Lull Gillen (81) verstorben

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RADSPORT - Lull Gillen, einer der besten luxemburgischen Radsportler, ist am vergangenen Mittwoch im Alter von 81 Jahren nach langer Krankheit verstorben.

David Thinnes

Seine größten Erfolge feierte Lull Gillen auf der Bahn. Die Begeisterung für den Radsport wurde ihm von seinem Vater in die Wiege gelegt: Maurice Gillen nahm 1924 an den Olympischen Spielen in Paris teil (in den Serien über 1.000 m ausgeschieden).

Seine ersten Erfolge feierte Lull als Lizenzierter des Pignon Bonneweg auf der Straße: 1946 den Débutants-Titel und das Critérium des Jeunes. Mit den guten Resultaten kam der Entschluss, 1947 den Schritt ins Profilager zu wagen. „Es war eine harte Zeit. Man war froh, wenn man seine Unkosten halbwegs decken konnte“, hatte Lull Gillen dem Tageblatt in einem Interview vor drei Jahren gesagt („T“ vom 20. Februar 2007). Der Wechsel kam für ihn aber zu früh: „Bei den Olympischen Spielen 1948 in London hätte ich eine gute Chance auf eine Medaille gehabt.“ Olympiasieger wurde nämlich der Franzose Jacques Dupont. „Und wenn ich mich richtig erinnere, habe ich ihn eigentlich jedes Mal geschlagen, wenn wir gegeneinander angetreten sind.“ Gillen trauerte dieser Gelegenheit aber nicht nach: „Was soll’s, tempi passati. Es ist ja trotzdem noch ein bisschen was mit meiner Karriere passiert.“

Vizeweltmeister

Lull Gillen feierte in den kommenden 20 Jahren großartige Erfolge auf der Bahn. 1948 unterlag er bei seiner ersten WM-Teilnahme im Viertelfinale dem legendären Fausto Coppi. Dem Italiener sollte er in seiner Karriere noch öfters begegnen. Und zwar bereits ein Jahr später bei der WM im Verfolgungsrennen. Nachdem Gillen LULL GILLEN STECKBRIEF

o Geburtsdatum: 7. Oktober 1928 (in Luxemburg)

o Sportliche Erfolge: Straße: 1947: GP François Faber, 1948: Dritter der Landesmeisterschaft, 1953: Etappensieg Tour de Luxembourg, 1955: Gewinner Tour de l’Oise, 1963: Zweiter der Landesmeisterschaft
Bahn, WM (19 Teilnahmen):
1945: Vizeweltmeister Sprint, 1949: Vizeweltmeister in der Verfolgung, 1952: WM-Bronze Verfolgung, 1954: WM-Bronze Verfolgung
Six Days: 123 Rennen: 11 Siege, 20x Zweiter, 24x Dritter
1. 6-Days-Rennen: 1948 in New York mit M. Clemens (Platz 2)
1. 6-Days-Sieg: 1952 in Kopenhagen mit Kai-Werner Nielsen (DEN)
Letztes 6-Days-Rennen: 1996 in Québec (Platz 4)

o Weltrekord über 5.000 min 6.19.4 Minuten (1955)

o Auszeichnung: Ehrung des Luxemburger Sportpresseverbandes sportspress.lu (2005)

o Wahl zum Sportler des Jahres: 1954: Platz 3, 1955: Platz 2 (hinter Charly Gaul), 1956: Platz 2 (hinter Gaul)  im Viertelfinale von Kopenhagen Bahnrekord gefahren war, traf er im Finale auf den eben erwähnten Coppi. Erneut sollte der Luxemburger den Kürzeren ziehen: „1949 war Coppis bestes Jahr und in der Verfolgung war er außerordentlich stark, da konnte er sich voll entfalten, und Sie können mir glauben, ‚do sinn et Stécker ginn‘. Dem WM-Titel bin ich zehn Jahre nachgelaufen, ohne Erfolg“, hatte er 2007 im Tageblatt-Interview gesagt. Zweimal wurde er noch Dritter (1952, 1954) und dreimal platzierte er sich als Vierter (1948, 1950, 1951).

Erfolge feierte Lull Gillen aber bei den Sechstage-Rennen, die in den 50er und 60er Jahren sehr populär waren. Der Start in diese Karriere erfolgte 1948 mit dem Rennen in New York. Die Anreise und der Wettkampf waren abenteuerlich. Zusammen mit Mett Clemens und weiteren europäischen Fahrern ging es per Schiff in zehn Tagen in den Big Apple. Dort kam Lull Gillen an seinem 20. Geburtstag an. Trainiert wurde auf der Überfahrt auf einem Hometrainer und in New York im Central Park. Die Bahn wurde erst am Tag vor dem Rennen fertig, wie dem Buch „Luxemburger Sportler des 20. Jahrhunderts – die 50er“ (Editions Revue) zu entnehmen ist.

Mit der Kraft von Clemens und der Schnelligkeit von Gillen fuhr das Duo einen hervorragenden zweiten Platz heraus. Doch die Paarung Gillen/Clemens wurde etwas später getrennt, als Clemens nach einem schweren Sturz bei den Six Days in Zürich keine Rennen bestreiten konnte.

Gillen/Terruzzi

Der erste Sieg erfolgte dann vier Jahre später mit dem Dänen Kai-Werner Nielsen in Kopenhagen. Die größten Erfolge bei den Sechstagerennen feierte er aber mit dem Italiener Ferdinando Terruzzi: Sechs seiner insgesamt elf Siege fuhr er mit dem Italiener ein („eine tolle Zeit“).

Aber auch auf der Straße kam Gillen zu einigen Erfolgen. 1953 gewann er bei der Tour de Luxembourg die Etappe in Diekirch. 1955 holte er sich den Sieg bei der Tour de l’Oise, vor den Luxemburgern Willy Kemp und Marcel Ernzer.

Ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere war der Weltrekord über 5.000 m. Am 19. November 1955 sollte Gillen ein Verfolgungsrennen gegen Aldo Moser bestreiten. Nachdem er dieses gewonnen hatte, fragte er den Veranstalter, ob er einen Weltrekordversuch starten könne. Dieser glückte dann auch sofort: 6.19 Minuten benötigte Gillen für die Distanz.

Auch mit Coppi trat er bei den Sechstage-Rennen an. Doch ohne Erfolg. „Coppi war kein Sechstage-Fahrer. In der Verfolgung, da war er stark, da hatte er Platz“, so Gillen 2007. Der Luxemburger stieg 1958 enttäuscht aus einem Rennen aus.

Seine Karriere ging 1966 mit dem sechsten Platz beim Sechstagerennen im kanadischen Québec zu Ende: „Vielleicht ein oder zwei Jahre zu spät. Einige Dinge würde ich im Nachhinein vielleicht anders machen, aber im Großen und Ganzen bin ich doch froh über diese Zeit, nicht zuletzt weil ich gesund aus den Profisport-Jahren rausgekommen bin.“

Nach der Profikarriere blieb Lull Gillen, der im Bankwesen arbeitete, seinem Sport treu. Er war lange Jahre Präsident des VC Le Guidon Bertrange. Der Verein veranstaltet zu seinen Ehren jedes Jahr die „6-Days Lull Gillen“.

Gillen war ein großer Verfechter des Baus eines überdachten Velodroms in Luxemburg.

Außerdem war er in der Gemeinde Bartringen während 15 Jahren im Gemeinderat tätig.

Seiner Ehefrau Lonny und seinen beiden Söhnen entbietet das Tageblatt seine herzliche Anteilnahme. 

Reaktionen 

Romain Schneider (Sportminister): „’De Lull Gillen war e grousse Champion.‘ Er war eine große Persönlichkeit im Radsport und beliebter Ansprechpartner für das Ministerium, den Radsport-Verband und alle Radsportferventen. Er sollte als Experte in einer Arbeitsgruppe für das Velodrom amtieren, die sich am 15. September zum ersten Mal treffen sollte. Er hatte auch bereits zugesagt.“
Jean Regenwetter (FSCL-Präsident ): „Lull Gillen war der große Profi in Luxemburg für die Bahnwettbewerbe. Das Duo Gillen/Terruzzi galt als eine der besten Mannschaften bei den Six Days. Lull Gillen war Präsident unseres Komitees für den Bau des Velodroms. Er war der Erste, der zu Beginn die Mängel aufdeckte. Vor der diesjährigen Tour de France sollten wir mit dem Minister eine Sitzung zum Thema Velodrom haben. Die kam nicht zustande: einerseits aus Termingründen, aber auch weil Lull zu dem Zeitpunkt im Krankenhaus weilte, um sich behandeln zu lassen. Am 15. September sollten wir dann zusammenkommen, auch mit Lull. Er hatte sein Kommen zugesichert. Sollte es irgendwann ein Velodrom in Luxemburg geben, führt bei der Namensgebung kein Weg an Lull Gillen vorbei. Das war auch schon zu Lebzeiten so.“

dat