Warum die EZB eingreifen muss

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Auch wenn Deutschland sich heute noch dagegen wehrt: Um Europas Schuldenkrise endgültig zu lösen, gibt es keine Alternative zu einem gewichtigeren Eingreifen von Europas Zentralbank. Davon ist man bei Carmignac in Paris überzeugt.

Für die wirtschaftliche Entwicklung Europas sieht der Chefvolkswirt des französischen Vermögensverwalters Carmignac, Didier Saint-Georges, eher schwarz. Derzeit wächst die Wirtschaft in der Eurozone nur noch sehr langsam und ab Anfang 2012 werde von den meisten Experten ein Abrutschen in die Rezession erwartet, sagte er gegenüber dem Tageblatt. Die Frage sei jetzt nur noch, wie tief die Rezession werden wird, und wie lange sie andauern wird.

Europa befinde sich in einem Teufelskreis, erklärt der Volkswirt den Hintergrund: Die Wirtschaft dreht langsamer. Dies führt zu einem Anstieg der Schulden – als Prozentsatz zum BIP. Durch die höheren Schulden steigen die Risiken der Staatsanleihen, wodurch die Banken vorsichtiger werden. Sie vergeben somit weniger Kredite. Das wiederum führt zu einer Verlangsamung des Wachstums.

Was die Entwicklung der Schwellenländer angeht, so ist der Volkswirt deutlich optimistischer. Die seien dabei, ihr von Exporten angetriebenes Wachstumsmodell zu verändern, und mehr auf Wachstum durch den landesinternen Verbrauch zu setzten. „Sie beginnen, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen“, so Didier Saint-Georges.

Rezession Sicht

Zurück nach Europa: Damit die Länder ihre Schulden – als Prozentsatz des BIP – reduzieren können, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder müssen sie das geliehene Geld zurückzahlen, oder das BIP muss steigen. Ersteres erscheint unrealistisch, die zweite Möglichkeit jedoch – in Zeiten, wo Staaten ihre Ausgaben einschränken – auch.
Didier Saint-Georges plädiert somit für eine aktivere Rolle der EZB. „Bisher hat die Geldpolitik der Konjunktur nicht geholfen“, bedauert der Franzose. Die Zinssenkung um 0,25 Prozent von vor zwei Wochen begrüßt er, es sei jedoch nicht genug.

Europa hat heute nur noch sehr wenig Handlungsspielraum, so Didier Saint-Georges. Was erforderlich ist, sei jedoch klar: Einige Länder müssten die Reformen machen, die sie seit Jahren vor sich her schieben. Nur so sei Wachstum, und somit eine nachhaltige Verringerung der Staatsschuld, möglich.
Doch, „das wird Jahre dauern“, so Didier Saint-Georges. „Und diese Zeit werden die Märkte den Ländern nicht geben.“ Die Geldgeber seien nicht bereit, dieses Risiko zu tragen – höchstens für hohe Zinssätze, was den Ländern nicht nützen würde.

Dementsprechend müssten die Kredite, die notwendig sind, um die Zeit der Reformen zu überbrücken, aus anderen Quellen kommen, so der Franzose. Dabei denkt er vorrangig an die EZB und den IWF – jedoch auch an Deutschland und China.
Die betroffenen Länder müssten die „gekaufte Zeit“ allerdings auch nutzen, um ihre Hausaufgaben zu machen, unterstreicht er. Die neuen Regierungen in Griechenland und Italien stimmen ihn zuversichtlich, dass das endlich passieren könnte.

Plädoyer für einen schwachen Euro

Didier Saint-Georges ist überzeugt, dass selbst direkte Käufe von Staatsanleihen durch die EZB nicht zu einer höheren Inflation führen würden. „Kurzfristig heißt die Gefahr nicht Inflation, sondern Deflation“, glaubt er. Als Begründung nennt er das Risiko einer Kreditklemme in Europa, das durch die Umstrukturierungen im Bankensystem entsteht. Dementsprechend sei es sogar positiv, wenn die Zentralbank neues Geld in den Markt pumpt, meint er. Möglicherweise könnte die gesamte Krise sogar allein durch die Ankündigung „Die EZB wird alle Schulden kaufen“ gelöst werden, meint er. Dann wäre das Vertrauen in die Papiere wieder hergestellt, und die Zinssätze würden sinken.

Zudem wünscht sich der Volkswirt einen schwächeren Euro. Wenn schon kein internes Wachstum in Europa zu erwarten sei, „dann sollte die Geldpolitik wenigstens den exportierenden Unternehmen unter die Arme greifen.“ Indem die Firmen durch einen billigeren Euro international an Kostenwettbewerbsfähigkeit gewinnen, könnten sie für Wachstum in Europa sorgen.

Auch Deutschland werde dem früher oder später zustimmen müssen, ist er überzeugt. Schließlich sei die Konjunkturschwäche in der Eurozone dabei, auf Deutschland überzuschwappen. „Die Nachfrage der Eurozone nach Produkten aus Deutschland fällt.“ Gleichzeitig werde den Märkten bewusst, dass auch Europas Wirtschaftsmacht hohe Schulden hat. „Deutschland muss nur noch erkennen, dass es auch in seinem Interesse ist.“