Assia Djebar verstorben

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Assia Djebar war eine der renommiertesten Autorinnen aus dem Maghreb. In ihren Romane brach sie das Schweigen über Verbrechen des Kolonialsystems und thematisierte den Geschlechterkampf.

Assia Djebar kämpfte für die Emanzipation algerischer Frauen und die demokratische Erneuerung Algeriens. Auch wenn sie von sich selber behauptete, keine politische Schriftstellerin zu sein, galt sie als eben solche. Die Autorin starb am Freitagabend in einem Krankenhaus in Paris.

Ihre Romane und Filme handeln von der Geschichte ihres Heimatlandes, vom Kolonialismus und der Rolle der Frau in der islamischen Welt. Die 78-Jährige wurde in ihrem Land zum Symbol weiblicher Emanzipation und galt als wichtigste Schriftstellerin des Maghreb und als eine der begabtesten und vielseitigsten Schriftstellerinnen der islamischen Welt.

Mitglied der Académie française

Die Autorin war unter anderem Mitglied der Académie française. Sie hat in ihrem Werk ein Zeichen der Hoffnung gesetzt für die demokratische Erneuerung Algeriens, für den inneren Frieden in ihrer Heimat und für die Verständigung zwischen den Kulturen. Den vielfältigen Wurzeln ihrer Kultur verpflichtet, hat Djebar einen wichtigen Beitrag zu einem neuen Selbstbewusstsein der Frauen in der arabischen Welt geleistet.

Bereits als 20-Jährige wurde Djebar, als Fatima-Zohra Imalayène in Cherchell an der nordafrikanischen Küste geboren, die Françoise Sagan Algeriens genannt. Denn statt mit zehn Jahren die Schule zu verlassen, besuchte sie das französische Gymnasium in Blida. Anschließend bereitete sie sich an der Universität in Algier und in Paris auf die Aufnahmeprüfung für die renommierte Elite-Hochschule Ecole Normale Supérieure de Sèvres vor. Sie war die erste Algerierin, die dort zum Studium zugelassen wurde.

Algerischer Befreiungskampf

Doch statt für die Examen zu büffeln ging sie aus Solidarität mit dem algerischen Befreiungskampf auf die Barrikaden. In zwei Monaten schrieb sie in jener Zeit, als ihr Bruder verhaftet wurde und in französische Gefängnisse kam, ihren ersten Roman: „La Soif“ (1957), der 1993 unter dem Titel „Die Zweifelnden“ auf Deutsch erschien. Das Debüt war gleich ein Erfolg und machte sie berühmt. Auch in anderen Hauptwerken, unter anderem „Les Impatients“ („Die Ungeduldigen“, 1958), thematisierte sie den Unabhängigkeitskampf und die Situation algerischer Frauen.

Der Lebensweg der Tochter eines algerischen Lehrers war von Unruhe und Mut zugleich geprägt: Sie heiratete 1958 einen Widerstandskämpfer, der im Untergrund lebt, und folgte ihm nach Tunis. Ein Jahr später wechselte sie an die Universität in Rabat/Marokko. 1960 entstand ihr erstes Theaterstück, 1962 wurde sie Lektorin für nordafrikanische Geschichte an die Uni Algier. Nach ihrer Rückkehr nach Paris 1965 widmete sie sich dem Theater und belieferte algerische Medien mit Literatur- und Filmrezensionen.

Zurück in die Heimat

1974 ging sie in ihre Heimat zurück, lehrte Theaterwissenschaften und betrieb nach ihrer Scheidung historische Forschung über Familien- und Frauenbiografien. Nach langem Aufenthalt beim Stamm ihrer Mutter, den Beni Menacer, entstand ihr erster Film für das algerische Fernsehen, der 1979 auf der Biennale von Venedig den Preis der internationalen Kritik erhielt.

Anfang der 70er begann sie, klassisches Arabisch zu studieren, und wendete sich dem Film und Theater zu. Nach einer zehnjährigen Schreibpause und ihrer Heirat mit dem algerischen Dichter Malek Alloula folgten wieder neue Romane, darunter „Die Frauen von Algier“ (1994).

Geschichte und Gegenwart des Maghreb

1983 begann sie einen Dreiteiler über Geschichte und Gegenwart des Maghreb. Im Roman „Nirgendwo im Haus meines Vaters“ erzählte sie von einer Jugend in zwei Kulturen.

Für Aufsehen sorgte Djebar auch mit dem Roman „Weißes Algerien“, der besonders politisch geprägt ist. Auf 240 Seiten beschrieb sie zugleich ihr Entsetzen über die Kontinuität der Gewalt und die Liebe zu ihrem Heimatland. Das Buch kam 1996 gleichzeitig in Frankreich und Deutschland heraus.

Für ihr Gesamtwerk wurde sie 1996 von einer internationalen Jury an der Universität von Oklahoma mit dem bedeutendsten Literaturpreis der USA, dem Neustadt-Literaturpreis, ausgezeichnet.

Für Djebar selbst war Schreiben ein „Alarmsignal“, eine Zwiesprache mit den Opfern der Gewalt. „Solange man lebt, durchströmt einen das Bedürfnis zu erzählen als einziger Antrieb.“