Fußball / Zwei Zeitzeugen erinnern sich: Val Olinger und Johny „Zaff“ Paulus: Große Nostalgie in beiden Lagern

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Abgesehen von einigen Ausnahmen war das Escher Lokalderby jahrzehntelang mindestens zweimal pro Saison fest im Terminkalender verankert. Am kommenden Sonntag werden genau 5.398 Tage verstrichen sein, seit sich am 13.11.1993, also vor fast 15 Jahren, beide Teams zuletzt in der Punkterunde gegenüberstanden. Fola stieg 1994 nämlich ab und der Sturz ins Bodenlose war zu befürchten....

Abgesehen von einigen Ausnahmen war das Escher Lokalderby jahrzehntelang mindestens zweimal pro Saison fest im Terminkalender verankert. Am kommenden Sonntag werden genau 5.398 Tage verstrichen sein, seit sich am 13.11.1993, also vor fast 15 Jahren, beide Teams zuletzt in der Punkterunde gegenüberstanden. Fola stieg 1994 nämlich ab und der Sturz ins Bodenlose war zu befürchten.

Lex Bruch

Val Olinger (geboren am 26.11.1929) und Johny „Zaff“ Paulus (geboren am 1.3.1921) sind zwei Zeitzeugen vieler Duelle vergangener Tage zwischen Schwarz-Weiß und Rot-Weiß. Beide haben zwar mittlerweile mehr oder weniger Abstand vom Tagesgeschäft ihres Vereins genommen, fiebern der 93. Auflage des Escher Meisterschaftsderbys nichtsdestotrotz entgegen.
Diesbezüglich hatte manch einer im Fola-Lager die Hoffnung vermutlich bereits aufgegeben. „Höchste Zeit, dass dieser lange Leidensweg zu Ende ging und das Derbyfieber die Escher endlich wieder packt“, freut sich der 87-jährige „Zaff“. Paulus entpuppte sich einst als sehr talentierter Torwart. Doch leider spielte der Zweite Weltkrieg dem Zwangsrekrutierten äußerst übel mit und beendete eine vielversprechende Laufbahn vorzeitig.
Johny Paulus erinnert sich an längst vergangene Zeiten: „Fola erlebte seine Sternstunden in den 1920er Jahren und war damals unumstritten die Nummer eins in Esch. Im Laufe der Zeit kippte das Machtverhältnis zusehends zu Gunsten von Jeunesse. Fola gewann nach dem letzten Pokalsieg 1954/55 immer seltener ein Derby und kam nur noch rar auf gleiche Augenhöhe mit Jeunesse.“
Olinger war zwar von klein auf vom Fußball besessen, sah aber früh ein, dass sein Talent „begrenzt“ war. Daher sein Entschluss, im nahen Jeunesse-Umfeld wertvolle Arbeit im Dienste des Vereins zu verrichten. Gemäß seinem Motto „Lieber ein guter Vereinsdirigent als nur ein mittelmäßiger Spieler“ bekleidete Val Olinger zunächst das Amt des Kassenwarts und war anschließend sogar Vizepräsident des Rekordmeisters.
Allerdings wäre fast alles ganz anders gekommen und Val Olinger um ein Haar ein Rotweißer statt Schwarzweißer geworden. „Freilich war ich bereits in frühen Jahren Jeunesse-Anhänger. Als Ferienspaß gedacht nahm ich im Juni/Juli 1944 mit meinen Freunden, die Folaspieler waren, am Fola-Jugendtraining unter der Leitung des damaligen äußerst prominenten Spora-Spieler Jim Kremer teil. Ein angebotener Lizenzantrag wollten weder mein Vater noch ich unterschreiben, die Treue zur Jeunesse behielt die Oberhand.“
Jeunesse kam unmittelbar nach Kriegsende besser zum Zuge als der Erzrivale, wie Val Olinger erklärt: „Bei uns spielten viele Italiener, die nicht eingezogen worden waren. Daher waren wir nicht derart geschwächt wie beispielsweise Fola, wo das Spielerpotenzial praktisch ausschließlich aus Luxemburgern bestand und eine Menge von ihnen – darunter ja auch „Zaff“ Paulus – zwangsrekrutiert wurden.“

Leitmotiv

Während mehreren Dekaden galt und gilt es übrigens als Hochverrat, wenn ein Spieler von Jeunesse zur Fola oder umgekehrt wechselte. Das Leitmotiv „einmal Jeunesse, immer Jeunesse“ oder „einmal Fola, immer Fola“ wurde aber bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs „mit Füßen getreten“. Léon Mart und Haxi Bernard hießen die ersten Akteure, die „fahnenflüchtig“ wurden. Beide trieb es von der „Grenz“ Richtung „Gaalgebierg“. Später wechselten weitere Spieler den rotweißen gegen den schwarzweißen Dress oder andersrum.
In den meisten Erinnerungen herrscht bei Johny Paulus und Val Olinger beinahe immer Eintracht. Insbesondere was die Bedeutung eines Escher Derbys betrifft. „Jeunesse – Fola oder Fola – Jeunesse war nie ein Spiel wie jedes andere. Im Vergleich zu anderen Derbys in Düdelingen oder in der Hauptstadt beispielsweise“, betont Olinger: „Es war das etwas andere Derby!“ Wieso? „Na allein schon auf Grund der Animositäten zwischen den Anhängern beider Klubs“, erwidert „Zaff“ Paulus. „Genau“, stimmt Val Olinger ein, „die Gegensätze waren weitgehend sozialer Natur. Und die Feindseligkeit beschränkte sich hüben wie drüben auf verschiedene Gruppen im Publikum, den regelrechten Fanatikern. Bei den Spielern überwog die sportliche Rivalität sämtliche andere Gefühle. Legitim, jeder wollte eben gewinnen. Sticheleien gab es selbstverständlich auch zuhauf, doch fast immer schätzte und respektierte man sich gegenseitig.“ Aber eben nur fast immer…

„Houere Bier“

Bezüglich einer weiteren Anekdote sprechen die beiden Zeitzeugen erneut aus ein und demselben Rohr.
„Gleich nach Kriegsende gastierte Fola auf der ’Grenz’. Nur wenige Zuschauer hörten oder vermuteten, wie Erny Hoffmann von der Jeunesse seinen Fola-Gegenspieler Jäng Fratoni – ohnehin ein Heißsporn – ständig mit ’houere Bier’ provozierte. Fratoni wurde es zu bunt, holte aus und verpasste Hoffmann einen heftigen Kinnhaken. Jener sackte zu Boden, war k.o. und wurde auf direktem Wege ins Spital gebracht, damit sein Kiefer wieder hergerichtet wurde. Anschließend war natürlich Feuer im Stroh, auf den Rängen brodelte es und die Supporter waren nur schwer zu besänftigen.“ Johny Paulus präzisiert: „Ech weess esouguer nach, datt de Blitgen de Match gepaff huet!“
Auch Val Olinger entsinnt sich sehr genau an ein gewisses, äußerst unrühmliches, Auftreten verschiedener Vereinsmitgliedern, ja sogar Spielern, die nach der Befreiung in ihrer Milizuniform – die Miliz galt als Ersatzpolizei nach Kriegsende und war bewaffnet – ihr Unwesen trieben und nicht selten zu völlig unnötigen, aber desto peinlicheren Provokationen neigten.