Kopftuch-Debatte an Wiltzer Schule

Kopftuch-Debatte an Wiltzer Schule
(dpa-Archiv)

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Das Lehrerkomitee des Wiltzer Lycée du Nord wünscht sich klare Antworten auf die Frage nach dem Platz der religiösen und weltanschaulichen Zeichen in der öffentlichen Schule. Stein des Anstoßes ist das Kopftuch-Tragen.

Seit Beginn des Schuljahres besuchen zwei Mädchen eine 7e des Wiltzer Lycée du Nord. Die beiden Schwestern tragen den Hidschab. Diese Situation gilt als Stein des Anstoßes einer Diskussion über die Frage nach dem Platz der religiösen und ideologischen Zeichen innerhalb der öffentlichen Schule, die über die letzten Monate hinweg im Gymnasium der Ginsterstadt geführt wurde.

Einzelne Personen innerhalb des „corps enseignant“ seien „damit nicht einverstanden“ gewesen, sagte Pierre Koppes, Direktor des Lycée du Nord, dem Tageblatt gegenüber. Von Seiten des Lehrerkomitees heißt es jedoch, dass viele Lehrer ihren Unmut darüber ausgedrückt hätten.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Schülerin in Luxemburg den Hidschab trägt. Es ist nicht einmal das erste Mal, dass dies in Wiltz passiert, einer Stadt, in der es zwei muslimische Gemeinschaften gibt und vermutlich viele Schüler muslimischen Glaubens das dortige Gymnasium besuchen. „Vor meiner Zeit als Direktor gab es bereits eine Schülerin, die während ihrer gesamten Schulzeit den Hidschab trug“, meinte gestern Pierre Koppes.

Die Direktion hält sich an die Gesetzeslage

Es kam jedenfalls zu Gesprächen. Zwischen den Lehrern und dem Direktor, dann dem Lehrerkomitee und dem Direktor. Koppes führte jedoch auch Gespräche mit dem Vater der beiden Schülerinnen. Die beiden Mädchen sollen bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr den Hidschab tragen, heißt es.

„Meine Position in diesem delikaten Fall ist eindeutig. Da wir uns in einem Rechtsstaat befinden, halte ich mich an die Gesetze. Da es nun mal keine rechtliche Basis gibt, die es ermöglicht, das Tragen des Schleiers zu verbieten, habe ich keine andere Wahl, als dies zuzulassen.“

Zwei Punkte jedoch müssten berücksichtigt werden, so Pierre Koppes: „Keiner darf aus religiösen Gründen eine Beteiligung an den Kursen – besonders dem Schwimmen oder anderen sportlichen Aktivitäten – verweigern. Auch die Sicherheit muss garantiert werden, etwa während der praktischen Kurse.“

Während des besagten längeren Gesprächs mit dem Vater habe dieser ihm garantiert, seine Töchter würden sich an diese Bedingungen halten. „Es gab bislang jedenfalls in beiden Punkten nichts zu beanstanden“, meint der Direktor.

Keine neue Problematik

Dass die Debatte um das Tragen der „signes ostentatoires religieux ou idéologiques“ sich nicht nur auf Frankreich begrenzen, sondern mit der Zeit auch auf Luxemburg überschwappen würde, zeigt bereits ein Rundschreiben der ehemaligen Bildungsministerin Mady Delvaux. Dieses Schreiben sorgte vor fast genau zwei Jahren für reichlich Diskussionen innerhalb der Gesellschaft. Die Unterrichtsministerium wies damals in einer ersten Phase darauf hin … „que de plus en plus souvent des élèves, pour des raisons de convictions religieuses, se présentent à l’école avec une tenue vestimentaire particulière, refusent de participer à certains cours ou sollicitent l’autorisation de pratiquer leur religion à l’école“ und wie man mit der Situation verfahren soll.

Die Problematik sei nicht neu, meinte jedenfalls am Mittwoch Bildungsminister Claude Meisch dem Tageblatt gegenüber. „Bislang wurde stets versucht, in solchen Situationen den Ball flach zu halten. Ob bei der Kopftuch-Frage oder wenn es darum geht, dass Schülerinnen sich nicht am Schwimmsport beteiligen wollen, wird versucht, individuelle Lösungen zu finden.“ Es würde jedoch schwierig werden, in einem freien Land den Menschen verbieten zu wollen, ihren Glauben auszuleben, so der Minister.

Man müsse jedoch genau darauf achten, ob die Menschen aus dem Glauben heraus handeln oder ob sie provozieren wollen. Hier bestehe ein Unterschied. Sollte Letzteres der Fall sein, dann würde die Toleranz, die in Luxemburg herrscht, auf die Probe gestellt werden.

„Ich weiß, dass dies eine Frage ist, welche sicherlich nicht Einstimmigkeit erlangen wird.“

Prinzipielle Antworten gewünscht

Das Lehrerkomitee scheint jedoch eine prinzipiellere Antwort anzustreben. Man möchte die Debatte nicht nur auf der Ebene der Glaubenssymbole führen wollen. „Es geht dem ‚Comité des professeurs‘ in keinster Weise darum, irgendeine Gemeinschaft zu stigmatisieren“, meinte gestern der Präsident des Wiltzer Lehrerkomitees, Jules Barthel, dem Tageblatt gegenüber. Im Gegenteil: die eigene Position trete hauptsächlich dafür ein, dass einerseits die Chancengleichheit zwischen Jungen und Mädchen respektiert wird und man andererseits gegen jede Form von Kommunitarismus innerhalb der öffentlichen Schule sei.

Das Tragen von Kleidern oder anderen Zeichen, die offensichtlich religiöser Zugehörigkeit seien, würde jedoch das Aufkommen und die Entwicklung eines solchen Kommunitarismus innerhalb der Schulgemeinschaft fördern.

Man stellt sich deshalb innerhalb des Lehrerkomitees und des Wiltzer „corps enseignant“ eine Reihe Fragen. Etwa die, ob das Tolerieren der „signes ostentatoires“ nicht andere, weitere Forderungen von Seiten integristischer Kreise aufkommen lassen werde. Auch fürchtet man, dass das Gleichheitsprinzip zwischen Jungen und Mädchen in Frage gestellt werden könnte.

Das Komitee würde sich deshalb zwei Sachen wünschen: Jegliche religiöse oder ideologische Zeichen, die gegen das Gebot der Neutralität und der Toleranz der öffentlichen Schule verstoßen, sollen innerhalb des Gymnasiums verboten werden. Man wünsche sich aber auch einen erweiterten Dialog. Sowohl mit allen Schülern, um sie mit den allgemeinen Aspekten der Thematik vertraut zu machen, als auch mit den Eltern der Kinder, um sie davon zu überzeugen, dass ein Verzicht auf das Tragen des Hidschab innerhalb der Schule im Interesse der Integration der Jugendlichen sei.

Das Wiltzer Lehrerkomitee hat deshalb sämtliche Professorenvertretungen der Sekundarschulen im Lande kontaktiert in der Hoffnung, diese würden sich solidarisch in ihrem Begehren zeigen.
Auch ist ein Schreiben in Ausarbeitung, in dem die Wünsche des Wiltzer Lehrerkomitees an den Bildungsminister, den Kultusminister und die Chancengleicheitsministerin formuliert werden.

Die Frage nach dem Platz des Religiösen, um die so lange von Seiten der Politik herumlaviert wurde, scheint sich nun konkret zu stellen. Vielleicht früher, als vielen aus politischen Kreisen, aus dem Schulwesen und der Gesellschaft lieb ist. Andererseits wurde diese Frage auch lange – wahrscheinlich zu lange – hinter einem Vorhang der Furcht vor öffentlichen Debatten verborgen.