Ein neues Leben auf Belval: Inder finden in Luxemburg eine neue Heimat

Ein neues Leben auf Belval: Inder finden in Luxemburg eine neue Heimat

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Allein im vergangenen Jahr hat es 200 Inder nach Luxemburg verschlagen. Über 2.000 ihrer Landsleute haben mittlerweile in Luxemburg eine neue Heimat gefunden. Der aus Südindien stammende PhD-Student Sachin Kumar lebt seit 2016 im Großherzogtum und kann sich durchaus vorstellen, hier seine Zukunft zu verbringen.

Seit anderthalb Jahren lebt der 25-jährige Sachin Kumar in Luxemburg. Besonders schätzt er die Internationalität. „Dadurch habe ich die Chance, Menschen aus vielen verschiedenen Ländern kennenzulernen“, sagt er. Sein Studium hat ihn von Indien über die Niederlande bis nach Luxemburg geführt. „Luxemburg bietet inzwischen sehr viele Möglichkeiten im Bereich Forschung.“ Nach seinem Bachelor in Ingenieurwesen, den er in Indien abgeschlossen hat, zog es ihn an die niederländische Delft University of Technology. Auf der Suche nach einer geeigneten Uni für seinen PhD in Materialwissenschaften ist er schließlich in Belval gelandet.

Die „Marche de la paix“

Die 3. „Marche de la paix“ findet am 27. April in Esch/Alzette statt. Sie dreht sich in diesem Jahr rund um das Thema Frieden und Mahatma Gandhi. Sie soll die Integration der 123 Nationalitäten hierzulande unterstützen. Bei diesem Marsch sind verschiedene Stationen mit Lesungen, Gesang und Musik geplant.
Mitorganisatoren neben der „Indian Association Luxembourg“ sind unter anderem die „Inter-Actions asbl“, die Kufa, CIGL Esch oder auch die „Communauté israélite d’Esch/Alzette“.

An Luxemburg hatte er nicht viele Erwartungen. Er wollte offen für alles bleiben. Die Tatsache, dass die meisten Studienprogramme in Luxemburg umsonst sind, hat ihn überrascht: „Ich wusste nur, dass Luxemburg sehr teuer ist.“ Im letzten Jahr haben 40 Studenten aus Indien ihre erste Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Damit stehen sie bei den Studenten aus Drittstaaten an erster Stelle. Bei der „Carte bleue européenne“ (Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte aus Drittstaaten) und bei den Zahlen zur Familienzusammenführung liegt Indien ebenfalls ganz vorne. Laut Selvaraj Alagumalai, dem Präsidenten der „Indian Association Luxembourg“, arbeiten die meisten bei ArcelorMittal, bei Amazon und im Consulting-, IT- und Fondsbereich. Über die Hälfte lebt in der Hauptstadt. Oft ist es so, dass sie für ein Projekt nach Luxemburg kommen und nach sechs Monaten oder einem Jahr das Land wieder verlassen. Das beobachtet Student Sachin auch auf Belval. „Fast täglich fällt mir jemand Neues auf.“ Die meisten arbeiten bei einer Bank oder im IT-Bereich.

Luxemburg als aufregendes Neuland

Er jedenfalls möchte erst mal in Luxemburg bleiben, falls es sich ergibt. Er fühlt sich hier wohl. In den letzten anderthalb Jahren hat er rund zehn Luxemburger besser kennengelernt. Er bezeichnet sie als sehr freundlich, offen und ruhig. Eigentlich hatte er wegen der vielen Sprachkenntnisse erwartet, dass sie sich „like a boss“ verhalten und mehr Selbstvertrauen besitzen. Überraschenderweise sei dem nicht so. Stören tut ihn das nicht, im Gegenteil. Einen seiner luxemburgischen Freunde hat er inzwischen sogar mit nach Indien genommen. Hierzulande ist sein Lieblingsplatz der Stausee. Dort war er im Sommer mehrmals. Sonst geht er gerne mit ein paar Freunden ins Müllerthal und Umgebung wandern. Er ist Mitglied der indischen Studentenvereinigung. Die Studenten unternehmen zusammen Ausflüge und helfen den Neuen bei Fragen und Problemen. Ein Stammcafé oder -Restaurant, wo sie sich regelmäßig treffen, haben sie keines. Sie kommen eher zu besonderen Anlässen zusammen. Die „Indian Association Luxembourg“ plant oft größere Events wie zum Beispiel das Diwali-Lichterfest im Herbst.

Die erste Zeit in Europa war für Sachin ein Kulturschock: „Alles war neu. Die Menschen, ihre Kleidung … Ich hatte etwas Angst, auf die Leute zuzugehen.“ Die Niederländer und die Luxemburger seien offener. Hier könne jeder mit jedem reden. Was ihm besonders auffiel, ist die Art und Weise, wie gegessen wird, vor allem aber die Menge: „In den Niederlanden wird im Vergleich zu dem, was ich aus Indien kenne, sehr wenig gegessen.“ Etwas anderes, das er so noch nicht kannte, war, dass viele ein Hobby haben. „Die Work-Life-Balance wird sehr ernst genommen.“ In Indien zähle alleine die Ausbildung. Und hier würden sehr viele Partys gefeiert. „Das ist schon fast eine tägliche Routine für die Studenten“, schmunzelt Sachin.

An das Wetter hier musste er sich erst mal gewöhnen. In Südindien waren es stets über 30 Grad. In den Niederlanden machten ihn vor allem die Wetterextreme zu schaffen. Schnee hat er erst in Europa kennengelernt. „Das ist schon etwas Großes für mich.“ Dann freut er sich wie ein kleines Kind und spielt im Schnee. Europäische Kost liegt Sachin nicht so, da er sehr gewürzte Speisen bevorzugt. Manchmal geht er in ein italienisches oder mexikanisches Restaurant. Neben Familie und Freunden vermisse er das indische Essen am meisten. Die drei F, wie er sagt: Family, Friends and Food.


Seit über 25 Jahren in Luxemburg

Der heutige Präsident der „Indian Association Luxembourg“ (Facebook-Seite), Selvaraj Alagumalai, hatte Ende der 1980er Jahre das erste Mal die Möglichkeit, nach Luxemburg zu kommen. Er war im IT-Bereich tätig. „Ich dachte, falls sich mir noch mal die Chance bietet, dann möchte ich mich hier niederlassen.“ Und so zog er 1992 dann mit Frau und Kindern hierher und hat sich nach und nach ein eigenes Unternehmen aufgebaut.

Damals lebten gerade mal 50 Inder in Luxemburg. Selvaraj hat in großen Städten wie London, New York oder auch Kalkutta gelebt. Doch das Großherzogtum sei einfach anders. Hier fühlte er sich stets willkommen. Genau wie Sachin fährt er mindestens einmal pro Jahr nach Indien. Er erzählt, dass die indische eine der am schnellsten wachsenden Gemeinschaften ist. Er führt das darauf zurück, dass sich die Karrierechancen und berufliche Möglichkeiten im IT-Bereich und in der Fundindustrie sehr rapide entwickeln. Die „Indian Association“ wurde 1991 ins Leben gerufen. Sie organisiert viele kulturelle Events oder wohltätige Veranstaltungen. Die Feste sollen für jeden offen sein. Vor allem der „India Day“ gewinne stets an Bekanntheit. Die Vereinigung ist an der Organisation des „Peace Walk“ Ende April in Esch/Alzette beteiligt. Als Präsident der Vereinigung setzt er sich zusammen mit seiner Frau dafür ein, dass sich die hier lebenden Inder für Politik interessieren. Sie sollen nicht nur wählen gehen, sondern auch wissen, wen sie wählen.
Anders als Sachin hat er sich mittlerweile an das europäische Essen gewöhnt. „Nur wenn wir bei uns zu Hause Pizza machen, schmeckt es trotzdem wie eine indische Pizza, alleine schon wegen des Belags.“

Früher war es schwierig, richtig traditionell indisch zu kochen. „Wir mussten dann bis nach Frankfurt fahren, um die richtigen Zutaten kaufen zu können.“ Doch jetzt gebe es mehrere spezialisierte Läden und mehr als 25 indische Restaurants. Recht viel für ein kleines Land wie Luxemburg.