KolumnePetz Lahure über einen wichtigen Fußballsieg: Vor 75 Jahren schlug Luxemburg Belgien 4:1

Kolumne / Petz Lahure über einen wichtigen Fußballsieg: Vor 75 Jahren schlug Luxemburg Belgien 4:1
Die Luxemburger Elf, die am 13. Mai 1945 mit 4:1 gegen Belgien gewann: V.l.n.r.: „Ensch“ Mengel (Kap.), Benny Michaux, Camille Libar, Léon Mart, Nic Witry, Dominique Wantz, Paul Reuter, Nic Pauly, Alphonse Feyder, Marcel Lahure, Gusty Kemp  Foto: Privatarchiv P.L.

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Am 13. Mai 1945 schlug Luxemburgs Fußballnationalelf vor 12.000 Zuschauern im hauptstädtischen Stadion Belgiens A-Mannschaft mit 4:1. Dieser Sieg im ersten Länderspiel nach dem Krieg war Balsam für die Seele einer geschundenen Nation.

Fünf Tage nach der bedingungslosen Kapitulation „aller unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkräfte auf dem Lande, auf der See und in der Luft“ (Originalzitat aus der Urkunde) fand auf dem hauptstädtischen Stadion das erste Länderspiel nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Gegner waren Luxemburg und Belgien, die seit 1924 freundschaftliche Bande pflegten und sich regelmäßig in sportlichen Wettkämpfen maßen.

Fünf Jahre kein Länderspiel

Meistens schickten die westlichen Nachbarn gegen den vermeintlich „kleinen“ Gegner eine B-Elf aufs Feld. Nur in den Jahren 1928 (Olympische Spiele Amsterdam), 1934 (Freundschaftsspiel) und 1938 (WM-Qualifikation) trat Belgien mit der A-Mannschaft gegen das Großherzogtum an und verbuchte auch drei Erfolge (5:3, 4:1, 3:2). Das letzte Spiel der Luxemburger Auswahl vor Ausbruch des Krieges fand am 7. April 1940 in Brüssel gegen Belgiens B-Team statt. Beide Mannschaften trennten sich 1:1, das Luxemburger Tor schoss Ernest („Ensch“) Mengel. Von da an ruhte der internationale Betrieb bis zum 13. Mai 1945, also heute vor 75 Jahren.

Die erste Meisterschaft nach der Befreiung durch die alliierten Truppen hatte ein halbes Jahr zuvor am 19. November 1944 begonnen. Weil die Verkehrsmöglichkeiten stark eingeschränkt waren, wurden die Mannschaften in Regionalbezirke eingeteilt. Einen Rückschlag gab es für die Klubs aus dem Norden und dem Osten, die wegen der am 16. Dezember 1944 beginnenden Rundstedt-Offensive passen mussten. Die verschiedenen Bezirkssieger machten den Meister in einer Endrunde aus. Der Titel ging an Stade Düdelingen, während Progrès Niederkorn die „Coupe de Luxembourg“ durch ein 2:0 über die Spora gewann.

Sonderzüge

Anfang 1945 nahm auch der nebenberufliche Verbandstrainer Paul Feierstein seine Tätigkeit wieder auf. Der frühere 15-fache Nationalspieler der Red Boys Differdingen, der Luxemburg bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris und 1928 in Amsterdam vertrat, war schon im Alter von nur 30 Jahren mit der Leitung der Nationalmannschaft betraut worden. Er übte dieses Amt von 1933 bis 1948 in 63 Spielen aus (15 Siege, 7 Unentschieden, 41 Niederlagen). Die schönsten Siege waren wohl das 2:1 gegen Deutschland (26.3.1939), das 3:2 über Norwegen (28.7.1946) und eben das 4:1 am 13. Mai 1945 gegen Belgien.

Das erste Länderspiel nach dem Krieg hatte für Luxemburg eine besondere Bedeutung. Aus fast allen Ecken und Enden des Landes rollten Sonderzüge in die Hauptstadt, nur aus den Nordkantonen nicht, die man anscheinend „vergessen“ hatte. Ein Clerfer Vereinsverantwortlicher machte sich Tage danach in einem Leserbrief Luft: „Hunderte und Hunderte Sportsfreunde aus Wiltz, Clerf, Ulflingen, Hosingen usw. hatten sich darauf gefreut, dem ersten Länderspiel nach dem Krieg beiwohnen zu können, als wir feststellen mussten, dass für den Norden kein Extrazug eingelegt war. Für die Öslinger Sportler genügt es anscheinend, wenn sie vor den Trümmern ihrer zerstörten Häuser und Ortschaften stehen.“

Eine Südauswahl

Wie damals üblich fand am Vormittag des Spiels ein Empfang im Rathaus auf dem „Knuedler“ statt, bei dem der belgische Verbandspräsident Georges Hermesse erklärte, warum sein Land die A-Mannschaft nach Luxemburg schickte: „Nous considérons comme notre devoir d’envoyer notre équipe A au grand complet, pour rendre hommage à l’attitude héroïque du Grand-Duché pendant la guerre. L’hospitalité bien connue et le charme de votre capitale nous ont fait vaincre le serrement de coeur qui nous avait accablés à la vue des maisons et villages ravagés.“

Für Luxemburgs Sport sollte es ein ganz großer Tag werden. Rund 12.000 Zuschauer waren präsent, als Prinz Felix und Erbprinz Jean sich beide Mannschaften vorstellen ließen. Für dieses erste Ländertreffen nach dem Krieg hatte Trainer Paul Feierstein nur Spieler aus dem Süden des Landes aufgeboten. Luxemburg spielte mit folgender Mannschaft: Tor: Benny Michaux (Stade); Verteidigung: Marcel Lahure (Progrès), Nicolas Witry (Stade); Mittelfeld: Alphonse Feyder (Progrès), Dominique Wantz (Red Boys), Paul Reuter (US Düdelingen); Angriff: Nicolas Pauly (US Düdelingen), Camille Libar (Stade), Léon Mart (Fola), Ernest Mengel (US Düdelingen), Gusty Kemp (AS Differdingen).

„Wie aus einem Guss“

Es dauerte nicht lange, bis die begeisterten Zuschauer im Stadion an der Arloner Straße, das 14 Jahre zuvor sein erstes Spiel erlebt hatte (1.3.1931, Luxemburg – Belgien B, 2:3), jubeln durften. Schon in der 5. Minute schoss Mart das 1:0, in der 39. erhöhte Libar zum Pausenstand von 2:0. Das 3:0 besorgte erneut Mart (46.), für das 4:0 war Kemp verantwortlich (70.). Den belgischen Ehrentreffer erzielte Lambrechts vom KV Mechelen in der 85. Wie der hohe Erfolg zustande kam, erklärte der damalige Tageblatt-Berichterstatter in der Montagausgabe vom 14. Mai 1945: „Nun, die elf Luxemburger Jungen und Männer gingen mit einem Eifer (und das bei einer Hitze um die 30 Grad herum) ins Spiel, wie wir ihn vorher kaum bei einer Mannschaft gesehen hatten, und legten ein Tempo vor, dem die Belgier nicht immer gewachsen waren. Rein fußballtechnisch und -taktisch gesehen, lief sich die belgische Stürmerlinie tot an unserer Verteidigung und Deckung. Mit den zwei famosen Innenstürmern Libar und Mengel blieb der Läuferreihe mit Wantz als Drehpunkt trotz der Deckungsaufgabe noch Spielraum genug zum Aufbau der eigenen Attacken. Spielt dann eine Stürmerlinie so gut wie die luxemburgische, können Tore einfachhin nicht ausbleiben.“

„Die ganze Mannschaft spielte wie aus einem Guss, es gab keinen Versager. Betonen wir nochmals, dass dieser Sieg, sogar in seiner Höhe, voll und ganz verdient ist und dass er über einen Gegner errungen wurde, der mit besten Referenzen, darunter einem 0:0 gegen eine famose englische Profi-Auswahlelf, aufwarten konnte. Damit haben wir die Leistung der Luxemburger und das Spiel als solches in ihrer ganzen Größe gewürdigt.“

Jung gestorben

Von den elf Spielern (damals gab es noch keine Einwechslungen) waren deren mehrere wie Kapitän „Ensch“ Mengel (*27.3.1913), Mittelläufer Dominique Wantz (*8.3.1913) oder aber Mittelstürmer Léon Mart (*18.9.1914) beim tollen 4:1-Sieg schon über 30 Jahre alt. Camille Libar (*27.12.1917) und Gusty Kemp (*24.2.1917) wurden später Profis. Libar kam über Straßburg zu den Girondins Bordeaux, mit denen er 1950 den Meistertitel holte. Kemp wechselte von der AS Differdingen zum Progrès und von dort zum FC Metz, für den er auf Torejagd ging. Der Linksfüßler mit dem harten, wuchtigen Schuss kam am 14. April 1948 im Alter von nur 31 Jahren durch einen Verkehrsunfall in Hayange ums Leben. Er war nach einem Besuch seiner Familie in Differdingen auf der Rückreise nach Metz gewesen.

Überhaupt starben die meisten dieser Generation, die schwer schuften und viel leiden mussten, relativ früh. „Ensch“ Mengel wurde nur 55 Jahre alt, Dominique Wantz 60, Nic Pauly 61, Benny Michaux 66, Léon Mart und Fooss Feyder 69. Der Letzte dieser Mannschaft, der uns verließ, war der rechte Verteidiger Marcel Lahure. Er erlag mit 80 Jahren am 5. März 1999 einem Herzleiden.