Keine nationale Krise

Keine nationale Krise
(Gerry Schmit)

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Die Cyclocross-Meisterschaft war ohne Zweifel das Highlight der Saison. Das Tageblatt nutzte die Gelegenheit, sich mit Nationaltrainer Bernhard Baldinger über die Situation des Cross in Luxemburg zu unterhalten.

Die 90. Landesmeisterschaften in Brouch am vergangenen Sonntag waren sowohl von der Organisation als auch vom Sportlichen her eine tolle Werbung für den luxemburgischen Cyclocross. Diese traditionsreiche Sportart war zuletzt vermehrt kritisch beäugt worden, was nicht zuletzt an der Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2017 in Beles liegt. Nationaltrainer Bernhard Baldinger sieht das Ganze aber etwas differenzierter.

Bernhard Baldinger. (Archivbild: Gerry Schmit)

„International können wir zurzeit vielleicht nicht so mithalten, das ist Fakt. Aber deswegen würde ich nicht sagen, dass der nationale Cyclocross in der Krise steckt“, so Baldinger, der darauf hinweist, dass die Teilnehmerzahlen in ein richtiges Verhältnis gesetzt werden müssen. Wenn in Deutschland nicht einmal 50 Fahrer bei der Elite für die Meisterschaft gemeldet seien, könne man auch keine ähnlichen Zahlen in Luxemburg erwarten, meint er. „Es ist eben zurzeit so, dass in Belgien der Cyclocross boomt und auch die Niederländer im Kommen sind. Blickt man aber jetzt 20 Jahre zurück, dann stellt man fest, dass die Schweiz das Cyclocross-Mekka war und die Belgier dorthin reisten.“ Im Laufe der Zeit hat die Cyclocross-Begeisterung also bereits mehrmals zu- und abgenommen.

Es ist auch nicht so, dass es in Luxemburg an Talenten fehlen würde. Tristan Parrotta und Kevin Geniets zum Beispiel haben bereits gezeigt, dass sie auch international mithalten können. Dass sich einer von ihnen aber ausschließlich auf den Cyclocross konzentriert, ist keine Option. „Das geht auch nicht“, sagt Baldinger. „Nehmen wir doch nur einmal Francis Mourey, der Dritter in Frankreich wurde und im Frühjahr noch den Giro gefahren ist, und das nicht schlecht.“ An der Straße kommt man als Radfahrer ohnehin nicht vorbei.

„Die großen Spezialisten fahren im Sommer sehr viele Rennen auf der Straße, auch wenn die breite Öffentlichkeit dies nicht so mitbekommt.“ Als Beispiel nennt Baldinger den BMC-Profi Jempy Drucker. „Jempy ist viele Umwege gegangen, und ich habe ihn immer dazu gedrängt, mehr auf der Straße zu fahren. Es ist fantastisch, was er jetzt erreicht hat, aber vielleicht hätte er es bereits etwas früher erreichen können.“

„Es reicht nicht aus, Rennen zu fahren“

Ein junger Fahrer, der eine Profikarriere anstrebt, orientiert sich automatisch eher zu den Straßenrennen, da nur die wenigsten ihr Geld im Cross verdienen. „Dann muss man auch bedenken, dass es nicht ausreicht, Rennen zu fahren. Ein Sportler muss auch Zeit zum Trainieren und zur Regeneration haben“, so Baldinger. „Wer weiterkommen will, muss im Sommer hart arbeiten, da man dort die größten Sprünge macht, aber auch im Winter darf man das Training nicht vernachlässigen.“ Es reicht also nicht aus, sich ausschließlich auf ein regionales Rennen am Wochenende zu konzentrieren.

„Um sich weiterzuentwickeln, muss man samstags seine gut drei Stunden trainieren und auch am Sonntagmorgen oder sogar noch nach dem Rennen am Sonntagnachmittag. Anders ist es nicht möglich, bei einer Flèche du Sud oder ähnlichen Rennen zu glänzen“, so Baldinger, der aber ebenfalls unterstreicht, dass man auf keinen Fall die Schule oder Ausbildung vernachlässigen sollte. „Wir haben es nicht mit Profis zu tun, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als sich auf ihren Sport zu konzentrieren.“

Was die WM 2017 in Beles anbelangt, so weiß man bei der FSCL bereits, wer in den verschiedenen Kategorien für eine Teilnahme infrage kommt. „Natürlich wollen wir dort so gut es geht aufgestellt sein. Wir werden aber nicht Jungs wie Tristan Parrotta oder Kevin Geniets wegen dieser WM verheizen.“

Auch wenn die FSCL-Fahrer international nicht für die allergrößte Furore sorgen, so haben sie dennoch einige beachtliche Leistungen aufzuzeigen, die laut Baldinger nicht immer so gewürdigt werden. „Wenn Kevin Geniets zum Beispiel 19. beim Weltcup wird, steht bloß eine kleine Meldung in der Zeitung, wenn er dagegen ein regionales Rennen gewinnt, wird über eine halbe Zeitungsseite darüber berichtet. So wird den jungen Fahrern vielleicht auch etwas Sand in die Augen gestreut.“

Baldinger sieht die aktuelle Situation im Cyclocross also wesentlich weniger düster als andere. „Wir haben bei den Débutants rund 40 Lizenzen, und ungefähr die Hälfte davon fährt auch Cross. Das ist gar nicht schlecht, denn man muss bedenken, dass die Cross-Saison mit zusätzlichem finanziellen Aufwand verbunden ist. Man braucht mindestens ein Cross-Rad plus Ersatzteile. Da ist es auch verständlich, dass einige nicht bereit sind, dies auf sich zu nehmen.“