Extremsportler mit Mission

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Von unserer Korrespondentin Anke Eisfeld

Auf 40 Pfoten durch den Schnee

Andere freuen sich auf Frühlingsanfang und Sommerferien, Raphael Fiegen liebt Schnee und Eis: Im Februar kommenden Jahres startet der Abenteurer mit Hunden, Schlitten und Skiern auf eine knapp 35 km lange Expedition am Polarkreis im schwedischen Lappland. In Schneemassen und Eiseskälte lebt der 29-jährige seinen großen Traum – und möchte gleichzeitig auf eine heimtückische Krankheit aufmerksam machen.

Im Oktober 2017 verstarb sein Vater, Romain Fiegen, im Alter von 62 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sein „bester Freund und Trainer“, wie Fiegen seinen Vater nennt, hat ihm das Abenteuer quasi in die Wiege gelegt. Auch Romain Fiegen liebte (neben der Leichtathletik) die extreme Herausforderung: Als erster Luxemburger war er 1994 am Nordpol. „Wenn andere sagten, das geht nicht, dann hat er sich für mich eingesetzt“, beschreibt Raphael Fiegen die Unterstützung seines Vaters. Auch die Liebe zum Schlittenhund kommt von ihm, heute besitzt Raphael Fiegen insgesamt zehn Schlittenhunde unterschiedlicher Rassen.

„Jeder gerettete Patient ist wichtig“

Wenn im kommenden Jahr die nächste Hundeschlittenexpedition startet, dann hat der Extremsportler nicht nur Zelt, Schlafsack, Satellitentelefon und 40 Kilo Hundefutter im Gepäck, sondern ihn wird auch die Erinnerung an seinen Vater begleiten. Mit seinen Touren, Vorträgen und einem begleitenden Film soll auf die Krebserkrankung des Vaters aufmerksam gemacht werden, der möglicherweise noch leben könnte, wenn er – zusätzlich zur Chemotherapie – Methadon, eher bekannt als Heroin-Ersatzstoff, von seinem behandelnden Arzt bekommen hätte. Dabei hat die Molekularbiologin Dr. Claudia Friesen bereits 2007 herausgefunden, dass Methadon Krebszellen sterben lässt, nur hat die Pharmaindustrie wenig Interesse an einem Medikament, das sehr viel günstiger ist als jede Chemotherapie. Bisher gibt es keine ausreichende Studienlage für die Wirksamkeit der Kombination Chemotherapie und Methadon-Gabe, und so werde Krebspatienten bisher die Methadon-Therapie verweigert, so Fiegen. Damit sich das ändert, will Raphael Fiegen öffentlichkeitswirksam Spenden für die Methadon-Forschung sammeln. „Auch wenn es nicht der riesige Erfolg wird, jeder gerettete Patient ist wichtig“, ist sich Fiegen sicher.

Bis dahin muss sich der Abenteurer selbst stählen. Sein Training besteht weitestgehend aus Fitness- und Lauftraining, auch das Skifahren muss geübt werden – bei Schneemangel auch notfalls in einer Skihalle. „Tiefschnee kann man nicht trainieren“, weiß Fiegen. Und: „Es wird Tage geben, an denen ich meine Skier wegwerfen möchte, aber es wird auch Spaß machen.“ Junge Schlittenhunde der Rassen Alaskan Malamutes, Grönlandhunde und Ostsibirische Laika werden an Geschirr und Leinen den Schlitten ziehen, aber auch sie müssen trainieren – wahlweise geht es mit einem umgebauten Quad oder einem Trainingswagen durch den Wald. Auch ohne Schnee. In der Escher Waldschule leben sie im Rudel in einem Gehege. Nur der älteste Hund darf ins Haus und auch mal zum Kuscheln aufs Sofa.

Selfmademan mit sozialer Ader

Nicht das Sofa, sondern die Schwimmhalle ist das Ziel von Guy Bertemes, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Der Justizvollzugsbeamte aus Lintgen hat als erster Luxemburger den Bodensee schwimmend durchquert. Doch Guy Bertemes ist nicht nur Einzelkämpfer, sondern trainiert auch jugendliche Flüchtlinge.

S2portliche Extreme sind für den 45-jährigen keinesfalls Neuland, allerdings suchte er seine Herausforderungen früher eher im Lauf- und Radsport. Marathons, Straßenrennen, Triathlon-Rennen, Sanddünen-Läufe, es scheint nichts zu geben, was der passionierte Hobbysportler noch nicht ausprobiert hat. Nicht umsonst hat er eine Triathlon-Trainerlizenz. Gemeinsam mit dem Erzieher Tom Majerus trainiert er nun im gegründeten „Be you“-Projekt jugendliche Geflüchtete zwischen 14 und 17 Jahren. Dabei geht es nicht darum, den nächsten „Iron Man“-Gewinner zu drillen, sondern ganz allgemein den jungen, männlichen Sportlern eine Trainingsmöglichkeit zu geben, da die meisten Teilnehmer bereits vorher sportlich aktiv waren.

“ Sich ausprobieren, Grenzen erfahren“

Deshalb ist auch das Angebot breit gefächert: gemeinsam wurde schon geradelt und gelaufen, und auch erste Wettkämpfe wie ein Silvesterlauf wurden schon bestritten. Fitness- oder neuerdings Parcour-Trainingseinheiten stehen bei den Jungen ebenso hoch im Kurs. „Die Jugendlichen sollen sich ausprobieren können, auch mal Grenzen erfahren“, erzählt Guy Bertemes. Deshalb seien auch Bootcamp-Einheiten und Kampftraining geplant. „Sport bringt positive Vorteile“, weiß der erfahrene Trainer, und besonders wichtig sei dabei, dass Trainer und Jugendliche immer gemeinsam üben, denn „die Jungs finden es toll, wenn man mitmacht“, weiß Bertemes.

Auch beruflich setzt sich der Justizvollzugsbeamte gern für den Sport ein, indem er auch mal in der Mittagspause mit den Inhaftierten sportelt. Doch das Projekt „Be you“ beinhaltet nicht nur sein soziales Engagement. Vielmehr ist es die Verwirklichung von „Guy, dem Sportler“, die Verwirklichung persönlicher, sportlicher Ambitionen, wie zum Beispiel der 12 Kilometer langen Strecke quer durch den Bodensee im vergangenen September. Und auch nach dem erfolgreichen Durchschwimmen trifft man Guy Bertemes noch immer nicht auf dem Sofa an: Für sein nächstes sportliches Ziel, einem Podiumsplatz bei einem 24-Stunden-Schwimmen, trainiert er bis zu fünf Mal pro Woche und schwimmt dabei circa 20 Kilometer. Im Mai will Guy Bertemes dann beim 24-Stunden-Schwimmen im deutschen Oldenburg die Marathon-Distanz schwimmen.

Bleibt bei so viel Ehrgeiz noch Zeit für Familie und Freunde? „Schwimmen braucht weniger Zeit als Radfahren“, gibt sich der Allrounder pragmatisch. Doch seine Frau Diane und Tochter Gwendolynn sollen keinesfalls zu kurz kommen, und so wird jeder sportliche Wettkampf zum Familienurlaub. Beim Bodensee-Ereignis saßen Frau und Tochter im Begleitboot und durften anfeuern.

Leuchtende Augen bekommt der Sportler auch, wenn er vom Eisschwimmen erzählt, das er bereits im See in Weißwampach bei winterlichen drei Grad Wassertemperatur ausprobiert hat. Na, dann kann der nächste Winter ja kommen…