Die WM 2022 wackelt

Die WM 2022 wackelt

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von unserem Korrespondenten Jacob Wirtschafter, Kairo

Seit neun Monaten boykottieren Katars arabische Nachbarn das gasreiche Emirat. Die Folgen sind längst im Alltag der Kataris angekommen. Doch das kleine Land will dem Druck nicht nachgeben. Allerdings fürchtet es um die Fußball-WM, die 2022 in Katar stattfinden soll.

Katar ist gerade mal viermal so groß wie Luxemburg, verfügt aber über die drittgrößten Erdgas- und Ölreserven der Welt. Doch seit Mitte 2017 hat das Emirat am Persischen Golf ein Problem: Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben alle Beziehungen zu Katar abgebrochen.

Teure Isolation

Saudi-Arabien schloss im vergangenen Juni den Grenzübergang Salwa und blockierte damit Katars einzige Landverbindung mit der Außenwelt. Alle Importe Katars müssen nun über das Meer oder den Flughafen von Doha ins Land kommen. Direkte Flüge aus den vier Ländern nach Katar sind verboten, die vier Staaten haben auch ihren Luftraum gesperrt. „Die Kosten und die Dauer der Flüge sind gestiegen“, sagt Ali Salah, Ökonom bei Future Research, einer Denkfabrik in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Qatar Airways verlor die Einnahmen für mehr als 50 Strecken in die VAE, nach Saudi-Arabien, Bahrain und Ägypten. Reisen zwischen diesen Ländern und Katar sind nur über Umwege möglich. „Ich musste in Oman und Beirut umsteigen und etwa 2.400 katarische Rials (535 Euro) mehr als sonst bezahlen, um zur Hochzeit meiner Schwester nach Kairo zu reisen“, sagt Hassan Abdel Meguid, ein 29-jähriger ägyptischer Ingenieur, der für eine katarische Baufirma arbeitet. „Das andere Problem ist, Geld an meine Familie nach Hause zu überweisen, weil es jetzt ein tägliches Limit gibt. Das bedeutet, dass ich mehr Zeit damit verschwende, zur örtlichen Bank und Western Union zu gehen.“

Selbst frische Milch ist jetzt Mangelware, sie kam bis zum Embargo aus Saudi-Arabien. Der katarische Geschäftsmann Moutaz al Khayyat ließ daher 4.000 Kühe einfliegen.

Hass bleibt

Das Embargo zeigt Wirkung. Es hat den Kataris gezeigt, dass ihre kleine, aber stolze Nation auf die guten Gnaden anderer angewiesen ist. „Unsere Welt ist erschüttert“, sagt Farah Abel, Praktikantin beim World Innovation Summit for Education, einem von der Qatar Foundation finanzierten gemeinnützigen Verein. „Unsere Bruderländer stellen die Ernährungssicherheit in Frage, drohen mit Interventionen, verhängen Reiseverbote und zerschneiden sogar Familienbande.“

Katars Einwohner machen sich auch langfristig Sorgen. „Wird der Hass, der jetzt gesät worden ist, jemals verschwinden?“, fragt Aliya Fakhroo, eine 24-jährige Studentin in Doha.

Die anderen arabischen Staaten begründen ihre Maßnahme damit, dass sie Katar davon abhalten wollen, Gelder an Gruppen zu leiten, die die Region destabilisieren. „Katar gibt den Mitgliedern der Muslimbruderschaft einen Zufluchtsort in Doha und erlaubt ihnen durch den Sender Al Jazeera, zum Sturz von Präsident Abdel Fattah al Sissi aufzurufen“, sagt etwa Nevine Mossaad, ein Politologe der Universität Kairo. „Katar ist eine der Hauptursachen für Instabilität, Aufruhr und Gewalt im arabischen Raum und besonders in Ägypten.“

Kataris stützen Emir

Eine Lösung ist nicht in Sicht. „Nach neun Monaten, in denen sie nicht einmal in der Lage waren, Textnachrichten an Familienmitglieder in den boykottierenden Ländern zu senden, sind die Katarer selbst nationalistischer geworden“, sagt Harry Verhoeven, Professor der Regierung am Campus der Georgetown University in Doha. Die Kataris hätten sich hinter ihren Emir gestellt. Umgekehrt heiße dies, dass es für Tamim bin Hamad al Thani schwieriger werde, Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman und dessen Verbündeten nachzugeben. Finanziell hat Katar einen langen Atem. Sein Staatsfonds verfügt über 338 Milliarden Dollar.

Doch Katars Gegner haben noch ein Druckmittel: die Fußballweltmeisterschaft 2022. Im Februar forderte Saudi-Arabien, dass der Weltfußballverband FIFA Katar die Weltmeisterschaft wieder wegnehme. Das Königreich begründete die Forderung damit, dass sich Katar die Vergabe mit dem Kauf von Stimmen von FIFA-Mitgliedern gesichert habe. Tatsächlich haben Medien in Europa Einzelheiten zu den angeblichen Bestechungsgeldern veröffentlicht. In Großbritannien fordern Mitglieder der regierenden Konservativen Partei eine Untersuchung. „Die Entscheidung, die Weltmeisterschaft an Katar zu vergeben, muss überprüft werden“, sagt Damian Collins, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport im britischen Unterhaus.