Penthelisea, die Königin des Frauenvolkes der Amazonen, verliebt sich auf dem Schlachtfeld während des trojanischen Krieges in den griechischen Helden Achilles. Doch eine Amazone darf nur denjenigen zum Mann nehmen, den sie im Kampf besiegt hat. Was bei Achilles aber nicht so einfach ist. Mit ihren Gefühlen verstößt Penthesileas gegen die Regeln der Gesellschaft, der sie als Königin vorsteht. Männer dienen bei den Amazonen nur, um Nachwuchs zu zeugen.
Infos
Autor: Heinrich von Kleist
Regie: Stefan Maurer
Bühne u. Kostüme: Anja Jungheinrich
Dramaturgie: Andreas Wagner
Mit: Monke Ipsen, Nora Koenig, Daniel Mutlu, Germain Wagner
Eine Koproduktion: Théâtre national du Luxembourg, Pfalztheater Kaiserslautern
Ort der Produktion: Théâtre national du Luxembourg
Weitere Vorführungen: Dienstag (05.05.15) sowie am 10., 12. u. 13. Mai, jeweils um 20 Uhr
Kleists Krieg der Geschlechter ist ein Thema, das bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Es geht um die Konflikte von Menschen, die sich nicht zu ihren Gefühlen bekennen können, in einer Gesellschaft, die Emotionen als schwach ansieht und die von einer Buchhaltermentalität gekennzeichnet ist. Dem Regisseur Stefan Maurer gelingt es in seiner Inszenierung, diese Modernität heraus zu arbeiten.
Das Stück – von Kleist 1808 geschrieben – gilt vielen zumindest als sehr schwer aufführbar, was wohl ein Grund sein mag, dass es erst 1878 uraufgeführt wurde. Heute dürfte ein Grund für diese Meinung zum einen die antiquierte Sprache von Kleist sein, die zeitgenössischen Ohren mehr als fremd vorkommen mag. Zweiter Grund dürfte die Länge des Stücks und die Anzahl der Personen sein. All dies zusammen würde den heutigen Zuschauer wohl etwas verwirren.
Stefan Maurer hat diese Hindernisse umschifft, indem er den Text stark kürzte und die Figuren auf vier reduzierte: Penthesilea (Nora Koenig), Achilles (Daniel Mutlu), Monke Ipsen (Prothoe) und Odysseus (Germain Wagner). Die Straffung gelingt Maurer ohne nennenswerten Verständnisverlust.
Aktualität
Zudem hat die Bühnenbildnerin das Stück mittels einiger Requisiten im Hier und Jetzt verankert. Ein großes Bild mit einer Kriegsszene aus dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg steht als Hintergrund vor vier quadratischen Tischen, die in einem Rechteck aufgestellt sind. Spontan kommt einem das Bild eines Konferenzraums in den Sinn. Zum Anfang des Stücks sitzen links Achilles und Odysseus, am rechten Rand Penthesilea und Prothoe. Alle sind in marineblaue Kostüme und weiße Hemden gekleidet, die das Businessimage verstärken. Hier verhandeln zwei Parteien um ein Geschäft. Nur das Geschäft ist der Krieg, und verhandelt wird über Leben. Die Metapher für das heutige Geschäftsleben ist überdeutlich.
Zudem sprechen die Schauspieler in einigen Szenen direkt an der Rampe. Penthesilea steigt sogar einmal ins Publikum und spricht zu einem Zuschauer. Für einen Moment werden die Grenzen zwischen Zuschauer und Schauspieler verwischt. Es ist zwar kein revolutionär neues Regie-Instrument von Maurer, aber ein effizientes, um zu sagen, dieses Stück geht uns heute noch etwas an.
Konsequent durch das Stück benutzt Maurer das „Gendercrossing“, um die Situation der Geschlechter im Verhältnis zueinander zu verdeutlichen. Frauen können sich nur behaupten, wenn sie sich wie Männer benehmen. Alle Figuren zeigen sowohl männliche wie weibliche Züge, aber Penthesilea zerbricht an diesem Widerspruch. Nachdem sie ihren Geliebten getötet hat, bringt sie sich selbst um. Als Königin muss sie stark sein und gegen ihre Gefühle handeln, doch es sind diese Gefühle, denen sie erliegt. Am Ende erkennt sie, dass die Regeln, die sie befolgte, überholt sind. Nora Koenig spielt die Penthesilea auf überragende Art und Weise. Mit blonder Mähne, provokativ und frech auftretend, lässt sie vor dem Zuschauer die Figur eines Mannweibs entstehen, das innerhalb einer Beziehung resolut die Führung übernimmt.
Aber sie kann auch anders, und verwandelt sich später (für wenige Momente) in eine verliebte und zärtliche Frau, die sich ihren Gefühlen hingibt.
Wermutstropfen
Auch die beiden griechischen Helden Achilles und Odysseus üben sich im Gendercrossing, was so bei Kleist wahrscheinlich nicht vorgesehen war. Die zweite Szene von Maurers Inszenierung fängt an mit einer Tanzszene von Achilles und Odysseus, eine Szene, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt, und nicht nur, weil Germain Wagner offensichtlich mit Tanzen nichts am Hut hat.
Die beiden Männer bewegen sich in lilafarbenen Tutus auf die französische Version des Liedes „Bang Bang (My Baby Shot Me Down)“ von Sheila. Das Lied wurde zwar in einigen Filmen benutzt, doch Maurers Szene ähnelt doch auffallend sehr einer Tanzszene aus François Ozons Kurzfilm „Une robe d’été“ aus dem Jahre 1996: Fast identische Szene mit gleicher Musik. Journalisten und andere Autoren werden – mit Recht – gemaßregelt, wenn sie nur ein paar Zeilen abschreiben. Beim Theater spricht man aber wohl eher vom „Überlappen verschiedener Kunstformen“.
Trotzdem: Eine gelungene Aufführung eines „unaufführbaren“ Stückes.
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