King Kong muss noch warten: Boxer Michel Erpelding scheidet in Minsk aus

King Kong muss noch warten: Boxer Michel Erpelding scheidet in Minsk aus

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Michel Erpelding ist die neue Hoffnung am Luxemburger Boxhimmel. Der 24-Jährige trainiert in Nordirland mit einer lebenden Legende, fürchtet sich im Ring nicht vor übermächtigen Gegnern und will in Zukunft Profi werden. Am Freitag musste er in der ersten Runde in Minsk jedoch Lehrgeld zahlen.

Der Wettkampftag begann für Michel Erpelding bereits um 7.00 Uhr. Wiegen war angesagt. Kein Problem für den 90-Kilogramm-Mann, der erst im vergangenen Januar vom Halbschwergewicht in das Schwergewicht (-91 kg) wechselte. Das lästige Abnehmen vor den Wettkämpfen fällt für ihn deshalb weg. Die Nervosität bleibt jedoch. „Vor einem Kampf könnte mir sogar Mickey Mouse Angst einjagen, wenn ich dann im Ring stehe, würde ich es sogar mit King Kong aufnehmen. Ich bin dann total in meinem Element“, sagt der Luxemburger. Am Freitag in der Qualifikation gegen den Georgier Nikolz Begadze war von dieser Aufregung nichts zu spüren. Allerdings musste Erpelding auch Lehrgeld zahlen.

In den ersten beiden Runden wurde er zweimal vom Ringrichter angezählt. „Das ist mir noch nie passiert, dass ich im Stehen angezählt wurde.“ Nach drei Runden à drei Minuten musste Erpelding die Überlegenheit des Georgiers anerkennen und verlor nach Punkten. „Ich bin enttäuscht, seine Schläge haben mir nichts ausgemacht, aber er war boxtechnisch besser als ich.“

Prügelknabe

Der Weg von Michel Erpelding zum Boxen war vorgezeichnet. Der Sportsoldat bedient ein Vorurteil. „In der Schule habe ich immer Schlägereien angezettelt. Das war mein Ding“, sagt der Sohn eines Lehrers mit einem verschmitzten Lächeln. Zunächst musste er seine überschüssige Energie jedoch im Fußball- und Basketballverein loswerden. Mit 16 Jahren überredete er seine Eltern, ihn im Boxverein anzumelden. „Sie waren zunächst dagegen, weil sie Angst vor den körperlichen Folgen der Schläge auf den Kopf hatten. Heute ist mein Vater mein größter Fan“, sagt der 25-Jährige.

Das Boxen half ihm auch im täglichen Leben. „Durch diesen Sport wurde ich seriöser und disziplinierter. Ich habe mit dem Feiern aufgehört und trinke überhaupt keinen Alkohol“, sagt der Rechtsausleger. Erpelding legte bereits als Teenager die Weichen für seine Karriere. Vor der Schule absolvierte er Lauftrainings, abends ging es zum Boxtraining. Dadurch eignete er sich eine außerordentliche Ausdauer an. Mit dieser Fitness konnte er auch seinen nordirischen Trainer Gerry Storey von sich überzeugen.

Der 83-Jährige ist auf der grünen Insel eine Legende. Nicht nur wegen seines hohen Alters als Trainer, sondern auch wegen seiner herausragenden Ergebnisse. Aus seinem „Holy Family Boxing Gym“ kommen sechs Olympia-Teilnehmer, viermal nahm er als Coach an den Kontinental-Spielen teil.

In Irland geht’s hart her

Internationale Berühmtheit erlangte er durch Auftritte in Dokumentar-Streifen und einem Film. Der aktuelle Profi-Schwergewichtsweltmeister Tyson Fury holte sich als Amateur seinen Feinschliff bei Storey ab. 2005 gewann er einen Laureus-Award, 2008 wurde er im Vereinigten Königreich zum Ritter geschlagen. Eigentlich hat die lebende Legende es nicht mehr nötig, Boxer für seinen Gym zu rekrutieren.

Musste er auch nicht, denn sein Sohn Sam entdeckte Michel Erpelding 2016 bei einem Turnier in Spanien. Der Luxemburger wurde nach Belfast eingeladen und packte die Gelegenheit beim Schopf. Dabei war sein Plan eigentlich, in die USA zu gehen. Im berühmten „Wild Card Gym“, wo auch der spätere Weltmeister Manny Pacquiao ausgebildet wurde, absolvierte er ein Trainingslager. „Der dortige Coach wollte mich ein Jahr umsonst trainieren und hätte seinen Anteil eingestrichen, wenn ich Profi geworden wäre.“ Unterkunft und Essen waren jedoch nicht inklusive. In die Sportsektion der Armee wird man aber nur aufgenommen, wenn man keinen Profivertrag besitzt. Der Boxer entschied sich, nach Nordirland zu gehen und sich Gerry Storey anzuschließen.

Angekommen in Belfast, wartete im Januar 2017 eine komplett neue Welt auf Erpelding: „Eigentlich hat er mich nur in seiner Trainingsgruppe aufgenommen, weil ich fit war und den unbedingten Willen habe, mich durchzubeißen. Je länger ich in Nordirland bin, desto mehr merke ich, wie wenig ich eigentlich davor über Boxen wusste.“ Als der junge Mann aus Dalheim nach Nordirland zog, war er ein „Macho-Boxer“. Einer wie Sylvester Stallone in den Rocky-Filmen. Verglichen wurde er wegen seines Aussehens jedoch eher mit dessen Widersacher Ivan Drago. „Ich werde bei Kämpfen oft gefragt, ob ich aus Polen oder Russland komme.“

„Kein Mittelmaß sein“

Storey lernte in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen Athleten kennen, der überdurchschnittlich motiviert ist. Der Tag von Erpelding besteht aus drei Einheiten, dazwischen wird geschlafen und gegessen. „Ab und zu muss er mich bremsen, damit ich nicht zu viel trainiere“, sagt der 24-Jährige, der so versucht seinen Rückstand auf die Konkurrenz aufzuholen. Die meisten seiner Gegner haben bereits ein paar Hundert Kämpfe bestritten. Erpelding kommt gerade einmal auf 36. Seit er bei Storey ist hat er elf Kämpfe bestritten. Dabei sprangen sieben Siege, drei split decisions und eine Niederlage heraus.
Verlassen kann er sich dabei auf die Detailversessenheit eines 83-Jährigen. „Die Bewegungen müssen perfekt sein damit er nichts sagt. So einen Trainer habe ich mir schon immer gewünscht und dank ihm habe ich mich stark verbessert“, sagt Erpelding. Mittlerweile gehört auch die Beinarbeit zu seinen Stärken. „Vor Jahren war ich noch ein Plattfuß, jetzt bin ich schnell auf den Beinen“.

Das große Ziel des kantigen Luxemburgers sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Die Qualifikation steigt zwischen Januar und April im kommenden Jahr. Löst er das Ticket, winkt auch ein Profivertrag. Erpelding ist zuversichtlich, dass er diesen Sprung schaffen kann: „Mein Stil ist attraktiv. Ich bin aggressiv und warte nicht ab, um zu kontern. Diese Eigenschaften können mir am Ende die Tür ins Profigeschäft öffnen.“

Bis dahin wird im „Holy Family Boxing Gym“ noch eine Menge Schweiß auf den Ring tropfen. Behilflich bei seinen Zielen ist ihm seine Devise: „Nach einem verlorenen Kampf schäme ich mich und traue mich fast nicht auf die Straße. Ich will kein Mittelmaß sein. Das treibt mich an.“ Trainerlegende Storey weiß, dass der Weg seines Schützlings erst begonnen hat. „Seine Karriere ist erst in den Startlöchern. Er arbeitet hart an sich und kann noch deutlich besser werden.“