Die etwas andere Kontaktbörse

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(Tageblatt)

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Eine Messe der besonderen Art findet jedes Jahr in Thionville statt. Auf dem "Salon à l’envers" bieten die Stände nichts an, sondern sie warten darauf, dass ihnen etwas angeboten wird.

Der Mann mit dem weiß-blau karierten Hemd fällt auf unter all den Anzugträgern. Der Mann ist sehr groß und muss sich, um sich zu unterhalten, zu seinem Gesprächspartner hinunterbeugen.

Es ist laut in dem Zelt auf der place André Malraux in Thionville, eine Unterhaltung ist schwierig. Der Bürgermeister macht gerade seine Runde mit einer Delegation. Dem Tross voraus geht ein Mensch mit einem Mikrofon, der Erklärungen zur Messe gibt.
Der Mann im blau karierten Hemd, Dominique Charpentier, kümmert sich nicht darum. Er ist auf die Messe gekommen, um die Dienste seiner Firma anzubieten. Er hat den Direktorenposten bei einer Filiale von ISS Espaces Verts in Metz übernommen. Das Unternehmen betreibt Grünflächenpflege. In Lothringen mangelt es ihm noch an Geschäftskontakten.

Das will er ändern. Doch Charpentier hat keinen Stand, zu dem Interessenten kommen könnten. Vielmehr geht er von Tisch zu Tisch, spricht die Aussteller an und verteilt Broschüren aus seiner Mappe. Hin und wieder hält er auch Männer mit Schlips an, die wie er die Stände besuchen, redet mit ihnen, stellt sich vor.

Ein Fußballverein vergibt Aufträge

Auf dem jährlichen „Salon à l’envers“ in Thionville ist das Verhalten von Charpentier nicht ungewöhnlich, es ist sogar erwünscht. Bei dieser Messe bieten die Aussteller nichts an. Sie suchen etwas. Wer etwas anzubieten hat, der macht es wie Charpentier und klappert die gut besuchten Stände ab.
So etwa den Stand von Tata Steel. An dem Tisch des indischen Industrieunternehmens empfängt Philippe Linder potenzielle Lieferanten. Linder ist Einkäufer für die Schienen-Sparte des Unternehmens. Wonach er sucht, das ist im Programm der Messe nachzulesen.

Mechanikarbeiten, Wartung von Maschinen und Schweißarbeiten sind nur einige der Aufträge, die er zu vergeben hat. Tata ist dieses Jahr zum ersten Mal mit dabei. Linder lässt sich überraschen, was auf ihn zukommt.
Mehr Erfahrung mit der Messe hat man beim FC Metz. „Wir sind heute nicht als Sportverein, sondern als ganz normales Unternehmen hier“, so Donatella Patti, die den Stand des Vereins betreut. Denn auch ein Fußballverein habe Aufträge zu vergeben, zum Beispiel bei der Wartung des eigenen Stadions, erklärt Patti. Ihr Unternehmen sei schon zum fünften oder sechsten Mal auf der Messe vertreten, erzählt sie. Aus einigen der dabei geknüpften Kontakte hätten sich Partnerschaften entwickelt, die bis jetzt gehalten hätten.

EDF und Armee präsent

Über 150 Unternehmen stellen aus, suchen Lieferanten und Geschäftspartner. Darunter viele globale Unternehmen wie Exxon Mobile, EDF und der Reifenhersteller Continental. Trotzdem lohnt der Messebesuch auch für kleine Unternehmer. Am Stand des Energieriesen EDF vergibt man Aufträge ab 20.000 Euro. Ab diesem Betrag nämlich müssen Ausgaben des Konzerns über die zentrale Einkaufsabteilung abgewickelt werden. Kleinere Aufträge vergeben die einzelnen Standorte des Unternehmens, dem auch das Atomkraftwerk Cattenom gehört, selber.

Allerdings stellen in Thionville nicht nur Unternehmen aus. Die Handels- und Berufskammern der Großregion sind zahlreich erschienen. Auch Schulen stellen sich vor. Dazwischen ein Stand der französischen Armee. Nein, die Armee suche nicht nach Lieferanten, sondern nach neuen Rekruten, erklärt Adjutant-Chef Angibault von der Rekrutierungsstelle Cirfa. Die Armee, so der Soldat, sei auf so vielen Messen wie möglich vertreten. Im Jahr rekrutiert er 20.000 künftige Militärs, vom Informatiker bis zum kämpfenden Soldaten.

Auch auf dem „Salon à l’envers“ hat er schon Interessierte gefunden. Oft seien es die Eltern, die sich nach den Zukunftsperspektiven ihrer Sprösslinge erkundigen, so Angibault. Die Aussteller bezahlen übrigens nichts, um hier ausstellen zu dürfen. Die Messe wird organisiert vom Unternehmerverband „Entreprendre en Lorraine Nord“.