CNS: Der Staat muss Millionen nachzahlen

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LUXEMBURG - Sind der Pflegeversicherung entgegen dem Sozialversicherungsgesetz mit der Einführung der so genannten Quellensteuer im Jahr 2005 Beiträge in einer beträchtlichen Höhe verloren gegangen?

Diese Frage hat in letzter Instanz nun die „Cour d’appel“ mit Ja beantwortet. Der Staat wurde dazu angehalten, den finanziellen Schaden auszugleichen. Die Nachzahlungen könnten bis zu 50 Millionen Euro ausmachen.

„… les services de lEtat ont fonctionné de façon défectueuse … du fait de ce fonctionnement défectueux, la partie appelante a subi un préjudice important.“ Mit diesen Worten begründet der Oberste Gerichtshof in einem auf den 2. Mai datierten Urteil die Aufhebung eines Urteils des Verwaltungsgerichts vom 1. Juni 2010. Mit Letzterem war die Klage der „Caisse nationale de santé“ (CNS) gegen den Luxemburger Staat wegen des Nichtzahlens von Pflegeversicherungsbeiträgen abgewiesen worden. Nachträglich erhält nun also die Gesundheitskasse recht und der Staat muss die finanziellen Schäden begleichen. Ein genauer Betrag bleibt noch festzulegen, groben Hochrechnungen zufolge könnte es sich dabei aber um eine Summe von 40 bis 50 Millionen Euro handeln.

Gründe für die CNS-Klage

Aber wie kam es zu diesem Urteil? Welches sind die Gründe für die Klage der Gesundheitskasse gegen den Luxemburger Staat? Im Rahmen der „Assurance-dépendance“, die seit dem 1. Januar 1999 in Luxemburg gilt, erhebt die Steuerverwaltung den Pflegeversicherungsbeitrag. Hierbei handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um einen Sozialbeitrag auf Vermögenseinkünften, zu denen u.a. Kapitalerträge, Erträge aus der Vermietung von Gütern oder andere Netto-Einkommen gehören. Diese „contribution dépendance“ geht zu Lasten der Lohnsteuerzahler. Seit dem 1. Januar 2007 liegt der entsprechende Satz bei 1,4 Prozent, bis zum 31. Dezember 2006 war es 1 Prozent.

Mit dem Gesetz vom 23. Dezember 2005 wurde dann die sogenannte Quellensteuer auf Erträge von Zinseinkünften eingeführt (loi Relibi). Seit dem 1. Januar 2006 unterliegen damit bestimmte in Luxemburg erzielte Zinseinkünfte einer Privatperson mit gesetzlichem Wohnsitz in Luxemburg einer abgeltenden Steuer von 10 Prozent, die vom Institut erhoben wird, das die Zinsen zahlt.

Mit der Einführung der Quellensteuer aber – und genau hier liegt in diesem konkreten Fall das Problem – musste der Steuerzahler die betroffenen Einkünfte nicht mehr in seiner Steuererklärung anführen. Es sind aber diese Angaben, die die Steuerverwaltung benötigt, um den Beitrag für die Pflegeversicherung genau zu berechnen. Praktisch heißt das nichts anderes, als dass seit Anfang 2006 die entsprechenden Beiträge nicht mehr erfasst und dementsprechend auch keine Beiträge mehr an die Pflegeversicherung abgeführt wurden.

Urteil

Zu Unrecht befand die Gesundheitskasse, klagte gegen die Nichtzahlung bzw. für die Rückerstattung der fehlenden Beiträge. Letzten Endes mit Erfolg. Im Mittelpunkt des Urteils der „Cour d’appel“ steht dabei die Frage, ob mit der gesetzlichen Einführung der Quellensteuer auf der einen Seite die Steuerverwaltung auf der anderen Seite von ihrer Pflicht, die Beiträge für die Pflegeversicherung zu berechnen und zu erheben, entbunden wurde.

Der Oberste Gerichtshof ist in seiner Antwort formell: Da eine ausdrückliche Aufhebung der bestehenden Regelung fehle, habe die Steuerverwaltung – Quellensteuer hin oder her – nicht nur das Recht, sondern vielmehr auch die Pflicht gehabt, die entsprechenden Beiträge zu erheben und an die „Assurance dépendance“ abzuführen.

Schwierige Situation

Die „Cour supérieure de justice“ betont in ihrer Urteilsbegründung aber auch, dass sie sich der Tatsache durchaus bewusst sei, dass die Steuerverwaltung sich aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in einer schwierigen Situation befindet. Einerseits müssten Steuerzahler verschiedene Angaben bezüglich der von Quellensteuer betroffenen Einkünfte nicht mehr machen, andererseits benötige die Steuerverwaltung diese aber.

Schuld an diesem Umstand sei der Staat. Dieser hätte ein Reglement zur praktischen Ausführung erlassen müssen, wie die „Cour d’appel“ festhält, um der Steuerverwaltung die Mittel zu geben, die benötigten Zahlen einzufordern. Dies allerdings mit dem alleinigen Ziel, den Pflegeversicherungsbeitrag zu erheben.

Fazit: „LEtat et ses services n’ont pas fonctionné comme ils auraient dû le faire.“ Eine Dysfunktion, wie der Gerichtshof urteilt, die zweifelsfrei einem Fehler gleichzusetzen sei. Ein Fehler, der dem Kläger, der CNS, einen beträchtlichen Schaden zugefügt habe. Der Antrag der Gesundheitskasse sei demnach prinzipiell fundiert.

Entschädigung bleibt festzulegen

Was die genaue Summe der Entschädigung anbelangt, bleiben einige Unklarheiten bestehen bzw. einige Fragen zu klären. Zum Beispiel wird die Quellensteuer auf einem Bruttobetrag erhoben, während die „contribution dépendance“ auf einen Nettobetrag erhoben wird.

Zudem kommt nicht jeder Steuerzahler, der von der Quellensteuer betroffen ist, in den Genuss der Pflegeversicherung und zahlt dementsprechend auch keine Beiträge (z.B. EU-Beamte). Schließlich wird keine Quellensteuer auf Erträge erhoben, die weniger als 0,75 Prozent der Ausgangssumme oder 250 Euro ausmachen. Im Gegenzug wird der Beitrag für die Pflegeversicherung auf alle Beträge, die sich auf mehr als 24,79 Euro belaufen, erhoben.

Einigung

All diese Elemente führen dazu, dass es, wie man uns am Dienstag von Seiten der Krankenkasse erklärte, nun sehr schwer sei, genau einzuschätzen, wie hoch die geschuldete Summe sei. Ursprünglich hatte die CNS rund 19,4 Millionen Euro gefordert. Aktuell, also unter Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszins sowie ausgehend von den Einnahmen aus der Quellensteuer, könnte die von staatlicher Seite an die CNS zu zahlende Summe 40 bis 50 Millionen Euro betragen.

Die „Cour d’appel“ hat in diesem Sinne die „Wiedereröffnung“ der Gespräche angeordnet. Beide Parteien sollen sich in Bezug auf die Einschätzung des entstandenen Schadens einigen. Die CNS soll ihre Stellungnahme bis zum 20. Juni vorlegen, der Staat bis zum 5. September, bevor dann am 19. September eine „conférence mise en état“ stattfinden soll.