Eine schmerzliche Geschichte

Eine schmerzliche Geschichte
(Kasemattentheater)

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Fast zehn Jahre nach dem Tod ihres Kindes treffen sich Mann und Frau wieder. Am Ort, an dem ihr Kind begraben liegt. Désirée Nosbusch und Germain Wagner zeigen im Stück "Gift" anspruchsvolles Theater.

Am 31. Dezember um 19.10 Uhr machte er die Tür hinter sich zu und ging seiner Wege. Seither haben sie sich nicht gesehen, nicht gesprochen, nicht geschrieben. Bis ein offizieller Brief sie zum Friedhof bestellte, wo das Grab ihres Sohnes verlegt werden soll, weil der Boden angeblich verseucht ist.

„Gift“ – von Lot Vekemans mit Désirée Nosbusch und Germain Wagner

Kasemattentheater
12,, rue du Puits
L-2355 Luxemburg
Tel.: +352 29 12 81
Am 8., 11., 12., 14. und 19. März um 20 Uhr
www.kasemattentheater.lu

Gemeinsame Erinnerungen

Die letzte gemeinsame Szene ist beiden auch nach zehn Jahren noch sehr bewusst. Sie weiß noch ganz genau, wie die Tür klang, als sie einschnappte, er erinnert sich an jede Kurve, die er nahm, an jeden Gedanken, der immer wieder die Frage nach der Rückkehr in sich trug.

An seine Liebe denkt das Paar nicht mehr zurück. Was bleibt, sind die Momente des Unverständnisses, die Zurückweisung jedes Kompliments oder auch nur des kleinen Versuches, aufeinander zuzugehen.

Beide haben verschiedene Wege eingeschlagen, mit dem Tod des Kindes umzugehen. Er hat in Frankreich versucht, ein neues Leben aufzubauen, mit einer neuen Frau, die ein Kind von ihm erwartet. Sie ist in ihrem alten Dasein stecken geblieben, sie klammert sich an ihr Leiden, weil nur darin noch ein Teil ihres alten Lebens weiterbesteht. Die Situation ist festgefahren, hinter den Schauspielern fragt sich der Zuschauer, wie es weitergehen soll, wo ein Ausbrechen aus der Unfähigkeit zum Dialog überhaupt noch möglich ist. Hat er mehr Verständnis für den Mann, der ausgebrochen ist, um nicht zusammenzubrechen? Oder fühlt er sich näher zu der Frau, die in ihrem doppelten Verlust stecken geblieben ist?

Erst allmählich kommt sich das (namenlose) Paar wieder näher, redet nicht mehr aneinander vorbei, sondern hört dem anderen zu. Und so haben sie einander am Ende zwar nicht verziehen, aber doch verstanden und akzeptiert.
Das „Stück für zwei Schauspieler“ der niederländischen Autorin Lot Vekemans ist kein einfaches Theater. Nosbusch und Wagner stehen nicht auf einer Bühne, sondern praktisch im Zuschauerraum, mitten im Publikum. Sie sprechen mit den Worten, die die Menschen hinter ihnen täglich gebrauchen, sie durchleben Situationen, die alle kennen und teilweise auch schon erlebt haben.
Allein ihre Gesten, ihre Mimik, ihr Zusammenspiel tragen den Zuschauer anderthalb Stunden lang durch einen Stoff, der in dieser Form in unserer Spaßgesellschaft nur sehr selten auf der Bühne zu sehen ist.

Eine echte „condition humaine“

Sie schlüpfen in die Haut der zerrütteten Partner, sie sind im Ausdruck ihres Schmerzes so glaubhaft, dass der Zuschauer mitunter den Eindruck hat, im Hinterzimmer des Psychologen zu sitzen. In einer echten „condition humaine“ hat Lot Vekemans einen subtilen Dialog um die unvorstellbare Dimension der Trauer um ein Kind erstellt. Sie zeigt Anklage, Wut, Verzweiflung, Gleichgültigkeit, aber auch die Suche um Vergebung und den Wunsch nach Nähe.