SportBubble, Teststrategien und Zuschauer auf dem Prüfstand – Welche Maßnahmen sind sinnvoll?

Sport / Bubble, Teststrategien und Zuschauer auf dem Prüfstand – Welche Maßnahmen sind sinnvoll?
Besonders zu Beginn der Pandemie setzte man auf die Desinfektion von Oberflächen Foto: Frank Molter/dpa

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Sport in der aktuellen Corona-Pandemie: Welche Hygienemaßnahmen und Präventionskonzepte sind überhaupt sinnvoll? Über dieses Thema hat die deutsche Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemologie Prof. Dr. med. Barbara Gärtner in einer vom COSL, LIHPS und LIROMS organisierten Videokonferenz gesprochen.

Welche Hygienemaßnahmen und Präventionskonzepte ergeben im Sport überhaupt Sinn? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. med. Barbara Gärtner bereits seit Beginn der Pandemie. Als Mitglied der Taskforce für das Hygienekonzept der Deutschen Fußballliga hat sie bereits zahlreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt. Sie weiß mittlerweile, welche Konzepte funktionieren und welche Fehler sich ins System einschleichen.

Die Mikrobiologin räumt beispielsweise ein, dass die Desinfektion von Spielmaterialien eigentlich wenig sinnvoll ist: „Die Oberfläche ist nicht unser Hauptproblem“, so die Medizinerin, da Infektionen generell über den Luftweg führen. Die Desinfektion von Oberflächen sei gerade am Anfang der Pandemie überbewertet worden, mittlerweile habe man festgestellt, dass diese nicht viel bringt.

Als eines der Hauptprobleme im Sport hat Gärtner die Distanzeinhaltung identifiziert. Der vorgeschlagene Durchschnittsabstand von 1,50 Meter sei ungenügend. Dieser müsste durch das „heftige Atmen und oftmals Schreien“ eigentlich größer sein. Abstand sollte die erste greifende Maßnahme sein, an zweiter Stelle stehe die Maske. Allerdings seien nicht alle Masken sicher und geprüft, deshalb würde der Mund- und Nasenschutz die Ansteckungsgefahr zwar reduzieren, diese sei allerdings nicht gleich null. Masken seien auch eine Option während des Sports, die Leistungsfähigkeit würde allerdings darunter leiden. 

Trügerisches Gefühl von Sicherheit

Eine effizientere Lösung sei die sogenannte „Bubble“, in der Sportler abgeschottet leben. Diese funktioniere sehr gut in Sportarten, in denen die Athleten viel reisen und permanent unter sich sind. Eine Blase sei beispielsweise bei Skispringern, Schwimmern oder Radsportlern sinnvoll. Die Athleten reisen in einer kleinen Gruppe um die Welt und kommen nicht in Kontakt mit der Außenwelt. Im Fußball sei eine „Bubble“ beispielsweise schwieriger umzusetzen, da die Spieler nach dem Match zu ihren Familien zurückkehren und somit auch mit der Außenwelt in Kontakt treten.

Gerade deswegen birgt auch die Blase einige Schwächen: Oft werden zu viele Personen in einer „Bubble“ zugelassen, sodass diese nicht mehr wirksam ist: „Es gehen Personen rein, die eigentlich nichts da zu suchen haben“, so die Medizinerin. Ein Blase ist nur dann effizient, wenn sie von einem rigorosen Hygienekonzept begleitet wird. Sie darf nur von zugelassenen Personen genutzt werden, es müssen ständige Tests durchgeführt werden und es darf keine Kontakte nach außen geben. Ein Kontakt nach außen könnte eine Blase nämlich schnell zum Platzen bringen.

Außerdem gebe es eine Reihe von Fehleinschätzungen, die oft Verwirrung stiften. Es lauern Gefahren, auch wenn man sich an die Regeln hält. „Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch sicher. Ehebruch ist auch erlaubt, man muss es trotzdem nicht tun“, so Gärtner.

In der Bundesliga sind Corona-Tests beispielsweise Pflicht, aber auch die verschiedenen Teststrategien bringen einige Gefahren mit sich. Ein negativer Test vermittle ein trügerisches Gefühl von Sicherheit und sei kein Grund, gegen Hygienemaßnahmen zu verstoßen. Eine Person, die heute negativ getestet wird, könnte morgen trotzdem positiv sein. Deshalb müsste eigentlich an jedem zweiten Tag getestet werden. Zudem seien Tests anfällig für Fehler oder Betrug. Es müssten unabhängige Tester eingesetzt werden, um die Abstriche fehlerfrei durchzuführen. Bei Sportvereinen herrscht oft Stress, der dazu führe, dass Tests nicht richtig gemacht werden. Deshalb lassen intern ausgeführte Abstriche Spielraum für Fehler und Betrug.

Zuschauer „momentan nicht vertretbar“

Ein weiteres Problem seien Zuschauer, die eine unkontrollierbare Gefahrensituation darstellen, denn statistisch gesehen sind 0,1-1 Prozent der Zuschauer potenziell infektiös. Auch bei einem teilbesetzten Stadion sei das Risiko daher nicht zu unterschätzen. Auch wenn die Abstände bei einer reduzierten Zuschauerzahl während eines Spiels eingehalten werden, bei der An- und Abreise sind diese nicht gewährleistet. Zudem führe der Alkoholkonsum im Stadion zu irrationalem Verhalten. Alles Argumente für Geisterspiele.

Zur Lösung dieses Problems könnten Hygienekontrolleure beitragen. Auch Testkonzepte seien eine Option, die allerdings schwierig umzusetzen ist. Ein enormer logistischer Aufwand wäre nötig, immerhin dauere ein Antigen-Test beispielsweise mindestens 15 Minuten. Bei tausenden Zuschauern, die vor den Stadien warten, wäre dies fast unmöglich durchzusetzen. Zudem müssten die positiv getesteten Fans, die bereits im Besitz eines Tickets sind, wieder nach Hause geschickt werden. „Ich sehe Zuschauer im Augenblick nicht als realistisch“, so die Ärztin. Es sei nicht vertretbar und falsch, das Thema Zuschauer in den Vordergrund zu stellen. Die Frage nach Zuschauern sei in Zeiten, in denen „die Oma an Weihnachten zu Hause bleiben muss“, nicht zu rechtfertigen.

Doch welche Bedingungen sind nötig, um den Sport in der Corona-Pandemie sicherer zu machen? Gärtner plädiert für harte Hygienemaßnahmen. Wenn Konzepte versagen, müsse es einen Lockdown für alle Beteiligten geben. Außerdem seien Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln notwendig. Immerhin steht bei regelwidrigem Verhalten nicht nur die eigene Gesundheit auf dem Spiel, sondern auch die von Mitspielern, Gegnern, Zuschauern, usw.

Es gehe auch darum, die Hygienekonzepte für den Sport sicherer und betrugsfrei zu machen. Alle Tests sollten beispielsweise von einem unabhängigen Tester durchgeführt werden. Verstöße gegen das Hygienekonzept sollten nach dem Modell der amerikanischen NFL geahndet werden, so die Medizinerin: „Da sind schon ein paar Millionen zusammengekommen.“ Man müsse über Sanktionen, ähnlich wie beim Doping, nachdenken. Es gehe darum, einen „Sport zu kreieren, der unter Corona-Bedingungen geht. Man muss Sportprogramme entwickeln, die Corona-fest sind.“