„Didi“ ist jetzt Franzose

„Didi“ ist jetzt Franzose
(AFP/AFP/Joel Saget)

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"Didi", der algerische Sicherheitsverantwortliche, der bei dem Attentat im Pariser Bataclan vielen Menschen das Leben rettete, wurde jetzt in Frankreich naturalisiert. Inmitten einer Polemik um die Band, die an dem Abend ein Konzert gab.

Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hat ihn persönlich angerufen, um ihm mitzuteilen, dass sein Antrag auf Naturalisierung angenommen worden sei. 105.000 Menschen hatten seinen Antrag in einer Petition an den französischen Präsidenten François Hollande unterstützt. Weiter baten sie darum, diesen „vergessenen Helden“ mit der Ehrenlegion auszuzeichnen.

„Didi“ war verantwortlich für die Sicherheit im Pariser Konzertsaal Bataclan, als am 13. November letzten Jahres, dort während eines Konzertes der Band Eagles of Death Metal, von den Attentätern 90 Menschen erschossen wurden.

200 Menschen gerettet

Noch während die Attentäter auf die Menschen im Saal schossen, kehrte Didi immer wieder in den Saal zurück, um weitere Türen und Notausgänge zu öffnen und so vielen Menschen die Möglichkeit zur Flucht zu bieten. Bereits gleich zu Beginn der Schießerei hatte er die linke Vordertür geöffnet, die Rettung für viele. Insgesamt verdanken ihm rund 200 Menschen ihr Leben.

„Im Nachherein sage ich mir, dass es vollständig verrückt war. Aber ich kannte den Saal auswendig. Ich tat, was ich tun musste, ohne darüber nachzudenken,“ erläuterte „Didi“ sein Vorgehen gegenüber den Kollegen von AFP. „Wenn Leute sich bei mir bedanken und in meinen Armen weinen, weiß ich, dass ich es nicht umsonst getan habe. da wird einem unheimlich warm ums Herz.“

Todesdrohungen

Seine genaue Identität will er nicht preisgeben, auch Bilder von ihm will er nicht veröffentlichen. Extremisten, die sich daran stören, dass Didi, ein Algerier und ein Muslim, Menschen gerettet hat, haben Todesdrohungen gegen ihn ausgesprochen.
Nach Frankreich kam er im Alter von sechs Monaten. Zwei Monate vor den Attentaten hat er seine französische Frau geheiratet.

Seine jetzige Naturalisierung fällt mitten in eine Polemik um Aussagen des Sängers der Band Eagles of Death Metal, die am 13. November das Konzert im Bataclan gab. Leadsänger Jesse Hughes hat gegenüber dem amerikanischen Taki Magazin in einem Interview Thesen aufgestellt, die von vielen Fans und Überlebenden vehement zurückgewiesen werden.

Eingeweiht?

Er habe Muslime noch während der Attacke auf der Straße tanzen gesehen. Diese hätten demnach gewusst, was drinnen passierte. Es habe also eine Koordination gegeben. Vorwürfe richtete er auch an die Türvorsteher. Diese seien in die Pläne der Terroristen eingeweiht gewesen, hätten die Terroristen gekannt und hätten gezielt alle muslimische Besucher gewarnt (Link)

Die Attentäter seien bereits vorher und früh im Saal gewesen und er habe Salah Abdeslam dort gesehen. Dieser gilt als Anstifter der Terrorattacken und einziger Überlebender der Terroristen und war an dem Abend ziemlich sicher nicht im Bataclan. Die ganze Attacke sei eine Art große muslimische Verschwörung gewesen, so Hughes.

Die Vorwürfe hatte Hughes bereits im März einmal erhoben. Damals meinte er auch, dass alles anders verlaufen wäre, wenn die Franzosen Waffen tragen würden. Hughes selber ist Mitglied des amerikanischen Waffenverbandes NRA (National Rifle Association), der amerikanischen Waffen-Lobby, Waffen-Lobby, die als eine der größten Interessengruppen bei politischen Wahlen in den USA gilt und sich für das bedingungslose Recht auf Waffenbesitz einsetzt.

Wirre Thesen

Hughes ist auch Anhänger des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.
Hughes ist gegen die Evolutionstheorie (Link)

Nach seinen Äußerungen im März hagelte es bereits heftige Kritik. Hughes zog seine Aussagen zurück und entschuldigte sich. Dass er seine wirren Thesen jetzt wiederholt, entsetzt seine Fans. Eine erste Konsequenz war, dass die Veranstalter der großen Festivals „Rock en Seine“ in Paris und „Cabaret vert“ in Charleville Mézières die Band für ihre geplanten Auftritte im kommenden August ausgeladen haben. Zudem distanzierten sich die Organisatoren ausdrücklich von Hughes Positionen.

Doch auch Fans übten mehr als heftige Kritik. Stellvertretend für sie hat sich der Marokkanische Regisseur Ismael el Iraki auf Facebook in einem offenen Brief an den Leadsänger gewandt. Ismael el Iraki war am 13. November im Bataclan und er verdankt sein Leben „Didi“, dem muslimische Sicherheitsverantwortlichen.

„Mir blutet das Herz“

„Um ehrlich zu sein, mit blutet das Herz“, schreibt Iraki, der am 13. November ebenfalls im Bataclan war und das Attentat überlebte. „Ich liebe deine Musik, deine Konzerte… und ich dachte niemals, dass du einer dieser Angstverbreiter werden könntest“….“Wir, die Fans haben dich immer geliebt und verteidigt, weil du ein liebenswerter Verrückter warst…, wie die Three Stooges (Komiker-Truppe) oder der Wolf von Tex Avery. Jetzt hast du bewiesen, dass deine Dummheit verdammt gefährlich ist“. Seine Kommentare hätten böse Wunden aufgerissen, so el Iraki weiter.

„Du sagst, dass die Security eingeweiht war und jeden Araber, den sie gesehen haben, gewarnt hat. …Ich bin Araber und sehe auch so aus…Ich lebe und atme Rock’n’roll und ich könnte nicht mehr nach Moslem aussehen, als ich es bereits tue“ … „Aber anscheinend hat die große muslimische Verschwörung mich übersehen. Verdammt, sie haben vergessen, mich zu warnen. Sie haben auch vergessen alle anderen Araber zu warnen, die an jenem Abend erschossen wurden. Und sie haben vergessen, meinen Marokkanischen Kumpel Amin zu warnen, der in dieser Nacht erschossen wurde“, kritisiert Iraki, der Hughes auch vorwirft, offensichtlich den Unterschied zwischen Muslim und Araber nicht zu kennen.

Er sei sich sicher, dass sich die Leute, denen er in dieser Nacht geholfen habe, sich nicht darum gekümmert hätten, dass er Araber sei. „Wir bluten alle rot, Bruder“, belehrt der Fan Hughes.

Er ging zurück

„Was mich am meisten schmerzt ist, dass du nicht einmal wahrnimmst, dass ein Großteil von uns, die es lebend aus dieser schrecklichen Tortur herausgeschafft haben, unser Leben einem Muslimen verdanken“, so Iraki. „Dieser Mann hat etwas getan, was weder du noch ich, noch sonst jemand, den ich je getroffen je getan hätte. Und weißt du was dieser arabische Kerl getan hat, dieser Muslim?“

„Er öffnete die linke Vordertür, ließ einen ganzen Haufen Leute raus und dann, obwohl er sicher und gesund draussen auf der Strassße war, ging er zurück. Er ging zurück, um noch mehr Leute zu retten.“… „Er war ein verdammter Held. Ein unbewaffneter, im Leben stehender Held von rotem Blut, den du gerade mit deinen rassistischen, hasserfüllten Kommentaren beleidigt hast. Du, der kein Held ist“.

„Rock ’n‘ Roll ist Liebe […] Ich hoffe du kannst erkennen wie falsch dieser Mist ist, den du verbreitest, ich hoffe, dass du all das siehst was du falsch machst. […] Finde einfach wieder zum wahren Gedanken des Rock ’n‘ Roll zurück“, so Iraki am Schluss. Der ganze Brief: Link

Am 23. August soll die Band in Luxemburg im Atelier auftreten.