Zwei „Humpejangen“ auf Konfrontationskurs (mit der Geschichte)

Zwei „Humpejangen“ auf Konfrontationskurs (mit der Geschichte)

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Serge Ecker und Misch Feinen haben in Zusammenarbeit mit der Fonderie Massard aus Kayl 80 kleinformatige „Humpen“ angefertigt, welche mehr als nur eine Geschichte erzählen.

„Man muss erst mal eine Sensibilität für das entwickeln, was sich um einen herum abspielt. Es geht darum, beobachten zu lernen“, erklärt Serge Ecker, als er von der gemeinsamen Erkundungstour mit Misch Feinen auf dem ehemaligen Arcelor-Gelände in Schifflingen spricht. Die gebürtigen „Minettsdäpp“ hatten das Areal vor knapp zweieinhalb Jahren durchforstet, um ein Stück Luxemburger Geschichte, das sich langsam, aber sicher zersetzt, fotografisch festzuhalten.

„Wir agierten in diesem Kontext weniger als Künstler, vielmehr waren und sind wir Sammler von vergänglichen Spuren“, fügt Feinen hinzu. Eine dieser Spuren war zumindest zum damaligen Zeitpunkt noch unübersehbar. Ein alter, krummer und 20 Kubikmeter umfassender Humpen stand recht unmajestätisch inmitten des stählernen Friedhofs – und doch wohnte ihm laut den zwei Besuchern des unverhofft zum Freilicht-Museum gewordenen Ortes eine ganz eigene Monumentalität inne. Es handelte sich bei diesem Humpen nicht etwa um den formvollendeten feuchten Traum eines jeden Bier-Aficionados, sondern um jenes Transportgefäß, das – mit Ausnahme der jüngeren Generation – wohl noch viele Einwohner des Großherzogtums als „Schlakekiwwel“ kennen.

Serge Ecker und Misch Feinen

3D-Drucker trifft auf Tradition

Die Entdeckung ebnete den Weg für die künstlerischen „Humpejangen“. Statt die alte Konstruktion sich selbst zu überlassen, entschieden beide, sie erst zu dekonstruieren, um in der Folge zur Rekonstruktion überzugehen. Mithilfe digitaler Kameras entstand das nötige Material für einen 3D-Scan, der Humpen wurde dementsprechend zumindest digital in seine Einzelteile zerlegt. Ein 3D-Drucker lieferte dann das Modell, das zur späteren Vervielfältigung in der in Kayl ansässigen Fonderie Massard benötigt wurde.

Es wurde also etwas Neues geschaffen, um etwas Altes zu erhalten. Ecker und Feinen sehen sich indes nicht als Konservatoren. „Ich bin der Erste in meiner Familie, der nicht Handwerker geworden ist und studieren durfte“, erklärt Misch Feinen, der nichtsdestotrotz oder gerade deswegen mit ein wenig mehr Distanz zum Thema immer wieder versucht, die berufliche Vergangenheit seiner Familie sowie seines Umfeldes in seinem künstlerischen Schaffen aufzugreifen.

Spirit of the Humpen

Auch Serge Ecker profitiert davon, quasi ein „témoin de la deuxième génération“ zu sein, um sich sachlich mit der Industriegeschichte der Region auseinanderzusetzen und sie kritisch zu hinterfragen: „Ich versuche, die typische Nostalgie aus meiner Arbeit rauszuhalten, also zumindest den emotionalen Teil davon, denn dieser birgt Risiken. Es existiert eine bestimmte ‚Arbeds-Romantik‘, die nicht der Realität entspricht. Die Arbeitsbedingungen waren nicht einfach, man war beispielsweise häufig starken Temperaturwechseln von 50 Grad plus bis hin zu 15 Grad minus ausgesetzt. Das war harte Arbeit – auch, wenn sie auf manchen Fotos ’schön‘ daherkommt.“ Feinen ergänzt: „Wie sagt man so schön: Die gute alte Zeit war schön, weil sie vorbei ist.“

Im Rahmen dieser Zusammenarbeit konnten die zwei Mittdreißiger viel von den Fachmännern der Fonderie Massard lernen, welche beiden zufolge nicht nur Professionalität, sondern auch Offenheit und Experimentierfreude bewiesen. „Sie legten einen unglaublich erfrischenden Pragmatismus an den Tag, wenn es darum ging, Lösungen zu finden, und schritten zur Tat, statt – wie man das sonst von manchen Kunstprojekten kennt – stundenlang zu diskutieren“, berichtet Ecker.

Keine Profilneurose

Überhaupt weicht die Kunstdebatte bei gerade diesem Projekt etwas vom konventionellen Weg ab. Für Ecker und Feinen stehen die Idee und der Entstehungsprozess im Vordergrund. Auch kommt der Mischung von traditioneller Handwerkskunst und digitalen Werkzeugen eine wichtige Rolle zu. „Es ging hauptsächlich um die Recherche, aus der nun eben ein Objekt entstanden ist“, merkt Serge Ecker an, der sich einerseits ohnehin eher vom Künstlerbegriff distanziert und es andererseits auch vorzieht, wenn das von ihm Erschaffene von seiner Person losgelöst wahrgenommen wird. Das Duo hält nicht viel von Profilneurosen innerhalb der Kunstszene und verzichtet in diesem Fall darauf, den Humpen mit einer sichtbaren Signatur zu verzieren.

„Ginge es uns um uns, so hätten wir Abdrücke unserer Gesichter gemacht“, meint Feinen, während Ecker schmunzelnd, den Inbegriff des Egozentrismus verunglimpfend, hinzufügt: „Oder unsere ‚Couillen‘.“ Die kleinen Humpen sind nun in einer limitierten Auflage erhältlich. Man entschied sich bewusst für eine geringe Stückzahl. „Dies ist kein einfaches Souvenir und beileibe auch keine neue RTL-Tasse“, verspricht Feinen abschließend.