Gegen alle Klischees

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2014 haben sich die Anthropologin Antje und der Musiker Sahad kennengelernt. Sie stammt aus Deutschland, er aus dem Senegal. Zusammen leben sie mit ihrer gemeinsamen Tochter in einem Haus in Dakar. Beide gehören einer Sufi-Brüderschaft an. Antje war schon davor nach Senegal ausgewandert, weil sie sich dort in Land und Leute verliebt hatte. Sahads Band „Sahad and the Nataal Patchwork“ ist mittlerweile auch außerhalb Afrikas bekannt und hat bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten. Wir haben uns in Dakar mit den beiden über ihr Leben, den Alltag, die Musik, begegneten Schwierigkeiten und Lebenseinstellungen unterhalten. Ein Doppelinterview.

Interview mit Sahad Sarr (28)
Musiker aus Senegal

Tageblatt: Wie kam es dazu, dass du Musiker wurdest?
Sahad Sarr: Man kann Musiker werden, man kann aber auch mit dieser Gabe geboren werden. Das künstlerische Fieber hatte mich schon als Kind gepackt. Als ich zwischen acht und elf Jahre alt war, haben meine Brüder ständig Gitarre gespielt und ich hatte da bereits erste Kenntnisse in der Musik. Mit elf habe ich dann angefangen, selbst Gitarre zu spielen. Das war aber nur aus Spaß. Im „Lycée“ habe ich dann Kunstkurse besucht, habe dort mit den anderen zusammen Konzerte gespielt. Ich konnte singen und Gitarre spielen.

Nach meinem Abitur bin ich zur Uni gegangen. Dort habe ich angefangen, ernsthafter Musik zu machen. Zusammen mit Gleichgesinnten haben wir Gitarre, Saxophon und Schlagzeug gespielt. Wir trafen uns jeden Nachmittag und haben insbesondere Stücke aus der Afromusik gespielt. Wir haben uns verschiedene Alben angehört und versucht, das nachzuspielen und uns daran zu inspirieren. Wir haben dann angefangen, hier in Dakar aufzutreten, nur so zum Spaß. Für uns war das nichts Ernstes, aber die Leute hier in Dakar mochten das, was wir machten. Wir haben nicht wegen des Geldes, sondern aus Liebe zur Musik gespielt. Das ist vielleicht interessanter als jene Musik, die nur gespielt wird, damit man dafür etwas zum Essen kaufen kann.

Welche Botschaft versuchst du mit deiner Musik an die Menschen zu bringen?
Es gibt nicht nur eine Botschaft, es gibt gleich mehrere. Das könnte ich den ganzen Abend und vielleicht sogar die ganze Nacht ausführen (lacht). Als senegalesischer Musiker, der in Afrika lebt und Teil der Ideologie und der Philosophie hierzulande ist, kann man eigentlich nur das singen, was man ist. Und das spielen, was man ist. Und das, was ich bin, kann ich schlecht definieren. Ich bin vieles auf einmal. Es gibt mehrere Strömungen. (Meine Musik ist recht anspruchsvoll.)

Wenn ich Leute sehe, die Reggae-Musik hören, Freude daran haben und sich gut fühlen, dann sage ich ok. Kein Problem. Die Musik entspricht deren Alltag, vielleicht in Europa. Aber ich kann mir mit meinem Background hier aus Senegal nicht erlauben, solche Musik zu machen. Denn wir haben hier reelle Verpflichtungen. Wir haben z.B. ein Entwicklungsproblem. Man sagt immer, Afrika sei nicht entwickelt. Aber nein, für uns ist Afrika sehr entwickelt. Wir sind doch nicht verpflichtet, immer dem europäischen Entwicklungsmuster zu folgen, wo der PIB, der PNB und die Entwicklungshilfe in Bezug auf deren eigene Kultur und Umwelt entstanden sind und die nicht unbedingt auf unsere Kultur passen. Die Leute sind gewohnt, ein armes Afrika zu sehen, voller Misere. Meist wird dieses pessimistische Bild nach außen vermittelt. Auch die sogenannte „World Music“ zeigt dieses Bild. Das wollen die Leute sehen und hören.

Aber wir wollen uns nicht dieser Klischees bedienen. Denn es gibt einen enormen Reichtum hier und wir wollen darüber erzählen. Wir wollen zeigen, was sich bei uns tut. Wir wollen über das Produktive berichten, nicht über die Misere oder die Armut. Wir wollen unsere eigene Geschichte darüber erzählen. Wenn wir in Europa spielen, erwarten die Leute, dass sie traditionelle exotische Musik aus Afrika hören. Doch damit können wir nicht dienen. Unsere Musik könnte man als elitär bezeichnen. Ja, nicht nur Jazz aus New York ist elitär. Afrikaner können auch elitäre Musik spielen. Wir können mehr als nur emotionalen Rhythmus spielen. Wir haben viel zu erzählen. Wir sprechen von Frieden, Toleranz, Liebe. Aber das ist vage. Wir erzählen über den Moment, was wir tun, wie wir leben.

Man darf auch nicht vergessen, dass sich die Menschenrechtscharta an der „Charte de Kurukan Fuga“ von Mali aus dem Jahr 1236 inspiriert hat. Wir machen also nun einen Schritt zurück zu unserer eigenen Kultur. Wir betrachten das, was wir vor der Sklaverei und der Kolonisation gekannt haben. Und wir lehnen es ab, dass man uns beeinflusst. Das ist unsere Entwicklung. Sie ist menschlich und geistig. Das ist unser Entwicklungsindex. Nicht das Materielle. Es ist das Glück, es ist der Frieden. Heute spüren wir hier den Frieden, das Warmherzige. Und trotzdem haben wir kein Geld. Keine Skyline und keine dicken Autos.

Was bedeutet eigentlich dein Bandname Sahad and the Nataal Patchwork?
Wir wollen eigentlich universelle Botschaften aus allen Kulturen rüberbringen. Das Positive aus allen Kulturen herausfiltern. Das ist für uns auch das menschliche Afrika. So ist auch unser Bandname entstanden. „Nataal“ heißt auf Wolof Porträt oder Fotografie. Es ist wie eine Spiegelung. Patchwork ist die Verschiedenheit der Welt. Also: Sahad und die Spiegelung der Welt.

Wie würdest du den Musikstil deiner Band beschreiben?
Unseren Musikstil kann man als Afrofusion verstehen. Der Rhythmus ist Afro, inspiriert aus Senegal, Nigeria, Mali, Burkina Faso und Zentralafrika. Dazu gesellen sich Einflüsse aus Samba, Funk, Jazz, Rock, also Afrorockfunk. Die Leute wollen einen Stil immer benennen. Diese Begriffe stammen aus der Weltmusik. Aber bei uns ist es ein Mix verschiedener Richtungen. Es ist eigentlich etwas eigenes. Deshalb sage ich, wir machen Afrofusion. Musik kreiert Emotionen und Empfindungen. Und ich kann nicht alle Emotionen und Empfindungen definieren.

Du bist mit deiner Band immer mal wieder in Europa unterwegs. Letztes Jahr hatten wir uns in Luxemburg getroffen, nachdem du in Paris warst. Welchen Eindruck hast du von Europa? Könntest du dir vorstellen, in Europa zu leben?
Nein, ich glaube, ich könnte nicht in Europa leben. Als Afrikaner muss man sich ständig rechtfertigen. Man wird ständig gefragt: Wieso bist du hier? Hast du keine Papiere? Bist du illegal hier? Willst doch nur unser Geld, um reisen zu können. Ich wollte nicht mal heiraten, weil ich Angst hatte, dass dann die Leute denken, da meine Freundin Europäerin ist, ich würde das nur tun, um einen Freischein nach Europa zu bekommen. Nun haben wir trotzdem geheiratet. Aber ich will nicht nach Europa. Ich bin Senegalese und habe etwas in meinem Land zu tun. Deshalb will ich nicht weg. Ich mag mein Land mehr als Europa. In Frankreich dachten die Leute ständig, dass ich etwas haben möchte. Aber nein, ich war dort, um etwas zu geben. Ein bisschen Sonne, Leben und Menschlichkeit; Sachen, die die Leute in Europa verloren haben. Das ist unsere Mission als Musiker. Die Menschen in Paris waren alle müde und schlecht drauf. Ich merke so etwas. Und wir haben das große Lächeln mitgebracht. Als ich in Paris gefragt wurde, was ich hier mache, habe ich gesagt, ich mache Urlaub. Das haben die Leute nicht verstanden.

Für sie ist es nicht normal, dass ein Afrikaner Urlaub in Frankreich macht. Ich will nicht da leben. Ich könnte nicht von morgens bis abends in einem Restaurant oder sonst wo arbeiten und mich dem System fügen, wenn ich doch meine Heimat im Senegal habe. Ich ziehe es vor, hier Landwirtschaft und Viehzucht zu betreiben und etwas zum Wohlstand meines Landes beizutragen. Man muss den Leuten in Europa auch zu verstehen geben, dass Afrika kein Land ist. Es gibt dort viele verschiedene Länder mit unterschiedlichen Kulturen. Wir leben nicht auf den Bäumen und halten nicht alle Schafe und Kamele. Das ist ein Klischee. Nicht die Realität.

Was hat dich am meisten enttäuscht?
Was mich wirklich enttäuscht hat, war die Kälte der Menschen in Paris. In der Metro schauen sich die Leute nicht einmal an. Sie sagen nicht einmal Hallo. Sie haben Angst. Wir Musiker haben in der Pariser Metro laut geredet, gelacht und gelächelt, so wie wir das gewohnt sind. Die Leute merken sofort, dass wir nicht hier leben. Ich verstehe nicht, wieso so viele Menschen sich nach Libyen durchschlagen und mit einem Schlauchboot nach Europa hinübersetzen. Für so etwas? Das verstehe ich nicht. Luxemburg habe ich allerdings sehr gemocht (lacht). Aber im Ernst. Ich fand die Stimmung besser als in Frankreich. Die Franzosen haben mir immer das Gefühl vermittelt, sie seien die am weitesten entwickelte Kultur der Welt. Und sie müssen das jedem vermitteln. Das habe ich nicht gemocht. Dabei haben sie nicht viel Ahnung, wie es in Afrika wirklich aussieht.

Gab es nichts Positives?
Ich war auch in Deutschland unterwegs. Dort habe ich gemerkt, dass die Deutschen, bedingt durch die zwei Weltkriege, die sie angezettelt haben, daraus gelernt haben. In Hamburg habe ich die Leute als natürlich und menschlich empfunden. Das hat mich beruhigt.

Viele EU-Länder, darunter Luxemburg, sind stark in der Entwicklungshilfe im Senegal engagiert. Bringt das deiner Meinung nach etwas?
Das bringt gar nichts. Das bringt nur den Mitarbeitern dieser Organisationen etwas, die hier in Seminaren und Foren sitzen, in teuren Hotels logieren und dafür bezahlt werden. Während diese Seminar an Seminar reihen und Sachen beschließen, leiden jene, denen sie eigentlich helfen wollen. Diese NGOs leben von der Entwicklungsarbeit. Dadurch schaffen sie Arbeitsplätze bei sich zuhause. Es sind Jobmaschinen. Aber was tun die eigentlich? Ich sehe nichts. Außer dicke Autos und Seminare in irgendwelchen Gebäuden oder Hotels. Die Menschen haben hier teils kein fließendes Wasser, keinen Strom. Wir selber versuchen zu helfen. Direkt bei den Leuten. Wir gehen in die Wälder, machen dort Projekte, betreiben Landwirtschaft und helfen den Leuten aus den Nachbarorten. Das tun wir mit unseren eigenen bescheidenen Mitteln.

Die ausländischen NGOs kommen mit dem Vorwand, uns zu helfen, vielleicht um ihr Gewissen zu beruhigen. Aber wir brauchen keinen Retter. Statt Geld für teure Flüge auszugeben, sollten sie es doch den Einheimischen in die Hand drücken, damit diese ein nützliches Projekt auf die Beine stellen können.


Antje, 38, hat in Heidelberg, Hamburg und Barcelona Anthropologie und Erziehungswissenschaften studiert. Immer wieder hat es sie während dieser Zeit nach Senegal und Gambia gezogen. Teils über private Kontakte, teils wegen Feldforschung an der Uni. Sie lernte die Sprache der Einheimischen und kann sich heute nicht mehr richtig vorstellen, in Europa zu leben. Antje verrät uns, wieso und was sie dennoch im Senegal vermisst.

Interview mit Antje Gündner-Sarr (38)
Auswanderin aus Deutschland

Tageblatt: Du hast im Senegal in eine muslimische Familie eingeheiratet. Ist Religion ein Thema für dich/deine neue Familie?
Antje Gündner-Sarr: Ja, Religion ist auf jeden Fall ein Thema für uns. Mein Mann ist in einer Sufi-Bruderschaft. Ich war davor auch schon mit Sufis hier unterwegs. Ich hab das Gefühl, mein spiritueller Weg liegt auch im Senegal. Wir sehen aber den Sufismus eher als Lebensanschauung denn als Religion an. Religionen sind für mich zu begrenzend und einengend. Mir geht es eher darum, inneren Frieden zu erlangen. Im Sufismus wird der Islam als die ursprüngliche Form des Friedens angesehen. Die ursprüngliche Form des Islams ist im Grunde genommen der Sufismus. Im Wort Islam steckt „Salam“ drin, und Salam heißt Frieden.

Wäre umgedreht Deutschland oder Europa keine Option für euch gewesen?
Ich könnte mir vielleicht vorstellen, ein paar Jahre in Deutschland zu leben; aber das ist schwierig zu sagen. Wenn ich immer wieder die Möglichkeit habe, eine Weile da zu sein, dann ist das so okay für mich. Mein Mann hatte früher schon die Möglichkeit, nach Europa zu kommen, aber für ihn kommt das nicht in Frage. Mit seiner Band wird er in Zukunft bereits viel in Europa unterwegs sein. Und so könnten wir unsere Europa-Besuche kombinieren. Es gibt nämlich schon ein paar Sachen hier, die ich vermisse. Und wenn ich dies in Europa wieder „auffüllen“ kann, dann kann ich den Rest der Zeit hier entspannt verbringen.

Was vermisst du denn z.B.?
Angefangen beim Essen (lacht). Ich mag das senegalesische Essen gerne, aber ich vermisse frische Sachen. Wir haben in unserem Haus zwei Zimmer, die wir an Reisende vermieten, die meist aus den USA oder Kanada kommen. Auch denen geht es genauso. Das senegalesische Essen ist meist ziemlich verkocht mit wenig Gemüse. In meinem Umfeld in Deutschland war ich doch eher gewohnt, viel frisches Gemüse wie Salate zu essen. Das ist hier schwierig. Was mir auch noch fehlt, ist die Kultur des Kaffee-trinken-Gehens. Sich mit Freunden treffen und in eine Bar setzen; das mag ich so an Deutschland. Aber das gibt es hier nicht wirklich.

Wie lebt es sich als Europäerin im Senegal? Was ist anders?
Zum einen leben wir in Dakar und man kann nicht sagen, Dakar sei das tiefe Afrika. Aber es ist schon anders. Was mich früher auch immer so hier angezogen hat, war dieses kollektivistische Miteinander. Das ist mir früher mehr aufgefallen als heute. Die Menschen teilen viel miteinander. Auch das Zusammenleben generationenübergreifend. Bei uns gibt es eher die Individual- und Kleinfamilie. Das fand ich immer schön und das fehlt bei uns in Europa. Das Traurigste bei uns Zuhause, finde ich, sind Menschen, die vereinsamen. Das haben wir hier nicht.

Welchen Schwierigkeiten bist du begegnet?
Ich fühle mich hier schon ein Stück weit zuhause und komme mit meinem Wolof recht gut klar, wobei ich es noch nicht fließend spreche. Es passiert mir nicht oft, aber manchmal schon, dass ich einfach nur die Weiße bin. In den letzten Tagen kamen ein paar kleine Jungs, die sich ganz cool fühlten, und haben mich blöd angelabert. Das ärgert mich, dass ich dann nicht den richtigen Spruch drauf habe. Was ich schon irgendwie verstehen kann, mich aber ziemlich nervt, ist, dass manche glauben, wenn du weiß bist, hast du viel Geld. Das steckt da so drin in den Köpfen. Dann kommst auch manchmal in komische Situationen. So z.B. der Melonen-Verkäufer, der zu meinem Mann sagt: „Wie, das ist deine Freundin? Dann zahlst du aber jetzt mehr.“

Die Senegalesen betonen immer ganz besonders ihre Terranga. Terranga ist die Gastfreundschaft. Das stimmt auch, die Senegalesen sind sehr gastfreundlich. Das hat mich am Anfang schwer beeindruckt. In jedem Haushalt wird extra ein Teller Essen mehr gekocht, damit – falls ein unerwarteter Gast kommt – dieser noch was zu essen bekommt. Andererseits wird hier in der Großstadt Dakar viel gedrängelt. Die Menschen drängeln, wollen immer die Ersten sein: Im Laden um die Ecke, wo du morgens dein Brot kaufst, drängeln sie sich einfach vor, obwohl du als Erstes da stehst. Oder auch im Verkehr. Ich fahre hier auch Auto. Das ist schon sehr anstrengend. Da denke ich manchmal, ihr mit eurer Terranga, ihr könnt mich mal. Im Großen und Ganzen aber fühle ich mich hier gut aufgehoben.

Wie sieht eigentlich dein Alltag im Senegal aus?
Wir haben hier ein junges Mädel, Mitte 20, das bei uns arbeitet. Sie kommt jeden Tag, kümmert sich um den Haushalt, kocht mittags und betreut unsere Tochter, wenn ich arbeiten bin. Das war für mich schon komisch. Am Anfang wollte ich das gar nicht. Ich kenne das nicht aus Deutschland. Wir putzen unsere Wohnung selber. Das ist einfach ein komisches Gefühl gewesen. Dann haben die Leute mir gesagt, damit schaffst du auch einen Arbeitsplatz und das stimmt natürlich auch. Es kommt natürlich auch immer darauf an, wie man die Menschen behandelt. Sie ist auf jeden Fall sehr froh, bei uns zu sein. Das ist schon irgendwie ein Luxus, finde ich. In Deutschland müsste ich das alles alleine unter einen Hut kriegen. Kinder haben in Senegal ist also einfacher. Das ist hier ganz normal. Das haben nicht nur die reichen Menschen. Haushälterinnen kann sich praktisch jeder hier leisten.

Mein Alltag sieht so aus: Ich stehe morgens auf, mache dann erst mal schnell, um meine Tochter und mich fertig zu machen. Dann kommt unsere Haushälterin. Ich gehe in die Schule. Zurzeit arbeite ich an einer amerikanischen Schule. Dort habe ich das Gefühl, ich bin gar nicht im Senegal. Weil es eine internationale Schule ist. Da kommen die Kinder von überall her. Es ist wie eine Parallelwelt in dem Sinne. Ich bin froh, dass ich den Job habe, dass ich da so reinrutschen konnte. Dann komme ich am Nachmittag wieder nach Hause und bin wieder im Senegal. Dann ist mein Mann oft am Proben und das ganze Haus ist voller Musiker. Oder die Sufi-Brüder sind da und hocken irgendwo rum und beten oder trinken Kaffee. Deshalb habe ich auch das Gefühl, ich bewege mich in verschiedenen Welten.

Wir haben meistens viele Leute bei uns; natürlich auch dadurch bedingt, dass wir Zimmer vermieten und irgendwelche Durchreisenden hier übernachten. Das Haus ist ziemlich groß. Das ist auch schön. Am Anfang dachte ich, das wird stressig, dann noch mit Tochter und Job und hier gehen die Leute ein und aus. Manchmal ist es auch anstrengend und zu viel. Aber meistens finde ich es ganz einfach schön. Weil man auch viel teilt. Man kocht zusammen, man teilt Momente, das Essen …

Die EU und viele einzelne Länder – wie auch Luxemburg – sind stark in der Entwicklungshilfe im Senegal engagiert. Bringt das deiner Meinung nach etwas?
Ich habe Anthropologie und Erziehungswissenschaften studiert. Ich habe mehrere Jahre gedacht, dass ich in der Entwicklungszusammenarbeit arbeiten möchte. Ich habe mich während meines Studiums ziemlich stark damit auseinandergesetzt, in Heidelberg und in Hamburg, habe dann aber gemerkt, dass ich von der Entwicklungshilfe desillusioniert war. Teils weil ich in Heidelberg und Hamburg viele afrikanische Freunde hatte und durch die Leute, die ich hier und in Gambia kennengelernt habe, gemerkt habe, was da eigentlich passiert. Ich habe gesehen, wie eine Familie ihr ganzes Geld zusammenspart, damit einer von ihnen nach Europa auswandern kann. In den wird dann die ganze Hoffnung gesetzt. Der soll Geld machen und es in die Heimat schicken. Doch dieser lebt unter unmöglichen Bedingungen. Damit er am Ende des Monats 100 Euro rüberschicken kann und damit eine ganze Großfamilie ernährt. Ich habe das Gefühl, dass es den Menschen mehr bringt, wenn jemand aus Europa per Western Union Geld rüberschickt. Ich habe nicht so das Gefühl, dass etwas von der Entwicklungszusammenarbeit rüberkommt. Aber ich denke, man muss auch differenzieren zwischen den großen Organisationen und irgendwelchen kleineren. Ich glaube, dass es die kleineren NGOs sind, die Projekte fördern, die eher an den kleinen Mann gebracht werden.

Vielleicht habe ich auch zu wenig Einblick. Was mich immer ärgert, ist, wenn ich sehe, wie viele Gelder von Organisationen rausgeschleudert werden für Dinge, die nicht wichtig sind. Ich rede jetzt von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Ich weiß folgendes durch Freundinnen, deren Ehemänner hier im Senegal tätig waren. Die Leute fliegen mit der Business-Klasse, sie bekommen eine Villa finanziert, aber nur wenn diese über 1.000 oder 1.500 Euro pro Monat kostet. Ein günstigeres Appartement für 500 Euro würden sie dagegen nicht bezahlt bekommen. Wenn ich so was höre, dann denke ich, das kann doch nicht wahr sein. Weil ich das schade finde. Dass die Leute Geld verdienen müssen, ist ja klar, aber mit Business-Klasse fliegen, das muss nicht sein. Warum eigentlich? Man könnte auch das Geld sparen und damit was Gutes machen. Ich glaube, da geht einfach viel Geld flöten.