Das Zwitterwesen aus der Siegfriedstraße

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Der Staatsrat steht wieder in der Kritik. Die Institution in der rue de Sigefroi prüft in Luxemburg Gesetzesentwürfe auf ihre Verfassungstauglichkeit und soll darauf achten, dass sie bestehenden Gesetzen nicht widersprechen. Sie beschränkt sich aber nicht nur auf ihre juristische Aufgabe. 

Nachdem der grüne Abgeordnete Claude Adam Ende März beschlossen hatte, seine parlamentarische Arbeit niederzulegen, rückte Sam Tanson („déi gréng“) im Parlament nach. Die Politikerin saß bis dahin allerdings im Staatsrat und musste, wie vom Gesetz vorgesehen, ihren Sitz im Gremium aufgeben. Für die Grünen bis dahin kein Problem. Sie gingen davon aus, dass sie eine neue Rätin einsetzen könnten. Es kam aber anders. Die Juristin Joëlle Christen, die von der Partei vorgeschlagen wurde, wurde vom Staatsrat abgelehnt. Stattdessen erhält Martine Lamesch den Posten. 14 Ratsmitglieder haben für Lamesch gestimmt, 5 dagegen.

Nun sind die Grünen sauer. Ihrer Meinung nach stand der Sitz ihnen zu. Laut Gesetz können im Turnus jeweils die Regierung, das Parlament und der Staatsrat selbst einen Kandidaten auswählen. Auch müssen die politischen Parteien im Parlament berücksichtigt werden, wenn sie zwei Legislaturperioden lang mindestens drei Abgeordnete hatten. Was unter Berücksichtigung genau zu verstehen ist, bleibt unklar. Auch über unabhängige Kandidaten sagt das Gesetz nichts aus.

Eine Frage der Berücksichtigung

Genau diese Grauzone wurde nun ausgenutzt. Der politische Konsens besagte bisher, dass je mehr Sitze eine Partei im Parlament hat, desto mehr Räte stehen ihr zu. Das Gesetz wurde bisher so ausgelegt, dass ein Kandidat von der ADR vorgeschlagen wurde (3 Sitze im Parlament), einer von „déi gréng“ (6 Sitze), vier von der DP (13 Sitze), fünf von der LSAP (13 Sitze) und acht von der CSV (23 Sitze). Ein Sitz ist dem Erbgroßherzog vorbehalten. Er muss allerdings nicht an den Sitzungen teilnehmen.

Da das Gesetz ungenau bleibt, ist streitbar, ob die Grünen nun ausreichend „berücksichtigt“ wurden oder nicht, da sie mit Mike Mathias immerhin noch einen Vertreter im Staatsrat haben. Die Grünen wollen den Verstoß gegen den parteipolitischen Konsens aber nicht auf sich sitzen lassen und haben bereits angekündigt, dass sie Schritte gegen die Entscheidung des Staatsrates einleiten werden.

Unüberprüfbare Interessenkonflikte

Dass der Staatsrat in die Kritik gerät, ist nichts Neues: Vor etwa anderthalb Jahren gab es größere Aufregung um das Ratsmitglied Alain Kinsch. Er wurde von seiner Partei, der DP, vorgeschlagen. Damals berichtete das Luxemburger Wort, dass Kinsch das Gutachten zur Steuerreform verfasst haben soll. Nur ist der DP-Mann auch Managing Partner von Ernst&Young, einer Finanzberatungsfirma. Der Vorwurf des Interessenkonfliktes stand im Raum. Dem Vorwurf konnte nicht nachgegangen werden, da der Staatsrat größtenteils im Dunkeln agiert.

Nur die Gutachten selbst gelangen an die Öffentlichkeit. Wer die Gutachten verfasst und wer wie über sie abgestimmt hat, bleibt geheim. Mit der letzten Reform des Staatsrates vom Sommer 2017 wurde lediglich entschieden, dass die Öffentlichkeit wissen darf, in welchem Verhältnis der Staatsrat abgestimmt hat. Also wie viele Mitglieder für oder gegen ein bestimmtes Gutachten oder eine sonstige Entscheidung waren.

Keine klare Ausrichtung

Die Transparenz seiner Arbeit ist allerdings nicht die einzige immer wiederkehrende Kritik am Staatsrat. Vielmehr geht es um das Wesen der Institution an sich. Weil sie zwar juristische Gutachten abgibt, aber die Regierung auch beraten soll und die Mitglieder den Parteien bekanntlich nahe stehen, ist sie eine Art „Zwitterwesen“. So bezeichnete jedenfalls der Verfassungsrechtler Luc Heuschling, Professor an der Uni Luxemburg, die Institution kurz vor der Reform im vergangenen Jahr.

In Frankreich gibt es mit dem „Conseil d’Etat“ eine juristische Institution, die tatsächlich die Gesetze nur auf ihre Tauglichkeit überprüft und politisch neutral sein soll. In Zwei-Kammer-Systemen, wie in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, sind „House of Lords“ und „Senat“ dagegen ganz klare politische Gremien. Der luxemburgische Staatsrat dagegen erfüllt beide Rollen, sowohl die juristische als auch die politische. Das stört die Kritiker des Staatsrates am meisten. Solange nicht entschieden ist, was die Institution eigentlich sein soll, kann auch nicht entschieden werden, wie sie reformiert werden soll.

Serenissima
11. Mai 2018 - 8.26

Das einzige was am Staatsrat stört ist der Mangel an Legitimität; den in einer Demokratie geht alle Macht vom Volke aus das ja auch die Abgeordneten Kammer wählt und dieser so ihre Legitimität gibt....beim Staatsrat is dem nicht so, also sollte man ihn abschaffen oder vom Volke wàhlen lassen...oder das französische Modell des"Conseil d'Etat" einführen das unpolitisch und neutral ist...

A.L.
10. Mai 2018 - 19.26

Das Gremium hat gewählt. So einfach ist das und dabei sollte man es belassen.