Mut zur Unsicherheit

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Das Leben besteht aus Entscheidungen. Und eine Entscheidung für etwas beinhaltet auch immer eine Entscheidung gegen etwas anderes. Doch wer keine Entscheidungen trifft, der lebt nicht, der wird gelebt.

Nathalie Ronvaux weiß das. Etwas mehr als sechs Jahre ist es nun her, dass sie den Schritt wagte und ihren sicheren Job bei der Handwerkskammer an den Nagel hängte.

„Natürlich war das ein bisschen verrückt“, sagt sie heute und lächelt. „Doch ich musste es tun.“ Ansonsten hätte sie nie die Zeit und Energie gehabt, sich das aufzubauen, was sie heute hat: viele Erfahrungen als Regieassistentin und Regisseurin und vor allem geschriebene und veröffentlichte Bücher, Poesiebände und Theaterstücke. Erst im November kam bei den Editions phi der Gedichtband „Vol de nuit à ciel ouvert“ und bei Hydre éditions das Theaterstück „La vérité m’appartient“ von ihr heraus.

Aber der Reihe nach: Wie gesagt, als Angestellte bei der Handwerkskammer ging es ihr nicht wirklich schlecht, ein sicheres Einkommen, geregelte Arbeitszeiten und Arbeit, die zwar nicht begeistert, aber auch nicht langweilt. Dennoch wollte Nathalie etwas anderes. Sie merkte, dass sie nicht ihr Leben lang so weitermachen wollte, dass sie nach etwas anderem suchte. Aus einer Laune heraus warf sie hin, mit dem Vorhaben, den Beruf der Regisseurin zu erlernen. „Ich gab mir ein bis zwei Jahre“, erzählt sie, „wenn ich bis dahin im künstlerischen Milieu nicht Fuß gefasst habe, gehe ich zurück.“

Richtige Entscheidung

Natürlich war es schwer, erinnert sich Nathalie. Du hast zwar kein festes Einkommen mehr, aber weiterhin feste Rechnungen, die jeden Monat kommen. „Mein größter Feind war mein Briefkasten“, sagt sie. Dennoch: Sie spürte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie arbeitete an verschiedenen Theatern des Landes als Regieassistentin, bekam sogar eigene Regieaufträge. Gleichzeitig verbrachte sie viel Zeit am Schreibtisch zu Hause und schrieb, vor allem Gedichte. Aus einer Laune heraus traute sie sich dann, ihre Manuskripte ein paar Freunden zu zeigen. So ging sie dann los, ihre Karriere als Schriftstellerin. 2010 gewann sie den „Prix d’encouragement“ der Fondation Servais für ihr Manuskript „Vignes et louves“. Nathalie Ronvaux schmiss ihren sicheren Job hin, um Regie zu lernen, und wurde Schriftstellerin. Das hätte niemand gedacht, sie auch nicht. Heute ist sie gut aufgestellt: „Ich hatte Glück und habe immer zum richtigen Augenblick die richtigen Leute getroffen“, sagt sie bescheiden. Von der Schriftstellerei zu leben, ist allerdings für Nathalie auch heute noch unmöglich. Sie hat einen Kompromiss gefunden, arbeitet halbtags bei der CEPA und hat trotzdem noch genug Zeit für das Schreiben. So lebt sie nicht immer mit der Angst vor dem Briefkasten und hat dennoch das Gefühl, ihre Träume zu leben.

„In Luxemburg hat man es schwer als Künstler“, sagt sie, das Kulturministerium kenne seine Künstler nicht, wisse nicht, wie kulturelle Einrichtungen arbeiteten. „Unser Ministerium sollte Kunst und Künstler verteidigen, darin liegt seine Existenzberechtigung. Sonst brauchen wir kein Kulturministerium.“

Wie so viele aus dem Milieu ist auch Nathalie enttäuscht. Doch was solle man schon erwarten von einer Kulturministerin, die oberflächliche Fragebögen verschickt und öffentlich sagt, sie möge keine Poesie?