Hagi, Kokain und die Walachei

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Graf Dracula, bekanntester Vampir der Literaturgeschichte, Gheorghe Hagi, Mittelfeldspielerzwischen Genie und Wahnsinn, sowie Nicolae Ceausescu, ehemaliger Schreckensherrscher.

Wer sich mit Rumänien beschäftigt, kommt an diesen sehr verschiedenen Persönlichkeiten nicht vorbei.

Der Rest der rumänischen Bevölkerung wird vom durchschnittlichen EU-Bürger oft als Roma bezeichnet. Diese werden genau wie in Mitteleuropa auch in Rumänien größtenteils von der Gesellschaft ausgeschlossen, und daher gilt diese Betitelung nördlich und südlich der Karpaten als Beleidigung. So viel zu diesem Vorurteil …

Was in Deutschland, Österreich, aber auch in Luxemburg als eine weit entfernte Region ohne irgendwelche Aktivitäten bezeichnet wird, ist in Rumänien eine historische Region, wo sich auch die Hauptstadt Bukarest befindet: nämlich die Walachei. So viel zu dieser Bezeichnung … .

Noch immer wird Rumänien als das Armenhaus Europas bezeichnet. Nicht ohne Grund: Das Bruttosozialprodukt ist nach Bulgarien das niedrigste der gesamten Europäischen Gemeinschaft. Die Kluft zwischen Arm und Reich war und ist in Rumänien unheimlich groß. In der Hauptstadt Bukarest ist es ganz normal, verwahrloste Straßenkinder neben protzig auftretenden Bonzen zu sehen.

Noch immer spüren die Rumänen die Nachwehen der grausamen Alleinherrschaft von Nicolae Ceausescu. Von 1965 bis 1989 litt die Bevölkerung unter dem stalinistischen Regime des Autokraten. Ceausescu wollte aus den Rumänen ein zahlenmäßig großes Volk machen. Er verbot Verhütungsmittel und stellte den Gebrauch dieser unter Strafe. Überfüllte Waisenhäuser und Hunderttausende Straßenkinder sind heute noch immer Nachwirkungen dieser Politik.

Nach der Revolution von 1989 herrschte einige Jahre Chaos, und das Volk und die neue Regierung waren mit dem Wiederaufbau beschäftigt.

Doch im Sommer 1994 brachte die sogenannte „Goldene Generation“ Freude ins Karpatenland. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in den USA verzückte die „Tricolorii“ um Spielmachergenie Gheorghe Hagi und andere feine Techniker die gesamte Fußballwelt und stieß bis ins Achtelfinale vor.

Absturz auf Raten

Das beste Ergebnis in der Geschichte des rumänischen Fußballs. In den 1990ern gehörten die Rumänen zu den stärksten Mannschaften in Europa. Danach begann ein Absturz auf Raten. Im 21. Jahrhundert qualifizierten sich die Rumänen nur noch für zwei Europameisterschaften und keine Weltmeisterschaft.

Trotzdem werden immer wieder teils geniale Spieler wie Christian Chivu (AS Rom) und Adrian Mutu (AC Florenz) hervorgebracht. Beide sind auch am Dienstag gegen Luxemburg im Einsatz. Dass man um Mutu langfristig keine Mannschaft aufbauen kann, müsste mittlerweile auch der rumänische Verband verstanden haben. Der Stürmer war in der Vergangenheit öfter damit beschäftigt, Koks und Doping in sich reinzupumpen, als auf dem Platz konstant Leistung zu bringen. Trotzdem wird Mutu immer wieder in die Nationalmannschaft berufen und von seinen Vereinen begnadigt, weil er ein Fußballer mit außergewöhnlichem Talent ist. Allein seine Torquote belegt dies: Mutu erzielte in 170 Serie-A-Spielen 77 Tore. Beeindruckend.

Deshalb wird der mittlerweile 31-jährige Stürmer auch am Dienstag gegen Luxemburg der Anführer einer rumänischen Generation sein, der es nicht am Talent mangelt, aber der die Resultate in der EM-Qualifikationsgruppe D fehlen … vielleicht fehlt aber auch der absolute Wille. Auswahltrainer Razvan Lucescu berief sogar den sieben Wochen vom VfB Stuttgart suspendierten Ciprian Marica.

Ein wenig besser als der Nationalmannschaft, die in der EM-Qualifikationsgruppe D nur einen Platz vor Luxemburg steht, ergeht es zurzeit den rumänischen Vereinsmannschaften. Dank kräftiger Investitionen macht der Eisenbahnverein CFR Cluj in den letzten Jahren auf europäischer Ebene auf sich aufmerksam. Sonderlich förderlich für den rumänischen Fußball war dieser Erfolg allerdings nicht, da die Stars der Mannschaft aus Brasilien oder Argentinien kamen und kommen.

Sonderrabatt

Rumänien tritt am Dienstag gegen Luxemburg nicht wie gewohnt im „Stadionul National“ in Bukarest an, sondern sprichwörtlich in der Walachei. Spielort ist das Ceahlaul-Stadion in Piatra Neamt, direkt an der Grenze zu Moldawien. Immerhin entspricht das Stadion verschiedenen UEFA-Normen, so dass es möglich wäre, dort eine Champions-League-Partie auszutragen.

Übrigens: Gegen Luxemburg gibt es einen Sonderrabatt. Bereits für umgerechnet fünf Euro kann das EM-Qualifikationsspiel der Gruppe D verfolgt werden.