FußballEin Straßenfußballer wird Kaiser: Das Märchen des verstorbenen Franz Beckenbauer

Fußball / Ein Straßenfußballer wird Kaiser: Das Märchen des verstorbenen Franz Beckenbauer
  Foto: AFP/Patrick Stollarz

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Einen Tag nach dem Dreikönigsfest starb der Mann, den sie in Deutschland den „Kaiser“ riefen: Franz Beckenbauer war ein Fußballadeliger, der im zerbombten Münchner Arbeiterviertel Giesing zwischen Weltkriegs-Ruinen das Fußballspielen lernte wie kein Zweiter in diesem Land. Weil ihm in seinem Leben scheinbar alles spielerisch gelang, galt er als Lichtgestalt – bis sein instinktloser Umgang mit Millionengeldern beim deutschen Sommermärchen WM 2006 seinen Ruf beschädigte.

Der am 11. September 1945 geborene Beckenbauer starb am Sonntag im Alter von 78 Jahren im Kreise seiner Familie. In diesen von seiner dritten Ehefrau Heidi geschützten Bereich hatte er sich zurückgezogen, nachdem ihn zunächst die Affäre um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland belastete und er danach Schicksalsschläge erlitt.

Sein Sohn Stephan starb 2015 an Krebs, Beckenbauer selbst hatte Herzprobleme, einen Augeninfarkt, er soll Berichten zufolge an Parkinson gelitten haben.

Erst in den vergangenen Jahren groß gewordene Kinder können deshalb allenfalls erahnen, welchen Klang der Name Beckenbauer hatte. Der seit langem in Österreich lebende Fußballer war als Spieler, Trainer, Funktionär und Kolumnist über Jahrzehnte omnipräsent und drückte dem deutschen Fußball den Stempel auf.

Beckenbauers Aufstieg war dabei von jung auf rasant. Schon mit 18 Jahren spielte er für den FC Bayern München zum ersten Mal in der Bundesliga. Mit dem damals noch eher unbedeutenden Verein gewann er 1966 mit dem DFB-Pokal den ersten Titel – in der Folge holte er mit den Bayern wiederholt die deutsche Meisterschaft und drei Jahre hintereinander den Europapokal der Landesmeister, die heutige Champions League.

Zu Gast bei der Jeunesse Esch

Fußballerischer Nationalheld wurde Beckenbauer, weil er in den Glanzzeiten der deutschen Nationalmannschaft deren Libero war. Er spielte im durch das umstrittene Wembley-Tor verlorenen WM-Finale 1966 gegen England und 1970 trotz schwerer Schulterverletzung mit Armbinde in dem als Spiel des Jahrhunderts geltenden verlorenen WM-Halbfinale gegen Italien.

Zwei Jahre nach der gewonnenen Europameisterschaft krönte Beckenbauer 1974 dann aber seine Nationalmannschaftskarriere als Spieler mit dem in Deutschland gewonnenen WM-Titel. Und auch in Luxemburg war Beckenbauer kurz nach dem gewonnenen Titel aktiv: am 17. September 1975 war er in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister gegen die Jeunesse in Esch zu Gast. Beckenbauer spielte durch und durfte am Ende über einen 5:0-Auswärtserfolg jubeln. Tags zuvor waren etwa 5.000 Zuschauer zum Training der Bayern gekommen. 

Der langjährige Bayern-Manager Uli Hoeneß sagte einmal, Beckenbauer sei „eine Legende, weil er aus meiner Sicht der alles überragende Spieler in Deutschland war“. Er gehöre wahrscheinlich „zu den zwei, drei besten Spielern, die die Welt je hervorgebracht hat“.

Nachweisbar gehört Beckenbauer jedenfalls zu den nur drei Fußballern auf der Welt, die als Spieler und als Trainer Weltmeister wurden. Beckenbauer schaffte das 1990 mit dem in Italien gewonnenen WM-Titel – neben ihm gelang das nur dem gerade verstorbenen Brasilianer Mario Zagallo und dem Franzosen Didier Deschamps.

Hoeneß, der als Manager Beckenbauer zwischenzeitlich zum Trainer des FC Bayern machte und unter dem zum öffentlichen Poltern neigenden Beckenbauer als Präsident des FC Bayern arbeitete, wertete dies als Beweis, dass Beckenbauer zumindest im Fußball „mehr oder weniger über Wasser laufen kann“.

Kritik an flapsigen Sprüchen

Doch dieser Messias-Status von Beckenbauer war auch in den Glanzzeiten nur immer die eine Seite von dessen Ansehen. Es gab auch immer die andere Seite, die mit dem wolkigen Spruch „Schau’n mer mal“ noch bayerisch-sympathisch wirkte. Doch tatsächlich gingen einige seiner flapsigen Sprüche kräftig daneben.

Als es Probleme beim Durchsetzen eines Umbaus des Münchner Olympiastadions zu einem reinen Fußballstadion gab, wünschte sich Beckenbauer ein paar Terroristen, die das Stadion wegsprengen – ausgerechnet für den Ort des Olympia-Attentats 1972. Die wegen Menschenrechtsverstößen hochumstrittene WM-Vergabe an Katar verteidigte er damit, dass er da nie Sklaven gesehen habe. Und steuerlich fiel der über Jahrzehnte hochbezahlte Beckenbauer in den 1970er Jahren auf und musste einen hohen Geldbetrag nachzahlen.

Doch mit der Hilfe seines langjährigen, inzwischen verstorbenen Managers Robert Schwan kam Beckenbauer lange Jahre unbeschadet durch seine schillernde Laufbahn. Auch seine immer wieder für Schlagzeilen sorgenden wechselnden Beziehungen schadeten dem fünffachen Vater nicht.

Ob Beckenbauer wegen der Kritik an der Vergabe des Sommermärchens am Lebensende bitter geworden ist, ist nicht bekannt. Nach außen hin versuchte er diesen Eindruck jedenfalls zu zerstreuen. Der Bild-Zeitung, für die Beckenbauer lange Kolumnist war, sagte er zu seinem 75. Geburtstag, dass er regelmäßig bete. „Es sind Dankgebete – ich bedanke mich für das schöne Leben, das ich führen durfte.“