Sonntag9. November 2025

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„Assad kann nur noch verlieren“

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Immer mehr arabische Nachbarländer wenden sich von Syriens Herrscher ab. Laut Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist Baschar al-Assad damit erledigt.

Nahezu täglich erhält man aus Syrien die gleichen Nachrichten: Panzer fahren auf, Tote – syrische Regierungstruppen schlagen den Widerstand der Demokratiebewegung blutig nieder. Die internationalen Reaktionen blieben lange Zeit verhalten bis still. Umso überraschender als ausgerechnet Saudi-Arabien, am Sonntag seinen Botschafter aus Damaskus abzog. Die im Fernsehen vorgelesene Erklärung des saudi-arabischen Königs Abdullah, Syrien solle die „Todesmaschinerie stoppen“, war deutlich.

Kuwait und Bahrain folgten dem saudischen Verbündeten mit dem Abzug ihres Botschafters. Zuvor hatte bereits die Arabische Liga Assad zu einem sofortigen „Ende der Gewalt gegen Zivilisten“ aufgefordert. Und auch die Türkei hat den Ton verschärft. Am Dienstag traf Außenminister Ahmet Davutoglu in Syrien ein, um dem syrischen Präsidenten eine «letzte Warnung» zu übermitteln.

Dass sich mehrere große Nachbarstaaten offen von Assad abwende, bringe Syrien an den Abgrund, sagt der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes: „Wenn die Amerikaner oder die Europäer Kritik üben, ist das eine Sache. Aber wenn es die Nachbarn sind, hört das Assad nicht gerne. Das macht das Regime nervös, da es sich bei diesen Ländern um Freunde handelte.“ Wenn sich Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait aber auch der Generalsekretär der Arabischen Liga kritisch über Assad äußern, verliere das Regime deutlich an Legitimität, so Perthes, was der Demokratiebewegung Aufwind verleihen könne.

Nervöser Assad

Entsprechend nervös wirke Assads Aussage auf den Besuch des türkischen Außenministers. Den türkischen Kompromissvorschlag schmetterte Assad ab und meinte stattdessen: „Wenn Sie Krieg wollen, dann können Sie ihn haben – in der ganzen Region.» «Das ist ein Versuch, die Krise zu externalisieren. Man droht damit, dass man kämpfen werde und die Region damit nicht mehr sicher ist: Wenn Syrien falle, falle die regionale Stabilität mit“, sagt Volker Perthes.

Tatsächlich wäre es den meisten Staaten am liebsten gewesen, wenn sich Assad hätte halten können. Die internationale Gemeinschaft fürchtet radikale Veränderungen und weiss nicht, was nach Assad kommen könnte und ob die staatlichen Institutionen weiter funktionieren würden. „Ein Bürgerkrieg könnte ausbrechen oder der Konflikt auf andere Länder wie den Libanon überschwappen. Assad spielt diesen Trumpf jetzt aus.“, erklärt Volker Perthes. „Die USA und eine Reihe europäische Regierungen haben zu lang an der Illusion festgehalten, dass Assad ein Stabilitätsanker sei. Und sie haben ihn für einen Reformer gehalten, weil sie sich das so wünschten. Israel war nicht daran interessiert, wie Assad regiert, sondern daran, dass er wie sein Vater den Waffenstillstand eingehalten hat.“

Jetzt scheint der syrische Präsident zu weit gegangen zu sein. Das zeigt sich insbesondere darin, dass mit Saudi-Arabien ein Land protestiert, das selbst keine Opposition zulässt und den Nachbarn Bahrain mit Militärtruppen zur Niederschlagung der Proteste unterstützt hatte: „Den Saudis geht es nicht um Demokratie, sie fühlen sich als muslimische Großmacht. Aber in Syrien wurde eine Grenze überschritten, bei der die Bevölkerung nicht mehr anständig behandelt wird. Es geht ihnen zu weit, wenn Panzer auf Wohnhäuser schießen und täglich Menschen umkommen“, sagt Perthes.

„Ein Modernisierer, aber kein Reformer“

Auch wenn Baschar al-Assad theoretisch die Armee noch zurückziehen, Reformen einläuten und möglicherweise gar seinen Rücktritt bekannt geben könnte, glaubt Volker Perthes nicht mehr an das Szenario. „Er ist ein Modernisierer, aber kein Reformer. Das war Assad von Anfang an nicht. Er stützt sich auf die Armee und hat es versäumt, eine pluralistische Gesellschaft zu schaffen.“ Bereits bei den ersten Protesten habe er mit äußerster Gewalt reagiert und diese als Produkt einer ausländischen Verschwörung abgetan. Würde er jetzt noch Reformen einleiten, würde er die Macht verlieren und gerade das wolle Assad nicht, so Perthes.

Dabei habe Assad bereits jetzt keine Chance mehr, meint der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Selbst wenn er die Proteste weiterhin blutig niederschlägt – Assad kann nur noch verlieren. Syrien braucht den Austausch mit anderen Kulturen und Investitionen. Wenn sich jetzt sogar die Nachbarstaaten abwenden, verliert er jegliche Legitimität. Er und das Regime können physisch zwar überleben, aber er wäre international isoliert.“ Das könne zur Folge haben, dass sich immer mehr Menschen trauen, auf die Straße zu gehen und Demokratie fordern. Auch Mitglieder in der Regierung, die einen weniger harten Kurs fahren, könnten bei wachsender Isolation den Absprung versuchen.

Internationaler Einsatz unrealistisch

Zu einem internationalen Eingreifen wie in Libyen werde es hingegen kaum kommen, meint Perthes. Einerseits würde eine Resolution an den Veto-Stimmen Chinas und Russlands im UNO-Sicherheitsrat scheitern, andererseits sei sowieso niemand für einen Nato-Eingriff. Auch die syrische Opposition nicht. Diese bestehe aus einer relativ breiten Masse junger Menschen, die keine Namen haben, „Das ist auch gut so, denn nur so konnten sie so lange durchhalten. Ansonsten würden sie leicht gefunden und verhaftet.“

Helfen würde der Oppositionsbewegung, wenn die internationale Gemeinschaft Assad klar zum Rücktritt auffordern würde. Dies würde die Legitimität des Regimes weiter schwächen und die Protestbewegung ermutigen. Laut US-Regierungskreisen will das Weiße Haus Assad noch diese Woche zum Rücktritt auffordern. Dies wäre ein richtiger Schritt, meint Perthes, doch die Europäer und arabischen Nachbarstaaten müssten folgen.