Die Guten gehen nicht im Gleichschritt

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Viel Mut, halbe Arbeit. Nur wer sich nicht beirren lässt bei seinem Vorhaben, kann etwas Wertvolles leisten und Spaß dabei haben, auch wenn die Schritte, die man gehen muss, zahlreich sind. Nach einer einjährigen Pause findet an diesem Samstag und Sonntag wieder das „Last Summer Dance“-Festival in Erpeldingen statt.

Von Caroline Rocco

Tessy Troes ist freie Reporterin und Fotografin und absolviert derzeit ihr Musikstudium in Barcelona. Nebenbei ist sie auch noch eine der Organisatorinnen des „Last Summer Dance“-Festivals. Sie ist seit der ersten Edition, die vor sechs Jahren startete, dabei und kümmert sich seither um die Programmplanung. Im Interview mit dem Tageblatt schildert die junge Studentin ihre Eindrücke und Erfahrungen in der Festival-Szene und wie man den Spagat zwischen Privatleben und einem so zeitintensiven Hobby schafft.

Doch zuvor einige Sätze zur Entstehungsgeschichte des Festivals. Erstens: Die Idee entstand in den Köpfen junger Studierender. Diese verspürten das Bedürfnis, Erlebtes während Auslandsreisen oder Auslandsstudien in das noch allzu verschlafene Luxemburg zu bringen, um – neben der Kultur, die von Anzugträgern herabdiktiert wird – auch Alternatives präsentieren zu können. Zweitens: Fairtrade Luxemburg, oder besser gesagt deren Jugendgruppe, wollte ein Festival organisieren, in dem das Thema Nachhaltigkeit ins Rampenlicht gerückt wird. Beide Gruppen fanden sich und gründeten damals den gemeinnützigen Verein „Melting Pot“.

Die Gründung des Vereins war jedoch nur der erste, leichtere Schritt bis zum fertigen Festival. „Das erste Jahr war schlimm, wir hatten eine Idealvorstellung unseres Festivals und waren begeistert. Wir sind an Gemeinden herangetreten, doch diese lehnten unser Konzept ab: Sie würden unseren Verein nicht kennen, der eben nur für das Festival bestehe, des Weiteren wüssten sie nicht, wie seriös wir unser Vorhaben angehen und inwieweit wir Sicherheitsbestimmungen einhalten könnten … Es war desaströs“, erzählt Troes. Dennoch hat sich die junge Truppe nicht beirren lassen und fand ein passendes Gelände. In Mersch. „Uns war es immer wichtig, ein Festivalgelände zu haben, das gut mit dem öffentlichen Transport zugänglich und möglichst barrierefrei ist.“ Die ersten beiden Jahre lief es gut. Doch wegen Bauarbeiten musste der Verein samt Festival umziehen. Bald darauf stand der Deal mit der Nordstad und man durfte den „Last Summer Dance“ in Erpeldingen im Parkschloss feiern.

„Mersch war halt einfacher, weil es nahe dem Bahnhof gelegen war. Es ist wie beim ’Food (for your Senses)‘: Genau wie dessen Organisatoren hatten auch wir Schwierigkeiten, ein Gelände zu finden, man weiß, wie schwer es ist“, schildert Troes und bezieht sich dabei auf ein anderes alternatives Festival, das dieses Jahr abgesagt werden musste. Gründe wurden von den Organisatoren keine angegeben, dennoch hofft man in den nächsten Jahren, auch mit diesem Projekt wieder durchstarten zu können.

Hierarchien verboten

Neben der Frage „Wo?“ gibt es aus auch ein „Wie?, bei dem sich so mancher Idealist bereits die Zähne ausgebissen hat. Es gilt, ein System zu finden, in dem alle freiwilligen Helferinnen und Helfer ihr Potenzial vollends ausschöpfen können, so Tessy: „Wir haben ganz lange an einem Workflow getüftelt. Uns war es wichtig, dass jeder das beisteuern kann, an dem er am meisten Spaß hat. Am besten ohne vorliegende Hierarchie, wie sie, zum Beispiel, in der Arbeitswelt existiert. Es ist ein Hobby, und nur wenn es Spaß macht, kann es auch ein gutes Festival werden. Im ersten Jahr galt das Motto ’Trial and Error‘, doch man lernt schnell dazu und ich glaube, jede Erfahrung ist wertvoll. Jeder kann etwas zum Festival beitragen und auch etwas fürs Leben mitnehmen.“

In Troes und ihrem Team scheint eine Motivation zu stecken, die das Projekt vorantreibt. Auch wenn viele der Helfer im Ausland leben und physisch nicht da sein können, organisieren sie alle zwei bis drei Wochen eine Gruppenversammlung, bei der sie einfach auf digitale Werkzeuge zurückgreifen: „Jeder kann daran teilhaben, solange er oder sie eine funktionierende Internetverbindung hat.“

Auf die Frage hin, ob sich die Organisatoren auf die diesjährige Ausgabe des „Last Summer Dance“-Festivals freuen, antwortet Troes gelassen: „In letzter Minute gehen immer Dinge schief. Deswegen bin ich bis zu einem gewissen Grad entspannt. Es ist schon so vieles passiert. Im zweiten Jahr ist uns ein Mischpult kaputtgegangen, in den darauffolgenden Jahren hatten wir einen Headliner, der uns absagte. Teile der Bühne fehlten einfach, die wir binnen 30 Minuten ersetzen mussten, und das letzte Mal überraschte uns ein Gewitter. Man findet Vertrauen in die Helfer und kann zur Ruhe kommen.“

Neue Denkanstöße

Es ist das fünfjährige Jubiläum des kleinen Festivals, das sich geografisch im Ösling nahe der Sauer befindet. Ein Besuch soll sich lohnen, so Troes: „Was unserem Festival einen Mehrwert verleiht, ist die Pluridisziplinarität. Das ist ein Punkt, der uns ausmacht. Wir versuchen, eine Plattform zu schaffen, in der sich Luxemburger Künstler präsentieren und ihr Portfolio ausarbeiten können, um sich später bei größeren Festivals zu melden. Junge Künstler oder Organisationen kommen zu uns wie Cell, „Ouni“ oder Amnesty International und stellen ihre Arbeit vor, bieten Ateliers an. Alles mit dem Ziel, Menschen aktiv werden zu lassen. Es soll eben nicht nur ein Festival sein, bei dem man vor der Bühne steht und Musik bloß konsumiert, sondern es soll einen aktiv werden lassen und neu Gelerntes mit auf den Weg geben. Neue Denkanstöße geben.“

Wenn man Troes’ Worten Glauben schenken möchte, ist die Freiwilligen-Arbeit neben dem Job oder dem Studium nicht leicht, aber durchaus machbar. Solange es Menschen gibt, die sich wie irre in ein Projekt wie dieses hineinarbeiten, wird die Festival-Kultur in Luxemburg eine Chance haben, um gesehen, gehört und genossen zu werden.