Im Verfahren um versuchte Vergewaltigung bestellte Oberstaatsanwalt Cyrus Vance das New Yorker Zimmermädchen für Montag zu einer Besprechung in sein Büro. Der Anwalt der Frau, Kenneth Thompson, wertete die Vorladung gegenüber der „New York Times“ als weiteres Indiz dafür, dass Vance die Anklage gegen Strauss-Kahn zurückziehen will.
„Meine Interpretation ist, dass sie (die Staatsanwaltschaft) sie von dem Ende der Klage oder der Aufgabe einiger Anklagepunkte informieren wollen“, wurde Thompson am Samstagabend online von der Zeitung zitiert. „Es gäbe keinen Grund, sie zu treffen, wenn sie nicht den Rückzug antreten wollten“, führte der Anwalt der 32-jährigen Nafissatou Diallo aus Guinea. Sie hatte Strauss-Kahn der sexuellen Gewalt bezichtigt, sich aber anschließend in Lügen verstrickt.
Ein freier Mann?
Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg befragte ehemalige Staatsanwälte in New York nach ihrer Einschätzung und berichtete ebenfalls am Samstagabend (Ortszeit), dass die Rechtsexperten von dem bevorstehenden Ende des Verfahrens ausgehen. Strauss-Kahn, der bis zu seiner Anklage wegen versuchter Vergewaltigung als Chef des Weltwirtschaftsfonds tätig war, hat an diesem Dienstag den nächsten Gerichtstermin.
Die Entscheidung wird mit Spannung erwartet. Experten des amerikanischen Rechts tippen darauf, dass der Franzose, bis zu seiner Verhaftung am 14. Mai einer der mächtigsten Männer der Welt, mit einem blauen Auge davonkommt. Aber selbst wenn: In Paris wartet bereits die nächste Klage auf ihn, ebenfalls wegen sexueller Gewalt. Und sein Ruf ist seit der spektakulären Festnahme sowieso ruiniert. Die Chance, französischer Präsidentschaftskandidat zu werden, ist zudem verstrichen.
Anklage zurückziehen
Es spricht viel dafür, dass New Yorks Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurückzieht. In einem strafrechtlichen Verfahren wie diesem muss die Tat bewiesen sein, es darf keine Zweifel an der Aussage des mutmaßlichen Opfers geben. Das trifft auf den Fall Strauss-Kahn nicht zu.
Das New Yorker Zimmermädchen Nafissatou Diallo hat sich in Widersprüche verwickelt, auch nachweislich gelogen. So schilderte sie erst unter Tränen, wie sie in ihrer Heimat nacheinander von mehreren Männern vergewaltigt wurde, und gestand wenig später, die Geschichte erfunden zu haben.
Verunsicherte Staatsanwaltschaft
Damit steht die Anklage auf wackeligen Beinen, und Manhattans Oberstaatsanwalt Cyrus Vance droht sich die Finger zu verbrennen. Verunsichert wegen des Mangels an Glaubwürdigkeit der 32-Jährigen verzichtete Vance bereits auf die scharfen Auflagen des Hausarrests, denen sich Strauss-Kahn zunächst unterwerfen musste. Nur seine Pässe blieben einbehalten.
Nun muss die Staatsanwaltschaft Farbe bekennen. Glaubt sie, zwölf Geschworene von einem strafrechtlichen Vergehen überzeugen und den französischen Politiker hinter Gitter bringen zu können? Oder gibt sie auf? Die Entscheidung soll am 23. August fallen. Die Anwälte beider Seiten sind bemüht, Stimmung für ihren Mandanten zu machen.
DSK trifft Opfer
So berichtete das Magazin „Newsweek“ diese Woche, dass es bei der Begegnung zwischen dem wohlhabenden Strauss-Kahn und der Einwanderin aus Guinea in Westafrika, einer Witwe und alleinerziehenden Mutter, um Geld gegangen sein soll. Die Information wurde dem Magazin eigenen Angaben zufolge aus dem Kreis um Strauss-Kahn zugespielt.
Demnach stimmte Diallo angeblich Sex zu, schlug aber Alarm, als er nicht zahlen wollte. Beobachter schließen aus dem Vorgang, dass die Staranwälte des Angeklagten mit dieser Darstellung auch vor Gericht punkten wollen, sollte es denn zum Prozess kommen. Als „Opfer“, das um den Verdienst für einen Liebesdienst geprellt wurde, dürfte Diallo weniger Verständnis bei der Jury finden als als Opfer brutaler Gewalt.
„Verletzung, Vergewaltigung“
Dass Diallo in Strauss-Kahns Suite im edlen Sofitel-Hotel am New Yorker Times Square Gewalt erfuhr, soll inzwischen ein ärztlicher Befund bestätigt haben. Auch er sickerte diese Woche durch. „Ursache der Verletzung: Angriff. Vergewaltigung“, heißt es laut Medienberichten darin.
Strauss-Kahns Anwälte waren empört über die Veröffentlichung. Ebenso empört hatte der Anwalt des Zimmermädchens, Kenneth Thompson, auf das Gerücht reagiert, seine Mandantin betätige sich gelegentlich als Sexarbeiterin.
Am Ende Vergleich?
Beobachter des Justizkrimis schließen nicht aus, dass beide Seiten insgeheim bereits über einen Vergleich verhandeln. Thompson hat in Diallos Namen eine Zivilklage gegen Strauss-Kahn eingereicht. Die Entschädigung für das Zimmermädchen könnte Millionenhöhe erreichen. Ungewöhnlich war der Zeitpunkt der Klage – noch vor Abschluss des Strafprozesses.
Mittlerweile gibt es Stimmen, die in der Terminwahl einen klugen Schachzug zu erkennen glauben. Unter dem Druck beider Verfahren dürften Verhandlungen zwischen den Anwälten beider Seiten zügiger vorankommen, könnte Strauss-Kahn unter Umständen eher zu einem finanziellen Zugeständnis bereit sein und der Staatsanwaltschaft damit die Entscheidung erleichtern, besagt eine der Theorien.
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können