Die Affäre rund um die Hilfsorganisation CASA („Centre d’appui social et associatif“) beschäftigt auch das Parlament. In einer von „déi gréng“ beantragten Dringlichkeitssitzung der beiden Kommissionen für Arbeit und Familie, Solidarität und Zusammenleben stellten sich die beiden zuständigen Minister Georges Mischo (CSV) und Max Hahn (DP) sowie ADEM-Direktorin Isabelle Schlesser den Fragen der Abgeordneten. Eine Erkenntnis des Nachmittags: Das Arbeitsministerium hat jahrelang die gemeinnützige Vereinigung CASA anders behandelt als andere „Associations sans but lucratif“ (Asbl).
Im Zentrum der Affäre CASA stehen 34 Personen mit einer „Occupation temporaire indemnisée“ (OTI), einer temporären Beschäftigung, bezahlt von der Arbeitsagentur. Nun dürfen gemeinnützige Vereine wie CASA jedoch gar keine OTI-Verträge abschließen, das ist laut ADEM-Webseite dem Staat vorbehalten sowie Kommunen, Gemeindeverbänden, öffentlichen Einrichtungen, Stiftungen und Unternehmen des Privatsektors, die von einem „Plan de maintien dans l’emploi“ betroffen sind.
Welcher Arbeitsminister war zuständig?
Zwischen CASA und ADEM sind jedoch in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 94 OTI-Verträge abgeschlossen worden. Das geht aus der Antwort von Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) auf eine parlamentarische Frage des Piraten-Abgeordneten Sven Clement hervor. Die Ausnahmeregelung, den gemeinnützigen Verein CASA als Stiftung anzusehen, und ihn damit dazu zu berechtigen, OTI-Verträge abzuschließen, sei „von einem vorherigen Arbeitsminister festgehalten“ worden, schreibt Mischo. Georges Engel, Mischos Vorgänger im Arbeitsministerium in den Jahren 2022 und 2023, kann sich auf Nachfrage des Tageblatt nicht an den Umgang mit der Asbl CASA erinnern. „Ich kann nicht mehr über alle Konventionen, die wir hatten, detailliert Auskunft geben“, so der LSAP-Abgeordnete. Er sei sich aber relativ sicher, dass die Konvention nicht zu seiner Zeit als Arbeitsminister getroffen wurde. Infrage kommen außerdem Engels Parteikollegen Dan Kersch, Minister von 2018 bis 2022, und Nicolas Schmit, Minister von 2009 bis 2018.
Seit September 2023 gilt in Luxemburg ein neues Gesetz für gemeinnützige Vereinigungen ohne Gewinnzweck. Marc Spautz (CSV), Präsident der Arbeitskommission, erinnert daran, dass vor der Gesetzesänderung Asbl und Stiftungen relativ nah beieinander lagen, weil beide Organisationsformen nicht profitorientiert für das Gemeinwohl arbeiten. Anscheinend hat man im Arbeitsministerium diese Nähe zugunsten von CASA ausgelegt. Doch damit hätte spätestens mit dem neuen Asbl-Gesetz 2023 Schluss sein müssen. Spautz stellt klar: CASA sei nie eine Stiftung gewesen, sondern immer eine Asbl.
In der Kommissionsitzung gibt ADEM-Direktorin Schlesser an, schon lange Jahre bevor sie 2012 den Job als Direktorin angetreten habe, sei es gängige Praxis gewesen, dass Asbl trotzdem OTI-Verträge abschließen konnten. „Der Luxemburger Staat hat das Gesetz nicht so streng angewandt“, berichtet die Grünen-Abgeordnete Djuna Bernard nach der Sitzung. Vor ein paar Jahren, zitiert Bernard die Direktorin, habe sie, Schlesser, dem Ministerium jedoch mitgeteilt, dass es besser sei, sich an das Gesetz zu halten. Die gängige Praxis, eine Asbl in dieser Hinsicht wie eine Stiftung zu behandeln, wurde eingestellt. Außer im Fall CASA, wie sich jetzt zeigt.
„Politisch brisant“, kommentiert Bernard die Sachlage. Ein genaues Datum, wann diese Ausnahmeregelung beschlossen wurde, konnte Schlesser auf Nachfrage in der Kommission nicht nennen. Bernard bezeichnet den Umgang des Arbeitsministeriums mit CASA als „traitement préférentiel“, die Organisation sei bevorteilt worden, um weiter günstige Arbeitskräfte mit OTI-Verträgen zu nutzen. „Und heute kommt raus, dass diese Personen teilweise keine Arbeit hatten und CASA überbesetzt war.“
Staatsanwaltschaft und ITM ermitteln
Zufriedenheit herrscht parteiübergreifend in der Tatsache, dass zumindest 18 der 34 OTI-Verträge bei CASA in unbefristete Verträge für Langzeitarbeitslose umgewandelt werden, in „Aide à la création d’un emploi d’insertion“ (EMI). Für die ADEM ergeben sich durch diesen Wechsel nun bessere Kontrollmechanismen. Im Falle der EMI muss CASA die ersten drei Monatsgehälter vorstrecken, bevor sie später zurückerstattet werden. Weil die Vereinigung von Präsident José Trindade jedoch nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, konnte nur ein Teil der Arbeitskräfte in der neuen Maßnahme übernommen werden. Die übrigen 16 Mitarbeiter befinden sich laut Arbeitsminister Mischo zum großen Teil bereits wieder in Arbeit. Eine Person wurde ans Nationale Amt für soziale Eingliederung (ONIS) weitergeleitet, zwei weitere seien krankheitsbedingt aktuell nicht für den Arbeitsmarkt verfügbar.
Claire Delcourt (LSAP), Vizepräsidentin der Familienkommission, zeigt sich nach der Sitzung froh darüber, dass ADEM und ITM die Missstände bei CASA aufgedeckt hätten. So könne der Fall nicht zu einer „zweiten Caritas“ werden. Einen Vergleich zum großen Skandal zieht Delcourt dennoch: „Am meisten Schaden haben die Angestellten.“ Die LSAP-Politikerin fragt sich wie viele andere Abgeordnete, wie es sein könne, dass die Unregelmäßigkeiten bei CASA niemandem aufgefallen waren – und ADEM und ITM erst nach internen Hinweisen aktiv wurden.
In Zukunft wird sich auch die luxemburgische Justiz mit der Causa CASA beschäftigen. ADEM-Direktorin Schlesser bestätigte in der Kommissionssitzung, Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergereicht zu haben. Einer der Vorwürfe sei „faux en écriture“, Urkundenfälschung, sagt Marc Spautz. Außerdem habe man die ITM damit beauftragt, eine weitere Analyse zu machen, um herauszufinden, ob nicht noch weitere Punkte ausstehen, so der CSV-Politiker. Sobald erste Ergebnisse von Staatsanwaltschaft und ITM vorliegen, werde man die zuständigen Minister und die ADEM-Direktorin wieder in die Arbeitskommission einladen.
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