Jeff Saibene: „Ich kann radikal sein“

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Jeff Saibene ist seit 31 Jahren in der Profibranche aktiv. Ein Duell mit einem luxemburgischen Trainerkollegen gab es für den 49-Jährigen noch nie. Vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern erzählt er im Tageblatt-Interview, was er mit dem Betzenberg verbindet, warum er in Bielefeld konsequent sein musste und wie sein neues Leben fern der Familie aussieht.

Am Sonntag steht das für den luxemburgischen Fußball wichtige Duell zwischen Ihnen und Jeff Strasser an. Hunderte Luxemburger haben sich Tickets besorgt. Ist das etwas Besonderes oder nach so langer Zeit einfach nur Business as usual?
Jeff Saibene: Es ist schon etwas Besonderes. Noch nie standen sich zwei luxemburgische Trainer auf diesem Niveau gegenüber. Zudem stehen Jeff und ich bei Traditionsvereinen unter Vertrag. Ich freue mich auf mein erstes Spiel auf dem Betzenberg und auf die luxemburgischen Zuschauer, die dorthin kommen werden.

Hatten Sie – wie viele Luxemburger – als Jugendlicher eine Verbindung zum 1. FC Kaiserslautern?
Ich habe mein erstes Profispiel überhaupt auf dem Betzenberg gesehen. Ich erinnere mich noch ganz genau. Es muss 1978 gewesen sein. Mein Vater hat mich mittags an der Grundschule in Kehlen abgeholt. Danach sind wir nach Kaiserslautern gefahren, um die Partie gegen meinen damaligen Lieblingsverein Hamburger SV anzusehen. Am Sonntag werde ich dann erstmals mit meiner Mannschaft im Fritz-Walter-Stadion antreten. Das ist schon eine coole Sache.

Mit Jeff Strasser haben Sie zusammen in der Nationalmannschaft gespielt. Gegeneinander angetreten sind Sie jedoch noch nie. Wie schätzen Sie ihn als Trainer ein?
Das ist schwer zu sagen. Ich habe seine Resultate verfolgt, aber ich kenne ihn als Trainer nicht. Seine Ergebnisse sind bisher in Ordnung und er hat den richtigen Weg eingeschlagen. Seine taktischen Vorlieben kenne ich jedoch nicht. Seit er in der 2. Bundesliga ist, habe ich festgestellt, dass er gerne variiert und flexibel ist. Ich weiß aber trotzdem nicht, was auf mich zukommen wird.

Wenn ich davon überzeugt bin, dass eine Mannschaft ohne einen gewissen Spieler erfolgreicher ist, dann scheue ich mich nicht davor, Konsequenzen zu ziehen. Ich kann sehr radikal sein.

Vor dem Duell gegen die Arminia ist dem 1. FC Kaiserslautern am letzten Montag beim 2:1-Sieg gegen Dynamo Dresden ein Befreiungsschlag gelungen. Macht das den Gegner gefährlicher?
Ich freue mich für Jeff, dass er gegen Dresden gewonnen hat. Dadurch bleibt der Abstand zwischen uns und Dynamo bei fünf Punkten. Kaiserslautern hat durch diesen Last-Minute-Sieg Vertrauen getankt. Die 2. Bundesliga ist sowieso sehr ausgeglichen. Es ist noch extremer als in der Schweiz. Jeder kann gegen jeden gewinnen.

Die Arminia befindet sich mit Platz neun auf Kurs. In den letzten fünf Spielen gab es jedoch lediglich zwei Punkte. Ist das eine gefährliche Tendenz?
Ich habe mir meine Gedanken gemacht, aber man sollte auch nicht übertreiben. Das Glück, das wir zu Beginn der Saison hatten, war in den letzten Spielen nicht auf unserer Seite. Wir stehen in der Tabelle dort, wo wir hingehören. Man darf nicht vergessen, wo wir herkommen. Letztes Jahr haben wir erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt gesichert.

Trotzdem haben Sie vor der Saison eine Aufstiegsprämie ausgehandelt.
Das ist so üblich und das habe ich bisher immer so gemacht. Es kann immer mal passieren, dass etwas Unerwartetes passiert. Außerdem habe ich ja auch eine Nichtabstiegsprämie in meinem Vertrag verankert (lacht).

Sie haben letztes Jahr den Abstieg in die Drittklassigkeit verhindert und danach den Verein wieder in die richtige Spur gebracht. Wie reagiert man in Deutschland auf den Luxemburger?
Es war ein Riesenthema und ich habe mir dadurch einen Namen gemacht. Inzwischen kennt mich jeder. Es gab unzählige Einladungen zu Interviews. Aber im Fußball kann es sehr schnell gehen, wenn man die Leistung nicht bestätigt.

Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit erwiesen Sie sich als sehr konsequent. Wie mutig war es im Nachhinein, Topstürmer Fabian Klos auf die Bank zu verbannen?
Wenn ich davon überzeugt bin, dass eine Mannschaft ohne einen gewissen Spieler erfolgreicher ist, dann scheue ich mich nicht davor, Konsequenzen zu ziehen. Ich kann sehr radikal sein. Das war in der Schweiz auch so. Ich verfolge eine klare Linie und schaue nicht lange um. Wenn ein Spieler auf dem Platz nicht das umsetzt, was ich verlange, dann nehme ich ihn raus. Fabian (Klos) hat diese Maßnahme aber gutgetan. Er hat sich seitdem sehr gut entwickelt und läuft heute im Schnitt pro Spiel zwei bis drei Kilometer mehr. Vorher war er ein Stürmer, der im Strafraum stand, Tore erzielte, aber nicht für die Mannschaft arbeitete. Wenn man am Tabellenende steht, dann hat man keine Chance, da rauszukommen, wenn nicht alle Spieler auf dem Platz alles geben.

Während zehn Jahren waren Sie ausschließlich im Schweizer Profifußball aktiv. Haben Sie sich als Trainer seit ihrem Amtsantritt in der 2. Bundesliga verändert?
Man muss sich immer anpassen und kann nicht alles blind durchsetzen. Aber ich bin grundsätzlich bei meiner Philosophie geblieben. Ich bin kein Freund davon, tief zu stehen und auf Konterangriffe zu lauern. Aber auch das haben wir diese Saison schon gemacht.

Die luxemburgische und die Schweizer Mentalität sind Ihnen bekannt. Den Ostwestfalen werden oft Wortkargheit und Zurückhaltung nachgesagt. Welche menschlichen Eindrücke haben Sie in Ihren acht Monaten in Bielefeld gesammelt?
Die Vorurteile wurden nicht bestätigt. Ich habe sehr viele offene Menschen kennengelernt. Ich bin positiv überrascht. Auch von Deutschland hatte ich ein anderes Bild und auch in dieser Hinsicht habe ich mich getäuscht. Die Fußball-Kultur, das Land, Bielefeld und das Leben gefallen mir sehr gut. Ich bin begeistert.

Ihre Familie wohnt noch immer in Aarau. Wie bekommen Sie den Spagat zwischen den Verpflichtungen eines Vaters, Ehemanns und Profitrainers hin?
Ich sehe meine Familie eigentlich nicht viel weniger als in der Schweiz. Meine Frau habe ich letztes Wochenende in Hamburg getroffen und wir haben uns das Spiel des FC St. Pauli angesehen. Mit meinem ältesten Sohn war ich am vergangenen Dienstag bei der Champions-League-Partie zwischen Dortmund und Tottenham. Die Länderspielpause nutze ich dann meistens, um nach Hause in die Schweiz zu fahren. Jeder muss Kompromisse eingehen. So ist das nun einmal, wenn man nicht am gleichen Ort wohnt.

Im letzten Sommer wollte Arminia Bielefeld Laurent Jans verpflichten. Die von Waasland-Beveren geforderte Ablösesumme war jedoch zu hoch

In Luxemburg denkt man, dass ein luxemburgischer Trainer einem luxemburgischen Spieler Türen öffnen kann. So wie Sie es damals mit Mario Mutsch in Aarau gemacht haben. Sind Sie mittlerweile von der Idee abgekommen?
Wenn ich davon überzeugt bin, dass ein Luxemburger gut genug ist, um uns weiterzuhelfen, dann wäre ich bereit, ihn zu verpflichten. Im letzten Sommer wollte Arminia Bielefeld Laurent Jans verpflichten. Die von Waasland-Beveren geforderte Ablösesumme war jedoch zu hoch (700.000 bis 800.000 Euro, d. Red.).

Bietet eine solche Verpflichtung Kritikern keine zu große Angriffsfläche?
Ich denke schon. Wenn ein Luxemburger nicht einschlägt, dann hat man ein Problem. Vor allem weil es sehr viele gute junge deutsche Spieler gibt.

Ist es eine Genugtuung, heute in der 2. Bundesliga unter Vertrag zu stehen, nachdem bei der FLF der damalige Nationaltrainer Guy Hellers Sie nicht mehr wollte und Sie quasi zu Ihrem Glück gezwungen wurden?
Eine Genugtuung ist es nicht unbedingt, aber ich bin froh, dass es so gelaufen ist und ich die Chance hatte, mich auf höchstem Niveau zu beweisen. Wenn ich sehe, wo ich jetzt bin und wo andere stehen, dann denke ich nicht, dass ich so viel falsch gemacht habe …

Bereits als Trainer des FC St. Gallen war Ihr Plan, irgendwann nach Deutschland zu wechseln. Der ist aufgegangen. Was ist der nächste Schritt?
Ich bin sehr froh, in Bielefeld zu sein, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die 1. Bundesliga nicht mein Ziel ist. Es kann in diesem Geschäft sehr schnell gehen – in beide Richtungen. Es gibt so viele Trainer auf dem Markt und ich kann mich glücklich schätzen, einen Vertrag in der 2. Bundesliga zu besitzen.

Ist eine Rückkehr nach Luxemburg in den nächsten Jahren auszuschließen?
Wenn ich nach Luxemburg zurückkommen würde, dann käme nur der Posten des Nationaltrainers in Frage. Luc Holtz leistet aber sehr gute Arbeit und deshalb stellt sich die Frage nicht.

Hier geht’s zum Interview mit Jeff Strasser.