Nach den Einleitungsworten von Jeannine Schumann, Direktorin der „Eltereschoul“, Christian Kmiotek, Präsident der Stiftung „Kannerschlass“, und Gilles Dhamen, Direktor von „Aide à l’enfance“, nahm Eliza Smierzchalska, die zurzeit an einer grafischen Biografie Korczaks arbeitet, den Werdegang des bekannten Pädagogen unter die Lupe. Doch dazu später.

„Kannerschlass“ und „Eltereschoul“

Die Elternschule war durch eine Konvention an das Familienministerium gebunden. Seit diesem Jahr ist sie an das Bildungsministerium gekoppelt. Weder Familienministerin Corinne Cahen noch Bildungsminister Claude Meisch waren am Donnerstag anwesend. Sie mussten anderen beruflichen Verpflichtungen nachgehen und ließen sich entschuldigen.

Welch eine Arroganz zu glauben, dass man ein Kind zuerst wie eine Pflanze entwurzeln könne, um es anschließend wieder Wurzeln schlagen zu lassen in einer anderen Welt, selbst wenn es ein Schloss ist

Gilbert Pregno, Gründer der „Eltereschoul“

Gilbert Pregno blickte auf seine knapp 30 Jahre im Dienst der Stiftung „Kannerschlass“ zurück. „Das hat mich professionell geprägt.“ Als die Stiftung vor rund 75 Jahren gegründet wurde, sei das ein sehr innovatives Konzept in Luxemburg gewesen, so Pregno. Dennoch habe man damals die Eltern der Kinder als Feinde betrachtet und sie, um die Kinder zu schützen, von ihnen ferngehalten. Das Jugendschutzgesetz habe den gesetzlichen Rahmen dafür geboten. „Welch eine Arroganz zu glauben, dass man ein Kind zuerst wie eine Pflanze entwurzeln könne, um es anschließend wieder Wurzeln schlagen zu lassen in einer anderen Welt, selbst wenn es ein Schloss ist“, sagte Pregno. Er selber habe das schönste Büro gehabt, doch als er sah, unter welchen Bedingungen die Kinder dort lebten, war er schockiert. Man habe sich drangemacht, neue Strukturen zu schaffen. 

Jeannine Schumann und Gilbert Pregno schneiden den Kuchen zum 20. Geburtstag der „Eltereschoul“ an
Jeannine Schumann und Gilbert Pregno schneiden den Kuchen zum 20. Geburtstag der „Eltereschoul“ an Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Vor 20 Jahren gründete der Psychologe die Elternschule nach dem Prinzip der Prävention. Ziel sei es gewesen, präventiv zu handeln, um zu verhindern, dass es zu Schwierigkeiten kommt. „Wir haben es stets verworfen, eine moralische Attitüde gegenüber den Eltern zu zeigen“, betonte Pregno. Stattdessen habe man ermunternde Signale an die Eltern geschickt. Man habe bewusst versucht, die vulnerablen Familien zu erreichen und nicht jene, die Janusz Korczak, Piagé oder Montessori kennen. „Wir haben stets versucht, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen und es in seiner Gesamtheit zu erfassen.“ Pregno erinnerte hierbei an die Kinderrechtskonvention, die Luxemburg vor 28 Jahren ratifizierte. In all den Jahren sei vieles getan worden, um bedürftigen Kindern zu helfen. Das Interesse sei heutzutage größer denn je. Noch immer aber warte er ungeduldig auf die Gründung eines Ministeriums der Kindheit und der Jugend.

Vom Kinderarzt zum Pädagogen

„Vieles haben wir zusammen probiert und bei keiner neuen Idee haben wir Nein gesagt“, erinnerte sich Jeannine Schuhmann an die gemeinsame Arbeit mit Gilbert Pregno. Genau diese Herangehensweise lässt erahnen, wieso Janusz Korczak Namensgeber der Elternschule ist. Eliza Smierzchalska griff einige Punkte aus Korczaks Leben auf, die zeigen, wie der Pädagoge vorging und was ihn prägte. Smierzchalska ist in Gdansk (Polen) geboren und lebt in Brüssel. Sie beschäftigt sich mit den Bereichen Autorenkino und Illustration. Zurzeit arbeitet sie an einer grafischen Biografie von Janusz Korczak. Sie hat ebenfalls das Kultbuch Korczaks „Le roi Mathias Ier“ vom Polnischen ins Französische übersetzt und die Illustrationen dazu gezeichnet.

Es ist so einfach, Kinder zu zeugen und sie zu erziehen. Aber wieso erzieht man nicht die Eltern? Wieso gibt es keine Elternschule?

Janusz Korczak, Pädagoge

In Polen gebe es viele Straßen, Schulen, Waisenhäuser, die nach Janusz Korczak benannt sind. „Es ist aber das erste Mal, dass sich eine Elternschule nach ihm benennt. Das hätte ihn sehr berührt“, sagte Smierzchalska und führte ein Zitat Korczaks an: „Es ist so einfach, Kinder zu zeugen und sie zu erziehen. Aber wieso erzieht man nicht die Eltern? Wieso gibt es keine Elternschule?“

70 bis 80 Leute fanden am Donnerstagabend den Weg in das Kulturzentrum „Schéiss“ auf Belair
70 bis 80 Leute fanden am Donnerstagabend den Weg in das Kulturzentrum „Schéiss“ auf Belair Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Janusz Korczak, eigentlich als Henryk Goldszmit Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts in Warschau geboren, entdeckt sehr früh seine Leidenschaft fürs Schreiben. Mit 18 verfasst er seine ersten edukativen, humoristischen und satirischen Artikel unter unterschiedlichen Pseudonymen. Ein Theaterstück, das er mit dem Namen Janusz Korczak unterschreibt, wird bei einem literarischen Wettbewerb ausgezeichnet. Dieses Pseudonym wird fortan seine zweite Haut sein. Sein Werk umfasst 22 Bücher, zahlreiche Artikel, Schriften und pädagogische Hefte. Zuerst studiert er Medizin und wird ein bekannter Kinderarzt, der sich für die vulnerablen Kinder einsetzt.

Korczaks pädagogisches Fundament

Danach kehrt er dem Krankenhaus den Rücken und interessiert sich für Pädagogik. Er beschäftigt sich mit der „neuen Schule“ à la Maria Montessori, welche die alten pädagogischen Methoden der Repression infrage stellt. Seine ersten erzieherischen Erfahrungen sammelt er in einem Landschulheim. „Dort habe ich, dank meiner eigenen Anstrengung, das ABC der erzieherischen Praktik gelernt“, zitierte ihn die Biografin. Und weiter: „Ich dachte, ich könnte viel, weil ich viel wollte. Ich dachte, ich könnte die Liebe der Kinder im Nu erobern. Ich dachte, ich könnte ihnen die ganze Freiheit lassen, und zu jedem Kind die gleiche Attitüde haben.“ – „Die Kinder haben revoltiert“, sagte Smierzchalska. Statt die Disziplin mit Stärke wiederzuerlangen, habe Korczak den Fehler bei sich selbst erkannt und habe anschließend neue Herangehensweisen ausprobiert. Die Erkenntnis, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen „parler avec les enfants“ und „parler aux enfants“ gibt, bezeichnete die Biografin als das Fundament seines gesamten erzieherischen Systems.

Eliza Smierzchalska wird demnächst eine grafische Biografie über Janusz Korczak veröffentlichen
Eliza Smierzchalska wird demnächst eine grafische Biografie über Janusz Korczak veröffentlichen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Fortan arbeitet Korczak in einem Warschauer Waisenhaus als Direktor und führt dort neue Methoden ein. Zusammen mit den Waisenkindern, die er betreut, lebt Korczak im Zweiten Weltkrieg im Warschauer Ghetto. Anschließend werden die Kinder ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Korczak besteht darauf, die Kinder dorthin zu begleiten, auch wenn dies ihn das Leben kosten wird.

„Für viele wurde Korczak zum Helden, für viele andere zum Märtyrer, zum Heiligen“, sagte Smierzchalska. „Er verkörpert das Ideal des Kampfes für die Rechte der Kinder“, so Smierzchalska.