EuropaNeue Tendenz: Medien werden wieder national

Europa / Neue Tendenz: Medien werden wieder national
Nicht nur bei der Bekämpfung von Corona, auch bei den Medien liegen nationale Grenzen in Europa voll im Trend Foto: AFP/Robert Michael

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Der Medienriese Bertelsmann erwägt Insidern zufolge, neben anderen Optionen, auch einen Verkauf seiner französischen Fernseh-Tochter M6. Es gebe in frühem Stadium Gespräche etwa mit dem Medienkonzern Vivendi, dem französischen Fernsehsender und Branchenprimus TF1 und dem Unternehmer Patrick Drahi von Altice Europe. Zudem gebe es Kontakt zum tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky und der italienischen Mediaset, die beide Großaktionär bei der deutschen Senderkette ProSiebenSat.1 sind.

Bertelsmann, M6, Vivendi, Mediaset, TF1 und Altice Europe lehnten konkrete Stellungnahmen ab. Die RTL Group, die 48 Prozent an M6 hält, verwies auf Äußerungen von Konzernchef Thomas Rabe, der sich für eine Konsolidierung der europäischen TV-Landschaft und „nationale Champions“ ausgesprochen hatte. „RTL prüft solche Optionen laufend mit dem Ziel, Wert für die Aktionäre zu schaffen“, hieß es in einer Mitteilung.

Offen bleibt, ob sich Bertelsmann damit weitgehend aus Frankreich verabschiedet. Die Konzerntochter Gruner + Jahr (G+J) trennt sich bereits vom Zeitschriften-Geschäft in Frankreich. Vivendi will die französische G+J-Tochter Prisma Media kaufen, die 20 Zeitschriften-Titel – von Femme actuelle über GEO, Capital, Gala bis zur Programmzeitschrift Télé-Loisirs herausgibt.

Nach der Ankündigung sind die Aktien von M6 am Freitag in Paris zeitweise um zwölf Prozent gestiegen und sorgten damit für den größten Kurssprung seit einem knappen Jahr. Sie schlossen 5,4 Prozent fester. Auch am Montag gaben die Pläne für einen Verkauf von M6 durch Bertelsmann den Aktien des französischen TV-Senders weiteren Auftrieb. Sie steigen in Paris um sieben Prozent auf ein Zwölf-Monats-Hoch von 15 Euro. Die Papiere des Großaktionärs RTL gewinnen knapp drei Prozent und sind mit 48,60 Euro so teuer wie zuletzt vor etwa zwei Jahren. Die zu RTL gehörende M6 könnte mit rund drei Milliarden Euro bewertet werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag von mehreren mit der Sache vertrauten Personen erfuhr.

Manager plädieren für „nationale Champions“

Die Groupe M6 wurde 1987 um den TV-Sender M6 gegründet und betreibt 13 Fernsehkanäle und drei Radiosender. Das Unternehmen machte 2019 einen Umsatz von 1,46 Milliarden Euro und erzielte operativ einen Gewinn von 287 Millionen Euro. Im Oktober 2020 startete in Frankreich der gemeinsame Bezahl-Streaming-Dienst Salto von Groupe M6, TF1 und France Télévisions.

Wie Rabe hat sich auch M6-Chef Nicolas de Tavernost für Zusammenschlüsse und Fusionen im europäischen Fernsehsektor ausgesprochen. Im September 2020 sagte er dem Le Journal du Dimanche auf die Frage, ob eine Annäherung zwischen TF1 und M6 vorstellbar sei: „Es gibt heute keine Pläne in diese Richtung.“ Aber der Manager betonte, nationale Gruppierungen seien nötig, wenn Frankreich im internationalen Wettbewerb mithalten wolle.

Knackpunkt Kartellrecht

Rabe, Chef von Bertelsmann und RTL Group, hat wiederholt eine Lanze für mehr Kooperationen gebrochen – vor allem, um gegen die Macht der US-Giganten aus dem Silicon Valley zu bestehen. Im Februar 2020 hatte Rabe dafür plädiert, größere Zusammenschlüsse zuzulassen, „um nationale Champions etwa im Fernsehbereich zu schaffen; wie gegebenenfalls mit RTL und ProSiebenSat.1“. Nach dem Kartellrecht gilt dies als ausgeschlossen.

Viele Medienvertreter fordern ohnehin, dass Wettbewerbshüter die Märkte wegen der Präsenz von Google, Facebook, Apple, Amazon, Netflix & Co. anders definieren müssten. Deshalb fragen sich Branchenexperten, ob Rabe statt eines Verkaufs von M6 nicht auch auf mehr Kooperation und Allianzen – intern wie extern – setzten könnte, die er stets propagiert. Bertelsmann will seine „Content Alliance“ im Inhaltebereich ausbauen, ebenso die „Ad Alliance“ in der Werbevermarktung.