Ab der Austrittserklärung tickt die Uhr

Ab der Austrittserklärung tickt die Uhr
(AFP/Daniel Leal-olivas)

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Neun Monate nach dem Brexit-Referendum will Premierministerin Theresa May am 29. März offiziell erklären, dass Großbritannien die EU verlassen wird. Ab dann tickt die Uhr für die komplexen Austrittsverhandlungen zwischen beiden Seiten.

Premierministerin Theresa May will mit einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk Artikel 50 des EU-Vertrags auslösen. Dieser sieht eine zweijährige Verhandlungsfrist für den Austritt aus der EU vor. Für 13.30 Uhr (MESZ) ist eine Rede Mays im Londoner Parlament geplant. Tusk will den 27 anderen Mitgliedstaaten innerhalb von 48 Stunden nach Eingang des britischen Antrags einen Entwurf mit Richtlinien für die Brexit-Verhandlungen vorlegen. Die eigentlichen Verhandlungen könnten dann vier bis sechs Wochen nach Eingang des Antrags beginnen. Die Briten hatten am 23. Juni 2016 mehrheitlich für den EU-Austritt gestimmt. Das Vereinigte Königreich ist der erst Mitgliedstaat, der die EU verlässt.

Am Vorabend der offiziellen britischen Brexit-Erklärung hat das schottische Parlament den Weg für ein neues Unabhängigkeitsreferendum frei gemacht. Die am Dienstag mit 69 gegen 59 Stimmen angenommene Vorlage ermächtigt Regierungschefin Nicola Sturgeon, bei der britischen Regierung eine zweite Volksabstimmung über die Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich zu beantragen. (siehe Artikel)

Ein Überblick, wie die Gespräche ablaufen werden, an deren Ende die EU einen Mitgliedstaat und 64 Millionen Bürger weniger haben dürfte:

Wie erfolgt die Austrittserklärung?
Die EU erwartet am 29. März einen „Brief“ aus London, bei dem es sich um das Brexit-Gesuch handelt. Ein EU-Kommissionssprecher rechnete im Vorfeld mit einem Schreiben per Post, das womöglich gleichzeitig per Fax oder E-Mail dem Europäischen Rat der Mitgliedstaaten zugestellt werde.

Wie lange ist für die Austrittsverhandlungen Zeit?
Artikel 50 des EU-Vertrags nennt eine Frist von zwei Jahren. Gibt es bis Ende März 2019 keine Einigung, würde die britische Mitgliedschaft demnach auch ohne Abkommen enden. Eine Verlängerung ist notfalls möglich, sie müsste aber einstimmig von den anderen 27 Mitgliedstaaten gebilligt werden.

Beginnen die Verhandlungen sofort?
Nein, das wird voraussichtlich sechs bis acht Wochen dauern. Denn die EU-Staats- und Regierungschefs legen erst Richtlinien für die Verhandlungen fest. EU-Ratspräsident Donald Tusk will dafür „binnen 48 Stunden“ nach der britischen Brexit-Erklärung einen Entwurf vorlegen. Ende April oder Anfang Mai könnten sie nach Angaben aus EU-Kreisen dann auf einem Sondergipfel beschlossen werden. Danach muss ein Mandat für die Gespräche noch als Gesetz verabschiedet werden.

Wer leitet die Gespräche?
Geführt werden die Verhandlungen durch den Brexit-Beauftragten der EU-Kommission, den Franzosen Michel Barnier. Er hat bereits klar gemacht, dass die eigentlichen Gespräche bis Oktober 2018 abgeschlossen sein müssen, damit der Austrittsvertrag rechtzeitig vor den Europawahlen im Mai oder Juni 2019 von beiden Seiten ratifiziert werden kann.

Was wird zuerst verhandelt?
Barnier will dem Vernehmen nach in diesem Jahr drei Dinge verhandeln: den Umgang mit EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU, den Status der Grenze zu Nordirland sowie die „Austrittsrechnung“ an London. Dabei geht es um die Frage, welche langfristig zugesagten EU-Zahlungen London noch leisten muss – etwa für bereits pensionierte EU-Beamte. Hierüber dürfte hart gerungen werden, denn nach Angaben aus EU-Kreisen schätzt die Kommission die Forderung auf bis zu 60 Milliarden Euro.

Wer muss der Austrittsvereinbarung zustimmen?
Den Austrittsvertrag müssen laut Artikel 50 nach Zustimmung des Europaparlaments die verbliebenen 27 Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit billigen. Dies wären mindestens 20 Länder. May hat ihrerseits zugesagt, beide Kammern des britischen Parlaments über den Austrittsvertrag abstimmen zu lassen.

Wäre eine Übergangsvereinbarung möglich?
Um Chaos nach dem Austritt zu vermeiden, wird eine Übergangsvereinbarung erwogen. Teilregelungen der EU-Mitgliedschaft könnten dabei weitergelten, bis eine neue Lösung gefunden ist. May selbst schloss Mitte Januar eine „abgestufte Herangehensweise“ beim EU-Austritt nicht aus, auch wenn sie keinen „unbegrenzten Übergangsstatus“ will. EU-Ratspräsident Donald Tusk rechnet mit bis zu sieben Jahren, bis alle Fragen zum britischen EU-Austritt geklärt sind.