Medienkrieg in Italien

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Während die Presse immer neue Enthüllungen zu den Affären von Premier Berlusconi bringt, setzt dieser sein Medien-Imperium in Gang, um sich zu verteidigen, Richter, Staatsanwälte und Journalisten zu diffamieren.

Italien ist im 21. Jahrhundert angekommen. Politik wird verlagert, aus Parlamenten, Senaten, Kommissionen und Ausschüssen in die Massenmedien. Fernsehsender und Internet bestimmen die politischen Meinungen und schließlich die Entscheidungen des Wahlbürgers.

Klare Weisung an eigene Sender

Während die großen italienischen Tageszeitungen wie der eher konservativ ausgerichtete Corriere della Sera oder die der linksliberalen Opposition nahestehende Repubblica Tag für Tag neue Enthüllungen im Sexskandal um den italienischen Premier Silvio Berlusconi veröffentlichen, lässt der Medienmogul über seine Privatsender seine Verteidigung verbreiten.

Im hauseigenen Canale 5 interviewt der Programmdirektor Alfonso Signorini das Escort-Girl Karima el-Mahroug, allen bekannt als Ruby, die wunschgemäß bestätigt, „niemals Sex mit dem Premier“ gehabt zu haben. Als Gegenleistung für diese Aussage und ihr Schweigen in weiteren Angelegenheiten versprach ihr der Premier Millionen, so verzeichnen es die Abhörprotokolle, die Gespräche von Rubys Mobiltelefon aufzeichneten.
Signorini ist gleichzeitig Chefredakteur der ebenfalls Berlusconi-eigenen Wochenschrift Chi.

Die Affäre beschäftigt alle Medien, alle Sender. So strahlte zu Beginn der Woche der zur Telecom gehörende Privatsender La7 in seinem Programm „L’Infedele“ („Der Untreue“), mit dem bekannten Moderator Gad Lerner, eine Diskussion über die „Affäre Ruby“ aus. Sie erzürnte den „Cavaliere“ so sehr, dass er flugs zum Telefonhörer griff und live in der Sendung anrief. Millionen von Fernsehzuschauern konnten einen wütenden Regierungschef erleben. Der Skandal erregte die Gemüter.

Funktionierender Rai-Generaldirektor

Nur drei Tage später ging die in Italien beliebte Polit-Show „Annozero“ in Rai2 auf Sendung. Schon in den vergangenen Jahren hatte sich eine Intimfeindschaft zwischen Berlusconi und Moderator Michele Santoro herausgebildet, die zur zeitweisen Suspendierung des Journalisten geführt hatte.

Diesmal – vom Medienecho auf sein Telefonat mit Lerner gewarnt – rief der „Cavaliere“ nicht selbst an, sondern intervenierte über den Generaldirektor der Rai, Mauro Masi.
Masi telefonierte mit Santoro und erklärte vor über sieben Millionen Zuschauern (Quote 25,72 Prozent), die Sendung verletze den Grundsatz, „sich nicht in laufende Verfahren einzumischen.“ Darauf Santoro: „Wir verletzen die Regeln?“ – Masi daraufhin zurückhaltender: „Ich spreche jetzt nicht direkt für mich, man hat mir gesagt, die Sendung könnte (er wechselte ins Konditional) die Regeln verletzen.“ Santoros trockene Erwiderung: „Wir haben verstanden, die Sendung könnte … ja, wir haben verstanden, wie Sie als Generaldirektor funktionieren, buona notte.“

Ja, gute Nacht, Pressefreiheit. Silvio Berlusconi diktiert die veröffentlichte Meinung, als Besitzer der größten Privatsender und Verlage wie auch in seiner Funktion als Ministerpräsident, der gleichzeitig als oberster Dienstherr der öffentlich-rechtlichen Medien fungiert.

Die Opposition spricht von undemokratischen Maßnahmen. Und die katholische Presse – die Zeitung des Vatikans L’Osservatore wie auch die der Bischofskonferenz L’Avvenire – lässt sich die Kritik an den unmoralischen Handlungen des Premiers nicht verbieten.

Druck auf die Justiz

Druck wird ebenso auf Staatsanwaltschaften und Richterschaft ausgeübt. Seitens der Verteidiger und des Justizministeriums wird versucht, der Gerichtsbarkeit von Mailand das Verfahren zu entziehen. Von dort jedoch kommt die Nachricht, dass in einem Eilverfahren der Prozess gegen Berlusconi und andere wegen Prostitution Minderjähriger eröffnet werden soll.

Die ermittelnden Staatsanwälte gaben inzwischen bekannt, dass eine weitere Minderjährige – die heute 20-jährige Iris Berardi – an Sexspielen bei den Festen in der Villa San Martino teilgenommen hatte. Es wird immer enger für den „Cavaliere“.