Mit Brecht nach Berlin

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LUXEMBURG - Am Montag (02.05) ist es genau 20 Jahre her, dass der in Esch geborene Schauspieler Jos Noerden, der am Berliner Ensemble von Bertolt Brecht Karriere machen sollte, verstarb.

Einen Tag, nachdem Bertolt Brecht als potenzieller „enemy alien“ vor dem McCarthy-Ausschuss für unamerikanische Umtriebe des Repräsentantenhauses aussagen musste, packte er mit seiner Frau Helene Weigel im Frühjahr 1947 die Koffer im kalifornischen Exil und kehrte ins kriegszerstörte Europa zurück.

Auf seiner Zwischenstation in Zürich, wo er Mitglieder für sein zukünftiges Ensemble zusammenstellte und die Lage im aufgeteilten Berlin aus der Ferne sondierte, sprach ein junger Schauspieler vor, der gerade dabei war, in Zürich ein Schauspielstudium zu absolvieren: Jos Noerden.

Schweizerkas

Ähnlich wie 20 Jahre zuvor ein gewisser René Deltgen, kam auch dieser junge Mann aus Esch-Alzette, einer Arbeiter-„Metropole“, von der der proletarisch gesinnte Brecht sicherlich noch nie etwas gehört hatte.

Jos Noerden folgte Bert Brecht nach Berlin und spielte von 1949 bis 1953 unter dessen Regie den Schweizerkas, Sohn der von Helene Weigel verkörperten „Mutter Courage“ (das im Exil geschriebene Stück war 1941 in Zürich mit Therese Giehse als Mutter Courage uraufgeführt worden und erlebte auch danach noch die eine oder andere „Erstaufführung“), wie er auch kleinere Rollen in anderen Stücken des noch obdachlosen Berliner Ensembles übernahm.

So konnte man ihn in der Molière-Adaptation „Don Juan“, in J.M.R. Lentz’ „Hofmeister“ u.a. erleben. Noerden lehnte es aber ab, 1954 – zwei Jahre vor dem Tod des Meisters – ans „neue“ Schauspielhaus am Schiffbauerdamm, das fortan legendäre Berliner Ensemble, zu folgen.

In den Westen

Hier war 1928 die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ erfolgt, hier wollte Brecht sein episches Theater weiterentwickeln. Noerden dagegen ging in den Westen, ans Schiller-Theater in Charlottenburg, und spielte dort in zahlreichen Klassikern (u.a. in Schillers „Räuber“ unter der Regie des berüchtigten Fritz Kortner) und modernen Stücken von Harold Pinter, Sean O’Casey u.a. mit.

Eine Filmkarriere wollte sich nicht so recht entwickeln, obwohl Noerden 1951 in der Literatur-Verfilmung „Corinna Schmidt“ (nach einem Roman von Theodor Fontane) mitwirken durfte und anscheinend auch überzeugen konnte. Der Film ist in Vergessenheit geraten.

Mit bekannten Schauspieler-Kollegen wie Bernard Minetti trat Noerden für den einen oder anderen Leseabend in Luxemburg auf, führte auch Ende der Sechzigerjahre Regie am Kasemattentheater – im Escher Stadttheater dagegen ist er nie aufgetreten.

Mit dem Journalisten, Chronisten und Kino-Enthusiasten Evy Friedrich verband ihn eine lebenslange Freundschaft; wenn Friedrich für die Berlinale in die heimliche Hauptstadt Westdeutschlands fuhr, gewährten ihm die Noerdens Unterkunft.

Tabak und Alkohol

Jos Noerden, zeitlebens ein starker Raucher und Trinker, starb 1991 nach längerer Krankheit in seiner (inzwischen wiedervereinigten) Wahlheimat Berlin. In seinen späteren Berufsjahren konnte er nicht mehr an die Erfolgsjahre seiner Anfangszeit anknüpfen und demnach auch nicht alle vom großen „B“ in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen.

Das Charlottenburger Schiller-Theater wurde zwei Jahre nach seinem Tod durch Senatsbeschluss geschlossen, und dient inzwischen der sanierungsbedürftigen Staatsoper „Unter den Linden“ als provisorische Spielstätte.

Seine deutsche Frau starb 2003 unverhofft in Berlin.

Sein 1965 geborener Sohn Jean lebt dagegen nach wie vor im Elternhaus in der Kantstraße 141, unweit vom legendären Savigny-Platz und der Künstlerkneipe „Diener-Tattersaal“, die von Schauspielern, Künstlern, Bohemiens und Kulturtouristen nach wie vor gerne heimgesucht wird.